Serie/Zyklus: Wurdack SF 02 Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Nach "Deus Ex Machina" ist "Walfred Goreng" die zweite SF-Kurzgeschichtensammlung des Wurdack Verlags und beinhaltet 24 SF-Kurzgeschichten von insgesamt 26 Autoren, wobei die überwiegende Zahl der Autoren reine "Hobby-Schriftsteller" sind. Immerhin wartet "Walfred Goreng" mit einer schriftstellerischen Zusammenarbeit von Helmuth W. Mommers, Ernst Vlcek und Uschi Zietsch auf, von denen letztere als Vollprofis schreiben.
Die Anfang diesen Jahres erschienene Sammlung "Deus Ex Machina" fand in der SF-Szene sehr viel Lob und auch der vorliegende Kurzgeschichtenband kann die thematische Vielfalt und die schriftstellerische Reife locker seines Vorgängers erreichen.
Thematische Vorgaben, wie sie oft bei entsprechenden Kurzgeschichten-Zusammenstellungen zu finden sind, wurden den Autoren nicht gemacht. So konnten sie ihre eigenen Ideen ohne jegliche Zwänge seitens der Herausgeber umsetzen und herausgekommen ist ein bunter Blumenstrauß mit SF-Kurzgeschichten der unterschiedlichsten Sub-Themen dieses Genres.
Jede einzelne dieser 24 Kurzgeschichten besprechen zu wollen, würde den Rahmen dieser Rezension völlig sprengen, und so möchte ich nur auf einige näher eingehen. Wobei gerade bei Kurzgeschichten die subjektiven Vorlieben des jeweiligen Rezensenten eine größere Rolle spielen als bei Romanen, da der Autor gleich vom ersten Absatz an den Leser für sich einnehmen muss. Raum, um seine Ideen ausführlich entwickeln zu können, steht ihm häufig nicht zur Verfügung.
So finden sich natürlich auch in dieser Kurzgeschichtensammlung einige Pointenstories wieder, die zwar gut verfasst sind, aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Vieles hat man als langjähriger SF-Leser schon besser dargebracht anderweitig gelesen.
Die Titelstory von Markus Kastenholz fällt für mich in diese Kategorie. In seiner mit einem kräftigen Schuss Humor angereicherten Geschichte versetzt er uns in eine ferne Welt, in der exotische (d.h.: außerirdische) Haustiere des Menschen bester Freund sind. Walfred ist eines dieser Tiere und seinem Frauchen ausgebüxt. Tortz intensiver Suche ist er nicht wieder auffindbar. Als Trostpflaster wird sein Frauchen zum Essen in einem Schnellimbiss eingeladen, dessen Speisen tatsächlich noch Spuren echten Fleisches aufweisen. Ein Blick auf den Titel des Buches verdeutlicht, woher der chinesische Schnellimbiss sein Fleisch bezieht.
Etwas umfangreicher ist "Njomwegs Krankheit", verfaßt von Thorsten Küper, dessen Kurzgeschichten auch in NOVA oder VISIONEN 2004 zu finden sind.
Wir begleiten Pierre in den Untergrund auf der Suche nach Kindern, die aufgrund einer "Krankheit" in ein Koma gefallen sind, aus dem sie nichts mehr herausholen kann. Pierre, bei dem es sich um den Biochemiker handelt, der mit verantwortlich für den Zustand der Kinder ist, hat eine Möglichkeit gefunden, diese zurückzuholen. Dies ist aber gar nicht im Interesse der herrschenden Klasse, denn die Kinder scheinen sinnbildlich eine kosmische Bibliothek angezapft zu haben und liefern auf konkrete Problemstellungen konkrete Lösungen. Wissenschaftliche Forschung von Jahrzehnten kann so innerhalb einiger Wochen erledigt werden. Die Rechte des Individuums stehen weit hinter politischen und wirtschaftlichen Interessen zurück. Dies muss auch der Biotechniker erkennen, der sein Wissen nun nicht mehr zur Rettung der Kinder einsetzen darf.
Dieter Schmitts Story "Arbeitstag" spielt in einer Welt, in der alles auf die Firma zugeschnitten ist. Die Firma sorgt für angemessenen Wohnraum, Unterhaltung o. Ä. und bietet ihren tüchtigen Angestellten Schutz vor der Welt außerhalb der Firmentore, die angefüllt ist mit gewaltbereiten Jugendlichen. Chris ist Bestandteil dieser Welt, steht aber in der Story kurz vor einem Zusammenbruch, als er erkennt, wofür er eigentlich lebt und schuftet. Alles kreist um seinen Arbeitsalltag, um seine Einsatzfähigkeit für den Betrieb. Die Story beinhaltet eine große Portion Sozialkritik, denn solche Firmen sind mir zumindest aus Japan her bekannt, wo sich selbst die gesamte Freizeit innerhalb des Kollegenkreises abspielt. Ob dies immer so erstrebenswert ist?
Humorvoller geht es da schon bei Thomas Kohlschmit in "Mein Schicksal in deinen Händen" zu. Die robotischen Hände eines Ausnahmepianisten verschwinden aus seinem Hotelzimmer und die beiden Ermittlungsbeamten Kommissar Deinert und Jurno Arden müssen sie kurz vor einem wichtigen Konzert wiederbeschaffen. Dabei wird deutlich, dass die Hände weitaus mehr sind als nur Ersatzglieder, nämlich die eigentlichen Gründe für die spielerische Klasse des Maestro. Der Autor präsentiert hier seinen Lesern eine denkbare technische Entwicklung, verpackt in einer humorvoll angehauchten Handlung.
Wie schnell man als unbedarfter Mensch bei einem hohen diplomatischen Treffen Aliens beleidigen, verletzten, töten oder sonstige Grenzen überschreiten kann, zeigt Stefan Wogawa in "Ein Alien kommt selten allein". Der Titelheld tritt von einem Fettnapf in den nächsten, wobei seine unbedarften Handlungen für große diplomatische Verstimmungen sorgen. Wer diese Story gelesen hat, braucht sich vor seinem nächsten öffentlichen Auftritt nicht mehr zu fürchten, denn schlimmer als hier kann es gar nicht mehr kommen.
Eine weitere lesenswerte Kurzgeschichte dieser Sammlung stammt von Uwe Hermann und trägt den Titel "Das Geheimnis der unentschlossenen Treppe". Die Handlung ist einmal nicht in der Gegenwart oder in der Zukunft angesiedelt, sondern in der Vergangenheit, zur Zeit der von Jack the Ripper begangenen Morde. Uwe Hermann präsentiert hier seine ganz eigene Auflösung des geheimnisvollen Jack-the-Ripper-Rätsels, in der Zeitreisen eine gewichtige Rolle spielen.
Hier möchte ich es mit weiteren Besprechungen bewenden lassen. Wie gesagt, die Sammlung verfügt über ein vergleichbares Niveau wie ihr Vorgänger und bietet auf überdurchschnittlichem Niveau einen Überblick über die hiesige SF-Szene jenseits der Profis. Veröffentlichungsmöglichkeiten wie sie der Wurdack Verlag mit seinen Kurzgeschichtensammlungen nun hiesigen Autoren bietet, fehlten in den letzten Jahren. Umso stärker sollten diese dann unterstützt werden.
Walfred Goreng - die Rezension von Alfred Kruse