Titel: Wired Eine Rezension von Doreen Below |
Kurzbeschreibung:
Vor einem Jahr starb Lia Kahn.
Nur wenige Tage später wachte sie auf.
In einem neuen, künstlichen Körper.
Sie hatte eine neue Familie: Mechs wie sie. Und ein neues Leben – eines, das für immer währen sollte.
Das dachte sie zumindest …
Doch nun stellt sich alles, was man ihr erzählt hat, als Lüge heraus. Jemand beginnt, die Mechs zu zerstören, sie einen nach dem anderen auszulöschen. Lia geht jedes Risiko ein, um sich selbst und die zu schützen, ohne die sie nicht sein kann. Aber sie muss sich der Wahrheit stellen: Alle kann sie nicht retten.
Meine Meinung:
Trilogien, egal ob in Film oder Literatur, sind stets eine Sache für sich. Erst wartet man Monate, wenn nicht sogar Jahre, bis man endlich erfährt, wie es mit dem liebgewonnen Held oder der toughen Heldin weitergehen wird – fiese Cliffhanger und zumeist dramatische Plotentwicklungen stellen die Geduld auf eine zähneknirschende Zerreißprobe – und dann ist es plötzlich soweit: das Wörtchen ENDE bildet sich rasch und endlich unter dem letzten Satz. Alles ist gesagt und es gibt kein Zurück. Bei der "Skinned"-Trilogie, um die kämpferische Lia Kahn, erging es mir ähnlich. War ich zuvor stets fasziniert von Lias Entwicklung und den halbwegs erträglichen Schlussakten, sorgte der finale Band "Wired" nun für einen temporären Absturz meines erschütterten Nervenkostüms. Darf eine Reihe wirklich so zu Ende gehen? … oh ja, das darf sie!
Mit "Wired" kreiert Robin Wasserman erneut eine intelligent und charakternah erzählte (Jugend-)Dystopie, die zunächst auf leisen Sohlen zu fesseln weiß und sich, im Gegensatz zu manchen Genrekollegen, auf das Wesentliche konzentriert. Seichtes 08/15 High-School-Geflüster sucht man hier vergebens, denn für übertriebene Schwärmereien bleibt glücklicherweise keine Zeit. Was zählt sind die Entwicklungen der einzelnen Protagonisten und die Enthüllung aufwühlender Geheimnisse, die im Verlauf der letzten zwei Bände gehütet wurden - unfassbare Abgründe tun sich plötzlich in der Welt der Terminator ähnlichen Mechs auf, so, dass selbst der draufgängerische Jude es mit der Angst zu tun bekommt. Genau! Alte Freunde wie Feinde ebnen sich einen Weg zurück … und fortwährend steht eine Botschaft im Raum: NIEMAND ist unentbehrlich. Das sorgt gelegentlich schon für einige Schockmomente. Passend gewählt ist da übrigens der Titel "Wired", der übersetzt in etwa verkabelt/installiert bedeutet und im Handlungsverlauf einen Sinn ergibt.
Beharrlich an vorderster Front kämpft abermals die junge Mech Lia Kahn, die von Band eins bis drei eine dramatische Entwicklung durchmachen musste und mit ihrer leicht unterkühlten Art überzeugt. War Lia in "Skinned" noch ein Mädchen, das von der beliebten High School Schülerin zur bedeutungslosen Außenseiterin abgestempelt wurde, forderte sie im 2. Band "Crashed" unerschrocken ihre Grenzen heraus, in dem Wissen unsterblich zu sein (zumindest wenn das Bankkonto stimmt). In "Wired" wird das bis dato Gewesene nun auf den Kopf gestellt. Wie nicht anders zu erwarten, heißt es nun endgültig Org/Mensch gegen Mech/Maschine.
Wiederholt macht Schlüsselfigur Lia eine greifbare Wandlung durch. Sie ist stark und gleichzeitig machtlos. Als Maschine wurden ihr jegliche Rechte/Menschenwürde genommen, d. h. jeder Org könnte sie eliminieren, ohne eine Straftat zu begehen, wann immer ihm die Lust danach steht. Doch lässt Lia sich anfangs noch zum Spielball des Feindes machen und bezüglich dessen in der Öffentlichkeit bloßstellen, bleibt bald nur noch der Frontalangriff … mit schwerwiegenden Folgen. Das ist fesselnd, unterhaltsam und erschütternd. Trotzdessen Lia und ihre Freunde anscheinend nichts empfinden können (schließlich sind sie nur eine Kopie des menschlichen Ichs), ist es beinahe unmöglich das zu glauben. Wie bereits in den Bänden zuvor, ist es erstaunlich, wie glaubhaft Robin Wasserman die Gefühle und Ängste ihrer mechanischen Hauptprotagonistin in der Ich-Perspektive schildert. Da bedarf es kaum der eigenen Phantasie, um sich in die düstere Welt me(ns)chlicher Abstürze zu begeben.
Auch die Nebencharaktere können sich sehen lassen. Jude, Riley und Zo stehen erneut auf dem Programm und beweisen einmal mehr, dass es keine perfekt geschliffene Persönlichkeit braucht. Sie alle haben ihre Stärken wie Schwächen und lassen sich kaum in eine Schublade stopfen. Bestes Beispiel ist Lias kleine Schwester Zo, die sich in "Skinned" nicht gerade mit me(ns)chlichem Feingefühl bekleckerte und nun zeigt, was wirklich in ihr steckt. Langsam wendet sich das Blatt und alte Vorurteile ihr gegenüber lassen sich leicht über Bord werfen.
Bei dem rasant eingeführten Schlussakt sieht die Sache hingegen ganz anders aus. Für das definitive ENDE kommt er nämlich äußert unbefriedigend daher – das liegt allerdings rein im Auge des Lesers. Realistisch betrachtet ist es ein recht offener, aber gleichzeitig auch würdiger Abschluss. Einzig Schade ist eigentlich nur, dass einige mögliche Entwicklungen (z. B. in Bezug auf Lia und manch wichtige Nebenfiguren) eingeführt werden, sich zum Ende hin aber im Nirgendwo verlieren. Hier ist also das eigene Kopfkino gefragt und die aussichtslose Hoffnung, dass es vielleicht nicht das Ende ist. Enttäuschend? Für manche Leser ist das frustrierte Zuklappen der letzten Seite gewiss ein Thema, für mich allerdings passt es (nach einem kleinen Schockmoment).
Kurz gesagt:
Für mich gehört die "Skinned"-Trilogie zu einer der besten Dystopien-Reihen, die der Buchmarkt derzeit zu bieten hat. Auf eine unverwechselbare Weise versteht Robin Wasserman ihr Handwerk. Wiederholt entführt sie den Leser in eine dramatische wie packende Zukunftsvision der menschlichen Art. Auch im finalen Band "Wired" weiß sie mit emotionalen, erschütternden und charakternahen Momenten zu überzeugen … wenn nur das Wörtchen ENDE nicht wäre.