Titel: Weltengänger Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Kirill Maximov hatte schon ein schlechtes Gefühl, als er den Tag begann, doch in keinster Weise war er auf das vorbereitet, was ihn bei seiner Heimkehr am Abend erwartete. Seine Wohnung, die ihm als Zufluchtsort nach einem langen Arbeitstag hätte dienen sollen, ist von einer fremden Frau besetzt, und die Hochstaplerin wirkt erstaunlich selbstsicher. Sie kann belegen, dass ihr die Wohnung gehört. Tatsächlich sieht die Wohnung auch vollkommen anders auch. Jede Spur von Kirill wurde getilgt, und dann sind auch noch seine Papiere verschwunden. Allmählich verblasst seine Existenz wie Schrift auf Papier in der Sonne, und als auch seine Eltern sich nicht mehr an ihn erinnern können, erhält er eine sonderbare Nachricht: "Merk Dir den Weg zur Metro Alexejewskaja". Dort findet er einen seltsamen Wasserturm, der nur auf ihn zu warten scheint. Die Tür ist offen, und innen findet er Zuflucht. Vollkommen erschöpft, fällt er in ein Bett im ersten Stock. Als er am nächsten Morgen aufwacht, hat sich der Turm, scheinbar nach seinen Bedürfnissen verändert. Und noch etwas ist anders: Eine weitere Tür im Erdgeschoss ist geöffnet, und diese führt in eine vollkommen andere Welt. Irgendwer oder irgendwas hat ihn zum Zöllner zwischen den Welten gemacht. Kirill ist fest entschlossen, die Rätsel zu lösen.
Sergej Lukianenko ist ganz ohne Zweifel der meistgelesene Phantastikautor in Russland. Auch in Deutschland wurden seine Bücher, allen voran der Wächter-Zyklus, mit Erfolg verlegt. Hierzulande hat man Gefallen an der russischen Sicht der Dinge gefunden, die der Autor in seine Romane einfließen lässt, und dies hebt die Werke auch von anderer Literatur ab. In "Weltengänger" nun ist davon wenig zu spüren. Der Roman wirkt ein wenig wie ein Mischung aus Philip K. Dicks "Eine andere Welt" und Roger Zelaznys "Amber". Die Mischung ist nicht schlecht, aber Sergej Lukianenko ist nicht sonderlich originell. Selbst das Ende mit der gar nicht mal so überraschenden Wendung ist wenig innovativ und vorhersehbar. Hinzu kommt, dass der Autor manchmal fast krampfhaft versucht, sich eines Stils zu bedienen, der ihm nicht recht liegt. Die Kapitel werden mit Weltanschauungen oder dem Rezitieren von Literaturelementen begonnen, aber leider liest sich das ein wenig träge, und es ist wohl die Schuld des Autors und nicht der Übersetzerin, die gefühlmäßig einen recht guten Job macht (ich kann kein Russisch und so kann ich nicht prüfen, ob die Übersetzung gelungen ist). Auf der anderen Seite muss man hervorheben, dass der Roman nach einem etwas langatmigen Beginn recht bald spannend wird und die Geschichte sehr kontrolliert voranschreitet. Das Buch liest sich gut, wenn man von den Anfängen der Kapitel mal absieht, und man findet als Leser durchaus Gefallen an einer Geschichte, die - wie bereits erwähnt - nicht sonderlich originell ist, aber dennoch auf eine ansprechende Weise erzählt wird.
Inzwischen ist eine Fortsetzung erschienen, die im kommenden Jahr auch bei Heyne erscheinen wird, und man darf gespannt sein, wie Sergej Lukianenko seine Geschichte weiterentwickelt. Betrachtet man das Buch als Prolog oder als Auftakt einer Trilogie (?), dann stören auch die Anleihen an verschiedene Werke der Phantastik nicht mehr so sehr. Nach dem Fundament, das der russische Autor mit diesem Buch gelegt hat, wird es interessant sein, zu sehen, für welchen Weg der Fortsetzung er sich entscheiden wird. 7 von 10 Punkten.