| Titel: When the Music's over Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
In Europa herrscht Chaos. Der Meeresspiegel ist gestiegen und viele Küstenländer Europas sind überschwemmt. Die Aliens, riesige Kellerasseln oder ähnlich, landeten vor drei Jahren auf der Erde. Seither gibt es keine Kriege mehr, keine gewalttätigen Auseinandersetzungen. Dies ist ja auch kein Wunder, denn die Hälfte der Menschheit ist süchtig nach einer Droge der Aliens.
Skadi Gunnarsdottir ist Silvestertouristin. Sie kommt aus Spitzbergen und will ausgerechnet in Hamburg Silvester feiern. Sie kommt bei Nacht in der halbzerstörten Hansestadt an. Dort trifft sie auf den Jungen namens Garfield. Gemeinsam reisen sie nach Berlin.
In Berlin gibt es eine Gruppe Jugendlicher, die sich Tunnelsoldaten nennen. Sie wollen einen Angriff gegen die Aliens starten, und ein Video-Team will sie begleiten. Zwar gelingt es, ein Raumschiff zu sprengen, doch es wird ein Desaster. Sunshine, die Anführerin, entschließt sich zur Flucht, und dies gelingt nur mit einem Schausteller-Treck, der nach Freezone zu einem Festival will.
Auf diesem Festival soll auch Blue auftreten mit seiner Band. Da sein Bruder jedoch schon lange ausstieg, ist die Band auf einem absteigenden Ast und Blue ein "Leibeigener" einer reichen Industriellentochter. Irgendwie führen alle Wege in die Freezone. Ein Showdown kündigt sich an. Etwas liegt in der Luft, und so recht weiß keiner, was los ist.
Das Ende ist nahe.
Meine immer wieder gestellte Frage nach neuen deutschen Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren wurde soeben beantwortet. Hier. Sie sind hier, direkt unter uns und kommen nicht raus. Der sehr unbekannte Verlag Argument hat eine der besten entdeckt und veröffentlicht. Ins Licht der Gegenwart gezerrt, legt Myra uns die Zukunft zu Füßen. Bitte nicht darauf treten.
Myra Çakan ist das, was ich schon lange suchte. Eine neue, unabhängige Schriftstellerin, die sich nicht an eine vorgegebene Serie halten muss. Statt dessen führt sie die Leserinnen und Leser in eine durchaus mögliche Zukunft. Ihre Vorausschau schmelzenden Eises, Umweltverschmutzung, Invasion einer außerirdischen Rasse, Drogen..... Es könnte morgen sein. Hinzu kommt eine Sammlung außergewöhnlicher Charaktere, die sich in dieser Welt mühselig zurechtfinden müssen und unabhängig voneinander doch das gleiche Ziel anstreben: weg mit den Aliens. In den Kapitelüberschriften finden wir, wie auch im Buchtitel selbst, immer wieder Zitate. Wer kennt nicht Jim Morrison? Und eine Liedzeile gab dem Buch den Titel. Der Beginn der Geschichte war ein wenig zu unübersichtlich. Zu schnell musste eine Welt erklärt werden, zu viele Personen wurden aufgebaut. Doch nach und nach gewann die Erzählung eine Struktur, die den Leser in die Gefühlswelt der Handlungsträger einführte. Eine Welt voll mit Gewalt und Mitleid, voll Sehnsucht und Hoffnungslosigkeit. An manch einer Stelle wusste man nicht, wie die Geschichte ihren Fortgang nimmt, und immer wieder überraschte die Autorin mit einem neuen Weg.
Fiction und Realität. Wovon reden wir hier? Ist es nicht so, dass die Fiction, die uns hier dargebracht wird, eine der wahrscheinlichsten Zukünfte ist? Gut, lassen wir die Aliens mal weg. Aber.... all das andere, das Myra in ihre Erzählung, manchmal nur am Rande, einfließen lässt, ist doch heute schon Wahrheit. Die großen Konzerne beherrschen die Welt. Die Politiker sind korrupt und Nationalstaaten existieren nur noch auf dem Papier. Wenn wir das so sehen und das Gedankenspiel "Cyberpunk" auf die Wirklichkeit umsetzen, stehen wir mit einem Bein in der Zukunft, mit dem zweiten Bein im Grab. Fiction und Realität. Ist es nicht so, dass uns die Realität schon eingeholt hat? Wenn die so wird, wie sie hier beschrieben wird, nehme ich freiwillig Sklak. Wo, sagtest Du, gibt es das?