Titel: Werther, der Werwolf Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Das die aktuelle Welle der Mash-Up-Romane auch den alten Goethe erreichen würde, war nur eine Frage der Zeit. Über das mehr oder weniger humorvolle Pseudonym "Wolf G. Heimrath" vermengte nun ein Autor den klassischen Briefroman "Die Leiden des jungen Werthers" von Johann Wolfgang von Goethe mit Elementen der zeitgenössischen Werwolf-Literatur.
Werther war Goethes erster kommerzieller Erfolg, pünktlich zur Leipziger Buchmesse 1774 erschienen, traf er aufgenscheinlich den Nerv der Zeit und verkaufte sich im ganzen deutschsprachigen Raum äusserst gut. Welcher Gymnasiast "muss" nicht einmal in seinem Schulleben das gelbe Reclam-Heftchen erwerben und die tragische Liebe des Geheimrates Werther zur Tochter des hiesigen Amtmanns mitverfolgen und sezieren. Der Roman um die unerfüllte Liebe zur anderweitig vergebenen "Lotte" (welche biographische Züge Goethes trägt) und der Selbstmord Werthers zählen zur "Sturm und Drang"-Zeit des Dichters.
Wer sich für die Originalschrift interessiert, kann sie im "Projekt Gutenberg" hier kostenlos herunterladen: Band 1 / Band 2
Wolf G. Heimraths Version des Werther-Romans lehnt sich recht nahe an das Original ab, beschreibt, wie der junge Werther am Vorabend des Balles mit Lotte von einem Hund gebissen wird und fortan die bekannte Verwandlung zu einem Werwolf erdulden muss. Dabei spiel der Besitzer des Hundes, der für die Öffentlichkeit verstorbene, in Wahrheit jedoch als Werwolf lebende Graf W. eine Rolle. Er will Werther auf einen "Reinen Weg" zur Verwandlung in ein Tier bringen und warnt vor der Liebe zu Lotte, welche den jungen Mann nur in ein Unglück stürzten würde. Drei Monate nach dem Biß sollte Werther sich vollends in einen Werwolf verwandeln, jedoch ist am Tag danach die Hochzeit Lottes mit ihrem Verlobten Albert angedacht. Albert zieht immer mehr den Zorn Werthers auf sich und droht mehrfach von ihm, in seiner Wolfsgestalt, zerissen zu werden. Zurückverwandelt kann Werther seine Taten gegenüber Albert und Lotte nicht fassen, er wird hin und her gerissen zwischen zivilisierten Mensch und dem wilden Tier.
Heimrath orientiert sich in seiner Neufassung - das werden alle merken, die die "Die Leiden des jungen Werthers" schon einmal in seiner Struktur untersucht haben - mehr an den Werwolf und lässt hier und da für das Original wichtige Szenen weg beziehungsweise schreibt diese dem Dämonenwolf zu. Zwar versucht er sich an der Sprache Goethes zu orientieren, allerdings entfleucht auch hier und da erkennbar ein doch eher modern gestalteter Satz der Feder des Schriftstellers und lässt selten, aber immerhin, Nahtstellen zwischen Goethe und ihm erkennen.
Dem Lesefluss und dem nicht gar so aufmerksamen Leser stört das jedoch nicht. Wer sich den Spass erlauben möchte, ein Stück der hohen klassischen Literatur verbandelt mit einer modernen Werwolfdarstellung zu lesen, dem sei das Buch ans Herz gelegt. Sicherlich ist es eine Möglichkeit, den "Verbrauchern" mancher platter Vampir- oder Dämonengeschichte in diesem Gewand zu zeigen, dass auch ein anderer Sprachstil möglich und interessant ist. Vielleicht öffnet das manch einem die Augen und er wendet sich auch einmal etwas schwierigerer Literatur zu.
"Werther der Werwolf" ist ein amüsanter Mash-Up im klassischen Stil, gut verpackt und geschrieben sowie mit einem modernem Spannungsbogen versehen.
Meine Bewertung: 7 von 10 Punkten