Titel: Von Kastanien und Knochen Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Es gibt Geschichtensammlungen, die erhält man erst spät, manche gar nicht. Eher durch Zufall bekam ich diese Sammlung von Daniel Mosmann zugeschickt. Sein Band Kastanien und Knochen enthält elf Kurzgeschichten. Zusammen mit den Zeichnungen von Sandra Mosmann ergibt sich daraus ein stimmungsvolles Buch.
Jede seiner Geschichten befasst sich mit der Angst des Menschen, mit seinen dunklen Neigungen zu Gewalt, Perversion und Ähnlichem. Daniel Mosmann deckt die ganze Gefühlswelt des Menschen ab, baut seine Handlungsträger sehr sympathisch auf, nur um sie hinterrücks alle Sympathien beim Leser verspielen zu lassen.
Gesellschaft im Moor
Die Polizistin Kiara soll die Nacht allein in einem verrufenen Moorgebiet verbringen. Sie soll den in der Nähe lebenden Menschen zeigen, dass es hier weder spukt noch sonst welche Wesen umgehen. Gleichzeitig wäre die Aufklärung um verschwundene Menschen wünschenswert.
Der Narrenbrunnen
Ein Radfahrer ist unterwegs, nur mit dem nötigsten Gepäck, auf einer Frühjahrsrundreise durch den Schwarzwald. Dabei gelangt er in ein kleines unbekanntes Dörfchen. Die Bewohner des Dorfes sind jedoch alle körperlich gezeichnet und auf Nachfrage erzählt ihm der Pfarrer die Geschichte, in der der Narrenbrunnen als Mahnmal eine gewichtige Rolle spielt.
Das biologische Wunder Fleisch
Die Geschichte beginnt mit einem fast wirklich riechbaren Geruch nach verbranntem Fleisch. Wie in jeder der elf Geschichten hat man gleich den Eindruck, hier stimmt etwas nicht. Doch es sind nur Schweinekoteletts. Hans-Peter und Philippe spielen Sterben. Aber aus Spiel kann schnell Ernst werden.
Regentage
Es geht in diesem Ort um Fotos. Das ist schon seltsam, sind es doch nur ... Fotos. Aber alle haben eines gemeinsam: Auf den Fotos gibt es weiße Flecken. Nicht etwa unentdeckte Gebiete auf der Landkarte, sondern was? Die Menschen wissen nichts, aber alle vermuten etwas.
Mein Vermächtnis
Dieser Brief ist ein Vermächtnis. Eine Lebensbeichte eines Paters mit einer Art Lebensanweisung für seinen Nachfolger.
Familienbande
Was kümmert den Mann - und erst recht den Leser - ein drückender Schuh, wenn man der Familie einen Dienst erwiesen hat.
Der Mann auf dem Dach
Der Tod von Frau Gerstig steht im Mittelpunkt der Erzählung. Oder steht der Tod an sich im Mittelpunkt und ist Frau Gerstig nur unschuldiges Opfer? Daniel Mosmann lässt uns lange im Unklaren. Und lässt uns mit der Angst auf einem Rasen stehen.
Crosse 517
Der Horror beginnt nicht nur am frühen Morgen, sondern gleich zu Beginn der Erzählung, als Sebastian Kern blutverschmiert die Treppe herunterläuft.
Im Zug der Zeit
Wieder einmal ein Kalender. Diesmal nicht 1980, sondern 1996. Doch ist der Zeitunterschied gegenstandslos. Grusel und Schauer sind zeitlos und nur wenige Seiten auseinander. Dabei beginnt für Angela und ihren 19-jährigen Steffen alles so einfach und alltäglich. Ein kurzer Abschied nur.
Wie der Staub im Wind
Ein Prolog, eine Beschreibung der Umgebung. Schleichend langsam zieht der Horror, den wir mittlerweile in jeder Erzählung erwarten, in unser Unterbewusstsein ein.
Von Kastanien und Knochen
Ganz zum Schluss findet der Leser die Geschichte, die dem Buch den Titel gab. Der Autor lässt den goldenen Oktober als wundervollen Spätsommermonat vor dem Auge des Leser auferstehen. Das friedliche Bild eines spielenden Kindes mit Kastanien suggeriert, es könne nichts Schlimmes geschehen. Bis ...
Die Leichtigkeit, mit der uns Daniel Mosmann in die Geschichte einführt, ist prägend für seinen Schreibstil. Dabei schleicht sich langsam, heimlich, still und sehr leise der Horror in die Seiten. Und wenn es dem Leser bewusst wird, ist es zu spät. Das Erstlingswerk hätte gute Chancen auf den Vincent-Preis, wäre dieses Buch jetzt erschienen bzw. letztes Jahr. Der Reiz des Unheimlichen, den das 2008 veröffentlichte Buch Kastanien und Knochen mit seinen elf Erzählungen ausübt, lässt den Leser erst wieder los, wenn er das Buch aus der Hand legt. Die Erzählungen selbst beginnen eher harmlos, um sich dann zu wandeln. Die dazu angefertigten Zeichnungen lassen die Vorstellungen des Lesers schnell Gestalt annehmen. Nichts für einsame Abende in freier Natur. Dafür aber um so mehr mit einem Glas Whisky vor dem Kamin.
Zu dem Buch gehören die den Geschichten vorangestellten Bilder. Mag der Leser sie zuerst nur als stimmungsvolles Beiwerk empfinden, so sind sie auf die Geschichten abgestimmt. Oder die Geschichten auf die Bilder. Sie wirken wie literarische siamesische Zwillinge. Das eine kann nicht ohne das andere sein.
Ich kann das Buch uneingeschränkt empfehlen. Es lohnt sich für jeden Leser und jede Leserin, die nicht auf Splatter aus sind, die noch das Gefühl wohligen Schauers genießen und die eine Gänsehaut noch zu schätzen wissen.