Titel: Wer länger lebt, ist später tot Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Die Zombie-Kultur ist nach dem Doppel-Erfolg von "28 days later" und "28 weeks later" sowie den Neuauflagen von Romeros Zombieklassikern wieder hip - kaum ein Monat vergeht, in dem nicht ein neuer Streifen oder Roman aus dem Genre das Licht der Welt erblickt, wobei man durchaus ohne Zögern behaupten kann, dass die Belletristik hier dem Film weit, weit überlegen ist. Während auf die Kinoleinwände nur der übliche Abklatsch abgerissener Gliedmaßen, gepaart mit einer Pseudoinvasion, die sich auf das eigene Haus oder Viertel beschränkt, gebannt wird, beschäftigen sich die Autoren der Romane zumeist mit den Charakteren und einer großflächigeren Epidemie, auch mangels visueller Möglichkeiten. Zwar gibt es auch hier Gutes und Schlechtes zu sortieren, jedoch Banales ist mir bislang kaum untergekommen. Hier ist vielleicht auch der finanzielle Druck, unter dem die Verlage stehen, ein gutes Sortierungselement, das verhindert, dass der Müll vom Lektorentisch auf den Verkaufstisch gelangt.
Max Brooks ist dem einschlägigen Fan bekannt wegen der Veröffentlichung seines absurd komischen "Zombie Survival Guide", in dem mit großem Ernst beschrieben wird, wie man sich gegen die Schar Untoter im eigenen Keller oder Garten wehrt und seine Familie heil aus einer solchen Gefahrenzone bringt.
In eine ähnliche Kerbe schlägt der Pseudo-Roman "Wer länger lebt, ist später tot", in dem ein fiktiver Berichterstatter nach einem weltweiten Krieg gegen die Zombies mit Überlebenden, seien sie prominent oder nicht, redet und ihre Eindrücke der Geschichte sammelt. In Form einer chronologischen Aufarbeitung wird der Beginn der Epidemie in China geschildert, die Ereignisse, als sämtliche Staaten der Erde überrannt werden und kurz vor der Auslöschung stehen, bis hin zu dem Punkt, als die Menschheit den Untoten den totalen Krieg erklärt und zurückschlägt. Augenzeugen, Kriegsteilnehmer, Opfer und Kriegsverbrecher schildern hier ihre Erlebnisse in Form eines freien Interviews. So gelangt man zu den unterschiedlichsten individuellen Sichtweisen und - was besonders gut gelungen ist - auch zu den verschiedensten kulturellen Sichtweisen. Ohne gekünstelt zu wirken, gelingt es Brooks, einen Chinesen ebenso überzeugend für seine Situation sprechen zu lassen wie einen Franzosen.
Die Anmerkung auf der Buchrückseite, hier liege ein "literarisches, ironisches und sehr unterhaltsames Lesevergnügen" vor, irritiert den Leser, der das Buch fertiggelesen vor sich liegen hat. Literarisch - nun das muss man schon erwarten, wenn mehrere Buchstaben zwischen zwei Buchdeckeln gepackt werden. Ironisch ist das Buch keineswegs, sondern im Gegensatz zu Brooks Vorgänger in weiten Stellen durchaus ernst und voller Gesellschaftskritik. Ebensowenig spart Brooks mit der Schilderung vom Tod an Jungen oder Alten, an Soldaten, Frauen oder ganzen Menschenmassen - was den Titel "unterhaltsames Lesevergnügen" nicht so richtig trifft.
Ich persönlich würde behaupten, dieses Buch sei ein dramatischer, atmosphärisch dichter Horrorthriller für wenig zarte Gemüter. Das trifft es eher.