Serie / Zyklus: ~ Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Berlin bereitet die Feierlichkeiten zum 75. Geburtstag Adolf Hitlers vor. Es ist das Jahr 1964, und wir befinden uns in Berlin, Germania, der Hauptstadt des Deutschen Reiches. Die Stadt ist nach den Entwürfen Albert Speers neu gestaltet worden, mit Bauwerken, die in ihrer Monumentalität die Größe des Reiches widerspiegeln sollen. Der Führer Adolf Hitler tritt nur zu seltenen Anlässen öffentlich auf. Großdeutschland erstreckt sich jetzt vom Rhein bis zum Ural. Die Staaten Europas sind in eine Art Europäische Gemeinschaft unter deutscher Führung eingebunden. Nur noch im entfernten Osten gibt es Widerstand gegen die Deutschen. Doch der Partisanenkrieg scheint weit weg zu sein. Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges entwickelte Deutschland eine neue Verschlüsselungstechnik und bewahrte damit seinen Informationsvorsprung, um den Krieg zu gewinnen. Als die USA ihre Atombomben über Japan abwarfen, schickte Hitler die V-3 über den Atlantik, um zu beweisen, dass er zum Gegenschlag bereit war. In der Außenpolitik tritt jetzt eine Zeit der Entspannung zwischen Deutschland und den USA ein. Präsident Kennedy, Regierungschef der USA, wird zum Besuch in Berlin erwartet.
Xaver März ist Beamter der Kriminalpolizei. Er ist kein Widerständler, steht aber ohne Ergeiz gleichgültig der Politik gegenüber, was ihm bereits so manche Schwierigkeiten einbringt. März wird mit der Aufklärung eines Mordes beauftragt. Der Tote war ein hoher Parteiangehöriger. Die Spur führt zu einer ganzen Mordserie an Offizieren und Parteiangehörigen. Und je näher der Staatsbesuch Kennedys rückt, um so ungeduldiger scheint der Mörder zu werden. Während der Ermittlungen lernt März die amerikanische Journalistin Charlie Maguire kennen. Sie enträtseln ein lang gehütetes Geheimnis aus der Vergangenheit, denn alle Ermordeten waren an der bislang unbekannten Wannsee-Konferenz beteiligt. Jemand möchte die letzten Zeugen dieser Konferenz beseitigen. Xaver März ist bislang überzeugt gewesen, dass alle Juden in den Osten evakuiert wurden. Doch jetzt fallen ihm Dokumente in die Hand, die schreckliche Taten belegen und während der Wannsee-Konferenz beschlossen wurden. Das geplante Abkommen mit den USA würde scheitern, sollten die Informationen bekannt werden. Er und die Journalistin Maguire stehen vor dem Problem, die Unterlagen aus Deutschland zu schmuggeln und die USA zu informieren. Aber es scheint kein Entkommen für die beiden zu geben.
Vaterland ist ein spannender und brillant erzählter Thriller. Sicher, manches mag merkwürdig erscheinen in diesem Alternativweltroman. Als ob manche Ereignisse unberührt sind vom Sieg Deutschlands.
Robert Harris' Roman zeichnet sich durch viele Details aus und hinterfragt das tatsächliche oder nur scheinbare Nicht-Wissen der Bevölkerung gegenüber dem Schicksal verschwundener Bevölkerungsgruppen. In erster Linie ist Vaterland ein Thriller, der den Leser schwerlich enttäuschen wird. Das Ende ist ein wenig vorhersehbar, Harris' Erzählweise macht den Roman aber bis zum letzten Satz fesselnd.
1994 wurde Vaterland für das Fernsehen verfilmt. Die Hauptrolle des Xaver März übernahm der Schauspieler Rutger Hauer.
Themenbereich "Parallel Welten"
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