Titel: Wispernde Schatten Eine Rezension von Doreen Below
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Kurzbeschreibung:
Jede Nacht derselbe Albtraum. Seit Miranda mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder nach Firecroft Bay gezogen ist, hat sie keine ruhige Nacht mehr. Und den ganzen Tag fühlt sie sich von Schatten verfolgt. Als es im Bus dann auch noch schneit und an der Schule die PCs explodieren, ist sich Miranda sicher: Irgendetwas geht hier vor - etwas Düsteres, Geheimnisvolles. Doch Josh und seine Freunde glauben, sie könnten es aufhalten. Und sie behaupten, Miranda habe besondere Fähigkeiten, die ihnen dabei helfen. (Bild und Text: Carlsen)
Ich versuche mich an sie zu erinnern, sie einzuordnen, aber der Schatten wird immer größer und größer. Nein - nicht größer, er kommt nur näher. Kommt direkt auf mich zu durch einen Strudel von Dunkelheit hindurch. Kommt, um mich zu holen. Und jetzt ist da dieses Wispern. Miranda... (aus Seite 52)
Wäre Wispernde Schatten ein TV-Format, würde es wohl hervorragend in den Kinderkanal (KiKA) passen. Man nehme eine Gruppe von jugendlichen Außenseitern mit herausragenden Fähigkeiten, eine erwachsene Führungspersönlichkeit sowie einen Feind, der jeglichen physikalischen Elementen trotzt und eben einfach nicht von dieser Welt zu sein scheint. Fertig ist eine fesselnde Mischung aus mysteriösen Ereignissen, zwischenmenschlichen Entwicklungen und durchaus überraschenden Wendungen - perfekt ausgelegt für eine junge Zielgruppe, die über manch schwarz/weiß Persönlichkeit gewiss gut hinwegzusehen vermag und unperfekten Gruselspaß genießen kann.
Die Atmosphäre des Romans gibt sich dem Buchtitel entsprechend dann auch gleich äußerst geheimnisvoll, düster und gleichermaßen erfrischend frech. Gemeinsam mit der zwölfjährigen Ich-Erzählerin Miranda erkundet man das englische Örtchen Firecroft Bay, das sich von dem alten Wort firencroeft ableiten lässt, somit Bösartigkeit bedeutet und bereits wunderbar jenes energieraubende Wesen beschreibt, mit dem es Miranda und ihre neuen Freunde alsbald zu tun bekommen. Bis der Feind sich jedoch zeigt und seine wahre Motivation enthüllt, muss Miranda sich erst einmal in der neuen Stadt zurechtfinden, sich fragen, wem sie wirklich vertrauen kann und manch schauriges Erlebnis verarbeiten. Ein gefrierender Schulbus, nächtliche Albträume und explodierende Schulcomputer bilden dabei nur den Anfang. Unheimlich fesselnd!
Mit Miranda mitzufiebern und rätseln war unterdessen ein leichtes Unterfangen. Der britische Autor David Blythe bringt die Handlung geschwind voran und findet eine gute Balance zwischen Gänsehautfeeling, nachdenklichen Momenten und spritzigen Dialogen/Gedankengängen. So entstehen automatisch Bilder im Kopf, wenn Miranda sich beispielsweise in ihrem Zimmer befindet, plötzlich ein uraltes Lied aus ihrem iPod ertönt und Bilder aus vergangenen Zeiten sich ihrer Gedanken bemächtigen. Schaurig! Wiederum ist die Sprache des Romans jugendlich lässig und demgemäß flott zu schmökern. Da wird sich nicht einfach nur hingesetzt, sondern hingepflanzt und aus Langweilern, werden einfach mal Nullachtfühnzehner schwadroniert, während die Außenseiter als Spackos betitelt werden. Da bleibt der eine oder andere Schmunzler nicht fern.
Für grüblerische Momente sorgen dann Mirandas Gedanken um den verstorbenen Dad und eine beginnende Freundschaft, die sich nicht ganz mit Mirandas neuen Aktivitäten als Hobbyschattenjägerin (im Original Shadow Runners genannt) verträgt. Hier gelingt es Blythe dann auch ausgezeichnet, einige Zweifel zu sähen und eine falsche Fährte bezüglich des geisterhaften Übels zu legen, während er seine Hauptfigur mit unterschiedlichen Gefühlen konfrontiert und rätselhafte Andeutungen einstreut. So trifft schon mal Unsicherheit auf Abenteuerlust, Angst auf Neugierde und Misstrauen auf Gruppendynamik. So oder so muss Miranda zuweilen über den eigenen Schatten springen und sich den einen oder anderen Fehler eingestehen. Obgleich vom Autor vielleicht manchmal etwas einfach und insbesondere zum Ende hin verwirrend schnell gelöst.
Etwas schattenreicher hätte Blythe allerdings seine Nebenfiguren gestalten dürfen. Mit Nerd Olli, Mädchenschwarm Josh, Herumkommandiererin Cal, Superhirn Lyssa und der engagierten Lehrerin Miss Bellini bekommt man es mit durchaus facettenreichen sowie (teils) sympathischen Charkateren zu tun, die eine wunderbare Einheit ergeben und von denen man noch etwas lernen kann - mythologisches Hintergrundwissen meets wissenschaftliche Erklärungen. Schlussendlich bleiben die Shadow Runners aber vor allem eines: bekannte Stereotypen mit spärlichem Informationsgehalt. Man erfährt zwar einiges über die einzelnen Hintergründe bzw. wie die Gruppe zueinanderfand, an dreidimensionalen Persönlichkeiten fehlt es jedoch. Insgesamt jedoch ein lesenswerter JUGENDroman, der mit einem spannungsgeladenen wie (für mich) unvorhersehbaren Showdown endet und weitere Abenteuer der geheimen Organisation vermuten lässt.
Kurz gesagt:
Ein schaurig-mysteriöser Jugendroman, der insbesondere eine junge Zielgruppe (zwischen 12 bis 15 Jahren empfohlen) faszinieren dürfte - spannend, düster und zugleich erfrischend frech erzählt. Positiv: es kommt kaum Langeweile auf, da der Spannungsbogen gekonnt aufrechterhalten wird. So sorgen unheimliche Begebenheiten für ein flottes Seitenverschlingen und teils undurchschaubare Wendungen für manch überraschenden WOW-Effekt. Negativ: trotz sympathischer Nebenfiguren ist die Handlung mit allerhand Stereotypen gespickt, die etwas blass bleiben und vor allem das letzte, enthüllende Drittel rast verwirrend schnell dem Show Down entgegen. Dennoch lesenswert!