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Serie: Bouncer, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Wir schreiben das Jahr 1864 im amerikanischen Bürgerkrieg: Atlanta, einer der bedeutendsten Handelsplätze der Konföderation, ist unter dem Ansturm der Truppen General Shermans gefallen und das Ende des Krieges damit faktisch eingeläutet. Eine kleine Schar Konföderierter unter dem skrupellosen Captain Ralton will sich nicht mit dem Unausweichlichen abfinden und zieht weiter raubend, mordend und vergewaltigend durch das Land. Schließlich erreichen die Marodeure die Ranch des Priesters Blake, der hier zusammen mit seiner indianische Ehefrau Emihy Ah und seinem Sohn Seth ein gottesfürchtiges Dasein fristet.
Böses vorahnend weist Blake seinen Sohn an, sich vor den Eindringlingen zu verbergen und - sollte das Schlimmste passieren - nach Barro-City zu reiten, um im „Infierno Saloon“ nach dem Bouncer zu fragen.
Aus seinem Versteck muss der Junge mit ansehen, wie Ralton seinen Vater tötet und die Männer sein Mutter vergewaltigen. Getrieben von blankem Hass schleicht sich Seth aus dem Haus, und reitet mit seinem einzigen Besitz - zwei exzellenten Revolvern, die mutmaßlich einem Berufskiller gehört haben und die der Junge Tage zuvor in einem verborgenen Sarg fand - in die Stadt. Hier versuchen zunächst zwielichtige Gestalten, den Jungen um sein Habe zu erleichtern, doch bevor es zum Äußersten kommt greift ein einarmiger Mann ein, der sich als Bouncer vorstellt.
Der Bouncer erklärt sich ohne viel Aufhebens bereit, die Mörder der Eltern des Jungen zur Rechenschaft zu ziehen, denn Ralton, Blake und er sind - bzw. waren - nicht nur Brüder, Ralton hat auch den Arm des Bouncers auf dem Gewissen.
Der amerikanische Bürgerkrieg, der in den Jahren 1861 bis 1865 zwischen der Union und der Konföderation tobte, ist nicht nur der Hintergrund zahlreicher Romane und Filme, sondern auch berühmter Comic-Serien wie bspw. Girauds / Charliers „Blueberry“ (dt. bei Ehapa). Insofern begeben sich Jodorowsky und Boucq mit ihrer Geschichte auf schon lange abgestecktes Terrain und sollten von daher mit etwas Besonderem aufwarten können, wollen sie den Western-Fan für sich einnehmen.
In inhaltlicher Hinsicht ist diese Besondere sicherlich die exzessive - allerdings stets plausible - Gewalt, die Erbarmungslosigkeit, gegen die sich selbst relativ harte Western-Comics wie Gregs und Hermanns „Comanche“ (dt. u.a. bei Splitter) wie Kinderbücher ausnehmen und die „Bouncer“ für jüngere Leser ungeeignet macht. Das zweite „Argument“ sind originellen, kultigen Charaktere, denen es zwar noch an Tiefe mangelt, in denen sich aber dennoch ein starkes Potenzial abzeichnet. Die Handlung selbst wird vom Autor mittels Genre-Versatzstücken - insbesondere auch des Italo-Westerns - gefällig und spannend inszeniert, wobei eine gewisse Tendenz zur Überzeichnung augenfällig ist.
Neben der Härte und dem originellen, fast biblischen Bruder-Konflikt ist es das Artwork - die Zeichnungen Boucqs sowie die Koloration -, die „Bouncer“ von den Genre-Maßstäbe setzenden Reihen wie „Blueberry“, „Comanche“ oder „Jerry Spring“ unterscheiden und der Serie einen ganz eigenen Charme verleihen. Boucqs Duktus ist vergleichsweise fein elaboriert und insgesamt detailreich, wobei das eigentlich Besondere die Panorama-Panels sind, die sich zuweilen sogar über zwei Seiten in der Breite erstrecken und der Landschaft eine Weite verleihen, wie man sie zum Beispiel aus Sergio Leones Film „Once Upon a Time in the West“ kennt.
Die Farbgebung changiert um die genreüblichen Grau- und Braun-Töne, wobei sich immer wieder stimmungsvoll zarte Buntfarben einschleichen und die visuelle Monotonie etwas auflockern.
Fazit: Ein knallharter, spannender, flüssig inszenierter und stimmig visualisierter Western-Comic. Für Genre-Fans ein Muss.