Serie / Zyklus: ~ Besprechung / Rezension von Oliver Faulhaber |
Frances Lorien Van de Oest ist trotz ihrer knapp 18 Jahre bereits eine Person des öffentlichen Interesses, als Teil des gigantischen Familienimperiums leitet sie Sanierungsprojekte in der ganzen Welt. Doch hinter den Kulissen zerbröckelt die perfekte Fassade, und "Lore" muss nicht nur die schmale Gratwanderung zwischen ihren zerstrittenen Eltern meistern, sondern zudem auch noch die Marotten der restlichen Familienmitglieder ertragen.
Doch mit einem Schlag wird sie aus ihrem behüteten Leben gerissen, wird entführt und öffentlich gedemütigt. Ihre anfängliche Hoffnung auf schnelle Rettung schlägt im Laufe der wochenlangen Gefangenschaft in Unverständnis ob der Tatenlosigkeit ihrer Familie um, und erst als die Entführer die Geduld verlieren, gelingt ihr die Flucht.
In den Straßen einer ihr unbekannten Stadt, hilflos und mehr tot als lebendig, wird sie von einer Passantin gefunden. "Spanner" nimmt sich ihrer an und pflegt sie gesund, stellt jedoch von vornherein klar, dass Lore damit tief in ihrer Schuld steht. So kommt es, dass die ehemalige "Van de Oest" eine neue Identität annimmt und immer tiefer in Spanners illegale Aktivitäten hineingezogen wird - von Erpressung bis hin zur Prostitution.
Ihre Umwelt schlägt so von einem Extrem ins andere um, und erst als sie sich immer mehr für sich selbst zu schämen beginnt, gelingt ihr die Trennung von Spanner, und sie versucht den harten Weg durch ehrliche Arbeit, immer darauf bedacht ihre wahre Identität zu verbergen, um keinen Preis aufzufallen - denn nie wieder will sie der Familie in die Augen blicken, die sie so im Stich gelassen hat.
Urteil: Kompliment - endlich mal wieder eine Neuerscheinung, die Lust auf mehr macht. Stilistisch lassen sich kaum Mängel finden und zudem - bedingt sowohl durch den Schauplatz als auch die Themenwahl - liest sich das Ganze erfrischend und unterhaltsam, ohne jedoch zu irgendeinem Zeitpunkt ins Banale abzudriften.
Die Handlung scheint an vielen Stellen stark autobiographisch geprägt (so dass Griffith am Ende eine Klarstellung für angebracht hielt, dass nicht alle Elemente ihrem eigenen Leben entnommen sind), aber gerade diese "Realitätsnähe" macht das Buch noch plausibler. Vor allem die Konzentration auf weibliche Protagonisten hat ihren Reiz (und ein Vergleich mit Ursula LeGuin ist an dieser Stelle in der Tat angebracht), da sie es erfolgreich vermeidet, in die von einigen Autorinnen betriebene weibliche Heldenverehrung zu schwenken. Das Fehlen männlicher Charaktere stört in keinster Weise, vielmehr hebt dies das Buch in eine Ausnahmestellung - auch bedingt durch die homoerotischen Neigungen von Lore und Spanner.
Außer einigen für mich nur schwer nachvollziehbaren Motivationen der Protagonisten und der vielleicht etwas übertriebenen Auseinandersetzung mit der Funktionsweise einer Near-Future-Kläranlage lässt sich eigentlich kaum etwas an Untiefen aussetzen: die gelungene Verwirklichung der drei parallelen Handlungsstränge ermöglicht einen Einblick in die Entwicklung von Lores Persönlichkeit bis hin zum Stadium der Selbstfindung gegen Ende des Buches, und gewährleisten einen beinahe konstanten Spannungsbogen bis zum Schluss.
Also eine nahezu uneingeschränkte Empfehlung - man darf gespannt auf die nächsten Veröffentlichungen der Autorin sein.
Bewertung: 9 von 10 Punkten