Titel: Weihnacht eines Träumers und fünf andere Erzählungen Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Werner Niederer vereint in seiner Anthologie "Weihnacht eines Träumers" fünf Kurzgeschichten aus seiner Feder. Dabei schlägt er einen weiten Bogen von Neufundland, über Arabien bis hin zur Schweiz. Im Mittelpunkt seiner Geschichten stehen primär Beziehungen.. Das kann eine Liebe zu einem Hund sein, oder eine lange Reise zur Einsicht, wie man die Beziehung zur eigenen Ehefrau, von der man sich entfremdet hat, weiterführt. Die für mich inhaltlich und sprachlich bemerkenswerteste Geschichte "Zink und Zank" handelt von einem Greenpeace-Aktivisten, der neben der Aufdeckung eines Umweltskandals innerlich hauptsächlich mit der Aufarbeitung seiner eigenen, gescheiterten Ehe beschäftigt ist. Der Text ist im Präsens gehalten, was die Lektüre erst etwas sonderbar macht, ist man doch ansonsten die Vergangenheitsform gewohnt - man lässt sich jedoch schnell auf die Erzählung ein und fühlt mit dem Hauptcharakter Fred mit. Gerade in dieser Kurzgeschichte habe ich die detailfreudige und tiefe Ausarbeitung der Protagonisten genossen, auch einige fast schon "Off-Topic" Anmerkungen des Autors findet man, die die Prosa zu etwas besonderen machen.
Zum phantastischen Genre kann man die Kurzgeschichte "Sechskommaziebenzwo Hektostunden" zählen. In dieser beschreibt Werner Niederer die Weihnachtsgeschichte aus der Sicht eines auf die Erde gelangten Raumfahrers, der als "Balt-asar" auch sogleich in die Aktivitäten mit eingebunden wird. Die Adventsgeschichte ist jedoch nur der Höhepunkt der Beschreibung einer künftigen Gesellschaft, die sich zwar technisch perfektioniert hat, allerdings ethisch und moralisch kaum weitergekommen ist. Die Idee, den Kometen über dem Stall in Bethlehem als Raumfahrzeug zu deklarieren, ist in der Science Fiction nicht unbedingt neu und bei Verschwörungstheoretikern immer noch ein beliebtes Objekt der Diskussion, allerdings macht auch hier die Reaktion des Protagonisten, seine Charakterisierung, den Reiz der Geschichte aus. Als einzigen Negativpunkt mag ich die extreme Anhäufung möglichst futuristisch klingender Fremdbezeichnungen für technische Zusammenhänge vor allem am Beginn der Geschichte anführen, die Werner Niederer wohl als passend für die SF ansah, aber teilweise viel zu viel des Guten darstellt. Amüsanter fand ich dagegen die Verwendung von alten Ortsbezeichnungen und Namen von älteren Raumfahrzeugen wie "Akropolis" oder "Sojus" - und die naive Unwissenheit der Menschen, die längst vergessen haben, was hinter diesen Begriffen stand.
Herauszustellen ist auch noch die Qualität des Buches selbst - Kurzgeschichtensammlungen eher unbekannterer Autoren findet man nicht selten in Form von billig hergestellten On-Demand-Büchern, bei denen allein schon beim Umblättern die Bindung zu Bruch geht. Hier findet man allerdings ein sorgsam produziertes und hochwertig gebundenes Buch mit Schutzumschlag und Lesebändchen vor. Diese äusserliche Qualität verbunden mit der erzählerischen Kompetenz Werner Niederers macht das Büchlein zu einem sehr empfehlenswerten Objekt für all diejenigen, die nicht nur allein auf phantastische Literatur bedacht sind, sondern auch über den Tellerrand hinaus zu schauen vermögen und sich auch mit der Realität in einer prosaischen Form auseinandersetzen möchten.