Serie / Zyklus: Bridge-Trilogie, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Mit „Virtuelles Licht“ von William Gibson liegt gerade die Lektüre des ersten Romans einer weiteren Trilogie hinter mir, die der amerikanische Autor mit den Romanen „Idoru“ und „Futurmatic“ fortsetzte. Das William Gibson nach seiner - für das SF-Genre bahnbrechende - Newromancer-Trilogie nochmals eine solch realitätsnahe Zukunftsvision schreiben würde, hätten ihm viele wohl nicht zugetraut.
Der Roman spielt im Jahre 2005 in Kalifornien und hat als Handlungsschauplatz Los Angeles. Für einen düster angelegten SF-Roman eignet sich dieser Moloch an Stadt mehr als alle anderen Städte Amerikas. Aber der Großteil der Handlung spielt nicht dort, auch wenn der Roman dort beginnt, sondern in San Francisco, welches bekanntlich nördlich von LA liegt und bequem mit dem PKW in einem Tag zu erreichen ist. San Francisco hat sein Gesicht gewandelt. Nachdem dank deutscher Gentechnik ein Tunnel unter der Bay gebaut wurde, ist die Golden Gate Bridge zur dauerhaften Bleibe von sozialen Randgruppen geworden. Die gesamte Brücke ist von Bauten aller Art bis zu den höchsten Punkten der beiden Pfeiler von einem Sammelsurium selbst zusammengebastelter „Wohnungen“ zweckentfremdet worden. Hier wohnt auch Chevette, die als Fahrradkurier arbeitet. Sie wohnt auf der Bridge bei Skinner, dem in die Jahre gekommenen ersten Brückenbesetzer. Dieser hat sie aufgenommen als es ihr sehr dreckig geht. Bei einem ihrer Jobs gerät sie durch Zufall auf eine Party und beklaut einen der Gäste. Sie entwendet eine Sonnenbrille samt Etui. Nur das es sich nicht um eine Sonnenbrille handelt, sondern um eine interaktive Brille auf der einiges gespeichert ist. Zwar hat Chevette gegen die Vorschriften ihres Arbeitgebers verstoßen, was aber wohl kaum ins Gewicht fallen würde, wenn nicht gerade diese Brille gewisse Kreise auf dem Plan ruft. Diese wollen ihr Eigentum unbedingt zurückhaben und schrecken auch nicht vor brutaler Gewalt zurück.
Hier kommt dann Rydell ins Spiel. Bei ihm handelt es sich um einen gescheiterten Provinzpolizisten, der bei seinem letzten Arbeitgeber, einer Sicherheitsfirma, ebenfalls Mist gebaut hat. Da sein Chef ihn aber für brauchbar erachtet, erhält er einen neuen Job als Fahrer für einen Mann mit dem die Sicherheitsfirma hin und wieder zusammenarbeitet. Rydells Chef hat den Auftrag erhalten die Brille zu besorgen. Im Verlaufe ihrer Ermittlungen trifft Rydell auf Chevette, kann sich nicht damit abfinden, dass diese einfach getötet werden soll und ergreift ihre Partei. Nun sind beide in großer Gefahr.
Die Story an sich ist nichts besonderes und relativ schnell erzählt. Wesentlich interessanter ist die Darstellung der nahen Zukunft wie Gibson sie schildert. Amerika ist in viele kleine Einzelstaaten verfallen und weit von einer Weltmacht entfernt. Die technische Entwicklung hat sich auf allen Gebieten fortentwickelt. Hierzu gehört auch die Gentechnologie. Die gesellschaftlichen Schichten haben sich noch weiter voneinander entfernt, so dass Amerika wirklich kein Land mehr für Touristen ist. Vor diesem Hintergrund lässt der Autor seine beiden Figuren agieren. Beides Menschen, dem das Schicksal nicht wohlgesonnen war und die in dicken Schwierigkeiten stecken. Letztlich schaffen es beide ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Trotz der düsteren Zukunftsaussichten bietet Gibson seinen Lesern ein Happy-End.
„Virtuelles Licht“ ist durchaus ein Roman den ich weiterempfehlen kann. Neben einem ausgearbeiteten Handlungshintergrund bietet er eine leicht zu verfolgende Handlung, die gut zu unterhalten versteht.