Titel: Vollendet Eine Rezension von Brina Cullen |
Meine Meinung
Dystopien sind für mich immer wie ein Überraschungsei: Man weiß nie, was drin steckt und manchmal wird man auch enttäuscht. Da ich allgemein dem Genre sehr skeptisch gegenüberstehe, fiel es mir zunächst schwer, mich auf dieses Buch einzulassen, allerdings verschwand dies immer mehr, je mehr ich über die Handlung und die Charaktere erfahren habe.
Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Die Geschichte liest sich spannend und flüssig. Trotz der Thematik wird die Geschichte nicht allzu dramatisch erzählt, vielmehr informiert sie stellenweise über das Thema Organspende, zum anderen beschreibt die Geschichte das Leben der Menschen, die darunter leiden müssen, dass der Staat seine Machtspielchen an ihnen auslässt. Neal Shusterman hat ein großes Talent, seine Leser an sich zu binden, nur selten konnte ich das Buch aus den Händen legen.
Gelungen sind auch die Charaktere, die mir zum Großteil sehr sympathisch waren. Connor, Risa und Lev sind alles andere als glücklich und müssen sich täglich mit Dingen befassen, die für andere Jugendliche relativ fremd sind. Connor gerät ständig in Situationen, in denen es zu Ärger kommt, Risa ist eine talentierte Musikerin und lebt in einem Waisenhaus und Lev muss sich mit strenggläubigen Eltern herumschlagen, die das Leben nicht unbedingt angenehm gestalten. Die drei Jugendlichen sind sehr unterschiedlich und haben keinerlei Gemeinsamkeiten, allerdings sind sie auf der Flucht, weil sie nicht in die Fänge des Organhandels geraten möchten. Trotz ihrer Lebensumstände haben sie nur einen Wunsch: Sie wollen leben! Ich konnte mit ihnen mitfühlen, konnte ihre Gedanken, Ängste und Argumente verstehen und man wünscht ihnen einfach ein besseres Leben, um auch einmal auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen. Obwohl jeder Charakter seine Macken hat und ich nicht direkt mit ihnen warm wurde, sind sie doch am Ende allesamt sehr sympathisch. Vor allem Risa ist eine Protagonistin, die man einfach ins Herz schließen muss. Alle Drei entwickeln sich während der Flucht gut, sie werden quasi erwachsen und können sich und das Leben anderer besser einschätzen und handeln nicht mehr nur aus dem Bauch heraus.
Die Flucht selbst ist relativ spektakulär geschrieben und hat mir so manchen Gänsehautmoment beschert.
Das Thema Organspende ist mit Sicherheit nicht neu, allerdings immer wieder interessant. Vor allem die Darstellung, dass man durch seine Organe in anderen Menschen weiterleben soll, ist interessant. Man versucht ein ernstes Thema, bei dem es um Leben und Tod geht, schön zu reden, indem man den Jugendlichen vermittelt, dass sie mit ihrer Spende und ihrem Tod etwas Wunderbares erreicht.
Gleichzeitig wird aber auch ordentlich aussortiert. Problemkinder, die entweder schlechte Noten haben, Streitereien erzeugen oder keine Eltern mehr haben, werden durch die Organspende ausgesucht. Für mich als Leserin ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar. Der Staat, der seine Einwohner mit dieser Methode mehr oder weniger bestraft, findet diese Vorgehensweise jedoch vollkommen okay.
Auch das heikle Thema Abtreibung wird in diesem Buch besprochen. Gleich zwei solcher Themen in einem Jugendbuch ist vom Autor sehr mutig, aber trotz mancher Zweifel sehr gut gelungen. Das Buch ist dadurch nicht nur ein einziger Fingerzeig, sondern auch informativ und dem Leser wird die Chance gegeben, sich selbst seine Gedanken zu machen.
Die Covergestaltung ist kaum der Rede wert. Das Cover ist sehr schlicht, leicht silbrig und der Titel springt direkt ins Auge. Allerdings ist bei dieser Geschichte auch kein großes Cover nötig, denn die Geschichte überzeugt einfach ohne kitschige Bilder. Die Kurzbeschreibung liest sich spannend und hat sofort mein Interesse geweckt.
Insgesamt ist “Vollendet” ein Buch, dass Dank der Thematik zum Nachdenken anregt und einen so schnell nicht wieder loslässt. Endlich mal wieder eine Dystopie, die mich überzeugen konnte. Empfehlenswert.