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Serie: Kai Meyer - Das Wolkenvolk, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Wir befinden uns in der Mitte des 18. Jahrhunderts: Von gewaltigen Maschinen getragen, welche den Äther aus Sphären oberhalb des bekannten Himmels saugen, schwebt eine riesige Wolkeninsel über das Antlitz der Erde. Ihre Bewohner, die in einer bäuerlich feudalistischen Stadt mitten auf eben dieser Insel leben, nennen sich das Volk der Hohen Lüfte.
Eines Tage beginnen die Maschinen nach und nach zu versagen, sodass die Stadt zu sinken anfängt und schließlich zwischen den Gipfeln chinesischer Berge strandet.
Die Herren der Wolkeninsel beauftragen daraufhin den jungen Niccolo, dessen Vater nicht nur ein herausragender Wissenschaftler, sondern auch ein freigeistiger Aufrührer war, hinab zur Erde in das Reich China zu fliegen, um dort Drachen zu suchen, mit deren ätherischem Atem sich die Stadt wieder in den Himmel erheben könnte.
Kaum in China angekommen, trifft der Junge die Schwertmeisterin Wisperwind, die ihm zwar nicht den Aufenthaltsort der Drachen nennen kann, die ihn aber zunächst vor den Gefahren ihrer Welt schützt und ihm dann den Weg zur nächsten Stadt weist. Dort begegnet Niccolo Nuaga, einem Mädchen, das von Drachen großgezogen wurde, das von den goldenen Augen des Jungen fasziniert und das selbst auf der Suche nach den Drachen ist, die diese Welt verlassen zu haben scheinen.
In Begleitung eines in ein kurios-bizarres verzaubertes Kostüm gebannten Mannes namens Feiqing machen sich Niccolo und Nuaga auf die Suche nach dem Exil der Drachen.
Dass Comic-Adaptionen von Fantasy-Romanen mittlerweile sowohl gang und gäbe als auch im Massenmarkt erfolgreich sind, belegen in Deutschland aktuell insbesondere die Veröffentlichungen von Conan-, Dragonlance- und Forgotten Realms-Tradepaperbacks durch den Panini-Verlag sowie die phantastischen Umsetzungen einiger Romane Neil Gaimans - Niemalsland, Sternwanderer, Coraline.
Eine Voraussetzung für den Erfolg ist allerdings, dass der Stoff eine breite Leserschaft anspricht, den neugierigen Zwölfjährigen ebenso wie den nach Blut und Action lechzenden „Mittvierziger“; und genau hier liegt die Schwäche von „Wisperwind“: Die Romanvorlage ist - wie zahlreiche Bücher Meyers - explizit auf Kinder oder Teenager zugeschnitten und Yann Krehl vermag es nicht, diesen Jugendstoff erwachsenengerecht aufzubereiten.
Der einfach konstruierten, relativ linearen Geschichte fehlt der „Sense of Wonder“, das Hintergründige, das Neue und Originelle, das z. B. die Kinder-Buch-Comics Neil Gaimans auch für Leser fortgeschrittenen Alters zu einem fesselnden Lesevergnügen werden lässt.
Krehls Charaktere sind - anders als die Figuren in Meyers Roman - durch Erwachsenenaugen betrachtet auf eine nervtötende Art naiv und eindimensional, eher ignorant als neugierig. Originelle phantastische Elemente sind Mangelware: Die Existenz von Drachen an sich ist nichts, was den Fantasy-Freund vom Hocker haut, der fliegenden Stadt fehlt es an Steampunk-Atmosphäre bzw. magischer Ausstrahlung und selbst Figuren wie Feiqing weisen einen letztlich trivialen Hintergrund auf. Die Texte - Dialoge wie Beschreibungen - wirken oft vordergründig, phrasenhaft und/oder steif. Auf Grund dieser Schwächen - des Fehlens eines Wow-Gefühls - fällt auch das gemächliche Tempo, mit dem sich die Handlung entwickelt, negativ ins Gewicht, da schnell ein Gefühl von Zähigkeit und zunehmend auch Langeweile Raum greift.
In seinem Nachwort erklärt Kai Meyer, dass seiner Wolkenvolk-Trilogie Ideen des asiatischen Wuxia-Genres sowie die Auseinandersetzung mit chinesischer Mythologie zu Grunde liegen. Zumindest in diesem ersten Comic ist außer einigen „fliegenden Kämpfern“ - einem metaphorisch zu deutendem Bild, das viele Wuxia-Filme gemein haben - gerade von Letzterem jedoch nur wenig zu spüren. Die Comic-Serie „Luuna“ jedenfalls, die ebenfalls bei Splitter erscheint, enthält auf beliebigen fünf Seiten mehr (offensichtliche) mythologische Hintergründe - zwar nicht aus der chinesischen, sondern der indianischen Mythologie - als „Wisperwind“ auf 68 Seiten.
Während die Story alles in allem unbefriedigend dünn wirkt, ist das Artwork das eigentlich Erfreuliche an diesem Comic, da es den Leser auch über die zähen Momente hinweggeleitet. Seine Stärke liegt vor allem sowohl in der realistischen Darstellung der pittoresken Landschaften und der historisierenden Städtearchitekturen, als auch im dynamischen Posing der Figuren sowie der mitreißenden Kampf-Choreographie, in denen man ein ums andere Mal Elemente asiatischer Martial-Arts-Filme wiedererkennen kann, ohne dass die Zeichnungen auch nur entfernt mangahaft wirken.
Einen kleinen Wermutstropfen stellt allerdings die Unsicherheit des Zeichners - ob als Stilmittel gewollt oder aus Unachtsamkeit ungewollt, sei dahingestellt - in Bezug auf die Proportionen der Figuren-Gesichter dar, welche hin und wieder dem Künstler zu entgleiten und merkwürdig flächig bzw. verschoben scheinen.
Fazit: Das gute Artwork vermag die laue, zäh wirkende Story, die der Romanvorlage nur unzureichend gerecht wird, nicht gänzlich aufzufangen, sodass als Ergebnis dieses Bandes nur die Hoffnung auf eine originellere, tiefgründigere und poetischere Geschichte in den nächsten fünf Bänden bleibt.