Titel: Verkommen Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Klappentext
Jessica möchte einen günstigen Gebrauchtwagen kaufen. Als sie mit dem Besitzer alleine in dessen Wohnung ist, fällt er über sie her und vergewaltigt sie.
Jessica will nur eines: Rache. Deshalb entführt sie den Mistkerl in die einsame Wildnis. Sie will ihn erschießen, er soll sterben ...
Aber die beiden befinden sich an einem bösen Ort. Die inzüchtigen Einwohner des Städtchens Hopkins Bend hüten seit Generationen ein grauenvolles Geheimnis und Jessica kommt ihnen für ihre perversen Spiele gerade recht ...
Dieser Roman ist ein Albtraum in einem Albtraum in einem Albtraum!
Rezension
"Hach, "Alpträume in Alpträume" - eine marketingbehaftete Utopie des Herausgebers. Da will er uns sicher einen Bären aufbinden" - so denkt man sich, wenn nicht da der Verlagsname FESTA stehen würde, ein Prädikat für harte und moderne Horrorliteratur ersten Ranges. Wenn denn schon Frank Festa das Buch als "Alptraum" bezeichnet...
Der vermeintliche Verkäufer eines Gebrauchtwagens entpuppt sich als schonungsloser Vergewaltiger, Jessica Sloan ist ihm ausgeliefert und muss die erniedrigende Tortur ertragen. Doch sie dreht den Spiess um und holt sich ihre Waffe, die ihr Vater ihr zum 18. Geburtstag schenkte. Der Vergewaltiger, Hoke, wird kurzerhand in den Kofferraum des Wagens gezwungen und in eine völlig verlassene Gegend gebracht. Dort will sich Jessica an einer der erfüllensten Gefühle laben, die der Mensch zu bieten hat: Rache.
Kurz bevor sie das von ihr verhängte Todesurteil vollstrecken kann, wird sie mit einem monströs aussehenden Mann konfrontiert, der unvermittelt aus den Wäldern auftaucht. Wie eine gräßliche Mutation kommt ihr er vor, voller Schrecken und Furcht flüchtet sie und lässt Hoke zurück.
Zur gleichen Zeit fahren Pete und Megan durch die amerikanische Einöde und nutzen auf ihrem Weg eine Abkürzung, Was die beiden nicht wissen: sie fahren direkt durch das Einflussgebiet des kleinen Städchens Hopkins Bend. Die Bewohner dieser Ortschaft nehmen es mit Gesetz und Moral nicht so genau. Sexuelle Ausbeutung, Mord und Folter sind an der Tagesordnung, um die Männer des Ortes zu vergnügen. Und draussen, in den Wäldern vor der Stadt, leben einige alte Familien in ihren Holzhäusern, die sich nicht nur über tierisches Fleisch auf ihrem Mittagsteller freuen.
Abby entsammt einer dieser berüchtigten Familien und hat bisher jede noch so grausame Tradition begleitet - doch nun sehnt sie sich nach einem Leben jenseits dieser Entsetzlichkeiten, möchte ihrer Familie entkommen. Da die Frauen primär dazu da sind, Kinder zu gebären und Abby offenbar keine bekommen kann, fühlt sie sich nicht nur nutzlos, auch die Menschen um sie herum behandeln sie sie nutzlosen Dreck. Da kommt ihr das Festtagsmahl im Keller des Hauses ganz recht, die junge Frau, die dort nackt an einem Strick gefesselt hängt, soll ihr helfen, die Stadt zu verlassen.
Ergänzt durch einige Nebendarsteller begleitet man in Bryan Smiths Roman "Verkommen" die Erlebnisse von Hoke, Jessica, Abby, Pete und Megan in Hopkins Bend.
Eigentlich möchte ich diesen Satz abschliessend so stehen lassen, denn alles weitere würde darauf hinweisen, was "Verkommen" eigentlich ist: Einer der heftigsten, brutalsten und gewalttätigsten Romane, die ich bislang gelesen habe. Bryan Smith spart mit keiner Grausamkeit, fast mitleidslos beschreibt er die schlimmsten Alpträume, die ein Mensch erleben kann - allerdings ohne die sprachliche Qualität zu verlieren. Und das ist es, was diesen Roman ausmacht und ihm zu einem wunderbaren Stück Horrorliteratur macht, denn Grausamkeiten wahllos aneinanderreihen kann jeder. Bryan Smith jedoch verpackt das ganze in eine sehr spannende und emotional mitreissende Erzählung, die wahrlich den mittlerweile so inflationär benutzten Titel "Pageturner" verdient. Denn das Buch kann man trotz - oder vielleicht ob? - seiner Brutalitäten kaum aus der Hand legen. Mit gekonnter Hand charakterisiert Smith seine Protagonisten, gibt ihnen Hintergrund und Leben, was ihr erlebtes Leiden für den mitfühlenden Leser umso schlimmer erscheinen lässt. Die Wandlungen, die die Personen durchleben, ganz besonders Jessica und Megan, sind nachvollziehbar und stimmig. Keine Rede von statischen Handlugnsträgern, die kahl durch die Story stolpern
"Verkommen" ist nichts für zart besaitete Gemüter, für pazifistische Wesen. "Verkommen" ist ein extrem derbes, blutiges und bildgewaltiges Gemetzel ohne moralische Grenze und ohne Tabus. Sicherlich setzt es Maßstäbe im Bereich des Horrors - sowohl qualitativ als auch in Bezug auf die Tabulosigkeit der Handlung. Begeisterung!