Serie: Wonderland, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Carroll "Callie" Ann Liddle hofft, die schrecklichen Ereignisse um das Wunderland, das ihr letztlich ihre gesamte Familie nahm, hinter sich lassen zu können. In einem kleinen New Yorker Diner arbeitet sie unter dem Namen Lacy als Kellnerin und hat in dem gleichaltrigen Brandon einen gutmütigen Partner gefunden, dessen Kind sie nun unter ihrem Herzen trägt.
Doch das Wunderland lässt sie nicht los, denn Callies Bestimmung ist es, das Wunderland, jenes grauenvolle Alptraumreich, um den Preis ihres eigenen Lebens in Schach zu halten und zu verhindern, dass der Wahnsinn von dort in unsere Dimension sickert. Doch dafür ist es schon zu spät. Nicht nur, dass Callie von Visionen heimgesucht wird, in denen ihr vom Wunderland verschlungener Bruder ihr Vorwürfe macht und ihr droht, sie zu holen, Johnny ist längst in unserer Realität angekommen; und die Grinsekatze, jenes monströse Ungeheuer, ist seine Begleitung.
Zusammen machen sich die beiden gnadenlos, grausam und blutrünstig daran, Callies Leben Zug um Zug, Freund um Freund zu vernichten, beginnend mit der Entführung Brandons in das tödliche Land, endend mit der Ermordung ihres Großvaters, der schließlich in Callies Armen stirbt. Doch Callie ist nicht Johnnys eigentliches Ziel, es ist das Kind, das in ihrem Bauch heranwächst und dessen Bestimmung mutmaßlich ebenfalls der Schutz unserer Welt sein wird.
Verglichen mit dem Zyklus des ersten Tradepaperbacks ist die vorliegende Story im wahrsten Sinne des Worte erdgebundener; d.h. abgesehen von einer relativ kurzen Episode ist die Handlung ganz in der diesseitigen Welt angesiedelt, womit der ohnehin schon dünne Bezug des Comics-Konzeptes zu Lewis Carrolls klassischer Geschichte weiter an Umfang verliert. Mit dem neuen Handlungsort ändert sich auch der erzählerische Schwerpunkt der Geschichte. Es geht dem Autor augenscheinlich nicht mehr darum, möglichst viele skurrile und bizarre Wesen bzw. Situationen bei einem hohen Maß an Gewalt auf den ihm zur Verfügung stehenden Seiten unterzubringen, sondern er entwickelt tatsächlich eine stringente Story, in der die privaten Probleme und die Psychologie der Figuren im Vordergrund stehen. Das ist zwar nicht sonderlich spannend, weil Gregory kaum über Klischeehaftes und Banalitäten hinausgeht, und Callie wird keine wirklich sympathische Figur, aber es vermittelt dem Leser immerhin das gute Gefühl, nicht nur als Gewalt-Voyeur betrachtet zu werden, auch wenn der Autor mit seine Gewaltphantasien nach wie vor nicht hinter dem Berg hält.
In künstlerischer Hinsicht gilt auch für diese Tradepaperback: guter amerikanischer Mainstream. Sowohl in Zeichnungen als auch Koloration klar, dynamisch, visuell durchaus kontrastreich und spannend, jedoch ohne nachhaltigen Eindruck, da Sämtliche Figuren abgesehen von der Grinsekatze 0815-Physiognomien besitzen und losgelöst von ihrem Kontextes kaum identifizierbar wären.
Fazit: Mehr Handlung, weniger Gewaltorgien, weniger Exotik und Erotik als im ersten Teil. Popcorn-Unterhaltung für die ganze (amerikanische) Familie.