Titel: Wall-E Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Kamerazoom auf die Erde über ein Gebirge hin zu einer ungewöhlichen Felsformation. Diese stellt sich als verrottete Skyline heraus. Weiter geht der Zoom hin zu einem Roboter, der einsam Müll sammelt, seit 700 Jahren, und die gepressten Quader zu gigantischen Erhebungen auftürmt. Wall-E (gesprochen Wally) steht auf dem Roboter, und dieser räumt in dieser endzeitlichen Welt stoisch auf. Während seine Modellreihenbrüder längst den Weg alles Irdischen gegangen sind, ist in der kleinen Maschine der Funken der Intelligenz erwacht. Ständig repariert er sich selbst und scheut noch nicht einmal davor zurück, andere Roboter zu kannibalisieren. Dann taucht ein Raumschiff auf und hinterlässt die Sonde EVE. Nach der langen Zeit der Einsamkeit ist Wall-E ganz aufgeregt, doch EVE, selbst ein Roboter mit Intelligenz, ist nur am Auftrag interessiert: Sie soll die Erde sondieren, um festzustellen, ob sich inzwischen wieder Leben entwickelt hat. Um ihr zu gefallen, zeigt Wall-E ihr ein Pflänzchen, das er entdeckt hat, doch die Reaktion von EVE ist nicht ganz das, was sich der kleine Roboter wünschte: EVE deaktiviert sich, sendet ein Signal, ein Raumschiff kommt und holt die Sonde ab. Doch Wall-E will nicht wieder alleine sein und schleicht sich an Bord der Schiffs. Der Flug geht quer durchs All zu dem gewaltigen Raumschiff Axiom, auf dem sich die Reste der Menschheit dem dekadenten Vergnügen hingeben. Für Wall-E tut sich eine ganz neue Welt auf.
Manche sagen, dass die ersten 35 Minuten auf der Erde, die ohne ein gesprochenes Wort auskommen, ein Meisterwerk sind. Tatsächlich ist es erstaunlich, mit wie wenig Möglichkeiten die Animateure es schaffen, den Robotern Leben einzuhauchen. Und auch die Tatsache, dass eine fast lächerlich anmutende Geschichte so gefühlvoll erzählt wird, dass man sie den Animateuren von Pixar ohne weiteres abnimmt, ist bemerkenswert. So lassen sie Wall-E immer wieder am Ende seines "Arbeitstages" in seinen Container zurückkehren, wo er viele Relikte der Menschen angehäuft hat und sich der kleine Roboter immer wieder eine Tanzszene aus "Hello Dolly" ansieht. Dies zu zeigen, ohne auch nur im Geringsten lächerlich zu wirken, ist in der Tat wahre Meisterschaft.
Wall-E selbst ist eine Mischung aus "Nummer 5" und "ET". Der Name WALL-E ist ein Akronym für Waste Allocation Load Lifter - Earth-Class (frei übersetzt: Müllentsorger - Erd-Klasse), und nur einer von vielen Akronym-Witzen, die einem beim erstmaligen Ansehen des Films wohl nicht alle auffallen. Im Gegensatz dazu stellte EVE (Extraterrestrial Vegetation Evaluator) wohl für die Animateure die größere Herausforderung dar, denn sie ist ein weißer, glatter, fliegender Kegel mit einem Kopfdisplay und zwei Armen wie ein Pinguin. Dennoch schaffen es die Pixar-Leute, dieser Maschine sehr viele Emotionen zu geben. Dabei bedienen sie sich auch der Manga-Comicsprache und drücken sehr viel mit den Augen aus.
Im zweiten Teil wird der Film deutlich lustiger, aber keineswegs schlechter. Auf dieser Arche trifft Wall-E auf eine wahre Robotersubkultur, die sich unter den uninteressierten Augen der Menschen entwickelt hat. Die Menschen selbst sind gewaltig fett, liegen phlegmatisch in Schwebestühlen und bekommen noch nicht mal mit, was direkt neben ihnen geschieht: Was für eine wunderbare Zivilisationskritik. Wieder finden sich brillante Szenen, wie z. B. jene, in der Wall-E auf die Axiom kommt. Unzählige Roboter fahren auf Leitlinien, und wie in einem Ameisenhaufen wird das ankommende Raumschiff abgefertigt. Wall-Es Erscheinen sorgt bei einem Reinigungsroboter für Unruhe, weil dieser zum einen die Schmutzspur sieht, die Wall-E hinterlassen hat, aber andererseits muss er die Leitlinie verlassen, um zu reinigen. Dieser innere Konflikt wird unglaublich gut und humorvoll in einer Weise dargestellt, wie es wohl nur Pixar kann.
Auch in diesem Teil des Films gelingt es den Machern von Pixar, immer überzeugend zu wirken, ganz gleich, was für eine noch so absurde Situation gerade erzählt wird. Und so zeigt sich mal wieder, dass Pixar das Thema Computeranimation beherrscht wie keine andere Firma und all jene, die sich anstrengten, Pixar die Krone zu entreißen, sich nun ehrlich eingestehen müssen, dass sie dem kalifornischen Unternehmen nicht das Wasser reichen können.
Und so sage auch ich: Wall-E ist ein Meisterwerk.
10 von 10 Punkten