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Titel: Wolfskrieger Eine Rezension von Ida Eisele |
Authun, der König der norwegischen Horda, raubt eine entstellte keltische Sklavin und ihre frisch geborenen Zwillinge, um einen der Jungen als seinen Sohn anzunehmen, da er selbst keinen Nachfolger hat. Alle Zeugen dieses Raubzuges lässt er zurück oder tötet er. Die Hexen von der Trollwand unter ihrer Königin Gullveig aber nehmen den zweiten Jungen und die von einem Amulett Lokis beschützte Mutter zu sich und geben den Jungen zur Erziehung an eine Berserkerfamilie. Gullveig nämlich will den Fenriswolf auf die Erde holen, um ihre Schwestern vor der Bedrohung durch den auf die menschlichen Zauberer eifersüchtigen Odin zu schützen.
Während der junge Vali also behütet erst an Authuns Hof und später bei den verbündteten Rygir als Prinz aufwächst, macht sein Bruder Feileg eine ungleich härtere Kindheit durch, die ihn schließlich in der Obhut eines wilde Wolfsmannes erwachsen werden lässt.
Valis unstandesgemäße Liebe zu dem Bauernmädchen Adisla bringt jedoch Unglück über alle. Gabelbart, der König der Rygir, stellt an den friedfertigen Vali die Bedingung, die räubernden Wolfsmänner zu besiegen, wenn er nicht will, dass Adisla den Göttern geopfert wird. So zieht Vali unter Einfluss eines von Adislas Mutter gewirkten Zaubers los und kehrt keinen Monat darauf mit einem Gefangenen zurück – seinem Bruder Feileg, den er jedoch nicht als Verwandten erkennt.
Dann aber greift ein dänischer Stamm die Rygir an, um entweder Vali oder die gerade erst gerettete Adisla bei den Walmännern im Norden gegen ihren eigenen Prinzen einzutauschen. Deren Zauberer haben nämlich gesehen, dass eine schreckliche Gottheit aus dem Süden sie alle töten würde, wenn sie nicht den Wolf zu sich holten.
Gemeinsam machen sich Vali, sein Lehrer Bragi und Feileg – der sich ebenfalls in Adisla verliebt hat – auf, um Adisla zu retten.
Von der ersten Seite an nimmt „Wolfskrieger“ seine Leser mit in die düstere, brutale und in der Fantasy eher selten betretene Welt des frühen skandinavischen Mittelalters. Die Raubzüge der Seefahrer, die Gesellschaft zwischen Kriegern, freien Bauern und Sklaven und der beginnende Siegeszug des Christentums sind – jedenfalls für einen Laien wie mich und vermutlich die Mehrheit der Leser – überzeugend dargestellt.
In der Tat ist das Buch über weite Teile hin so realitätsnah, dass ich mir lange nicht sicher war, ob ich nicht aus Versehen doch ein historisches Buch in die Hände bekommen hatte. Die Magie wird jedenfalls stets als etwas beschrieben, für dessen Ausübung man unbeschreibliche Qualen durchmachen muss, bis der Verstand fast dem Wahnsinn weicht – meistens im Zusammenhang mit Pilzen und anderen halluzinogenen Mittelchen. Auch die Beschreibung der 'magischen' Vorgänge ist bisweilen so verwirrend, dass ernste Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der Handelnden entstehen. Erst wenn der Fenriswolf dann tatsächlich durch die Lande streift, vergeht die Skepsis.
Ein allwissender Er-Erzähler berichtet in einem wirklich angenehm zu lesenden, spannenden aber sonst unauffälligen Stil, sodass man das Geschehen durch die Augen vieler Personen sehen kann. Es bleibt aber übersichtlich.
Die Hauptcharaktere sind recht gut dargestellt, wobei einzelne Fragen offen bleiben. Woher rührt zum Beispiel Valis Friedfertigkeit und seine Überzeugung, mit der Kraft des Verstandes komme man weiter als mit Gewalt, wo er doch als Sohn eines Kriegerkönigs aufgewachsen und erzogen worden ist? Welche Rolle spielt Adisla letzten Endes? Vali erkennt sie in der Schlussszene als 'eine Gottesmörderin, in tausend Lebensspannen ewig wiedergeboren, um Odin in all seinen Verkörperungen zu jagen.' - allerdings ist mir eine solche Gestalt weder aus der nordischen noch aus sonst einer Mythologie bekannt, was sie aus dem Kreis der sonst sehr stark an den nordischen Mythen orientierten Charaktere herausfallen lässt.
Die beiden Brüder Vali und Feileg sind als Gegensätze angelegt, Vali als der friedlicher Prinz, der lieber ein Bauer wäre, und Feileg als in der Wildnis aufgewachsener Wolfsmann. Interessanterweise scheinen sie im Laufe der Geschichte ein Stück weit die Plätze zu tauschen, ein Teil des gelungenen Verwirrspiels, das um die Identität des Fenriswolfes und Odins betrieben wird. Denn die anfänglich einfach scheinenden Pläne Gullveigs, Odin aus seiner menschlichen Hülle zu vertreiben, um ihre Schwestern zu retten, verspinnen sich zu einem vielschichtigen Wirrwarr von Geheimissen, das den Leser einige Male überraschen kann.
Das doch sehr knappe Ende wird durch ein nachträgliches Kapitel, in dem Loki unwissenden Wanderern die Ereignisse erklärt, erweitert, was die Verständlichkeit des doch sehr komplexen Geschehens deutlich erhöht.
Insgesamt handelt es sich um ein wirklich gutes und lesenswertes Buch, das die eine oder andere Schwäche aufweist.