Reihe: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Im Jahre 1982 raffte eine Seuche in kürzester Zeit fast alle Menschen dahin. Die wenigen Überlebenden in Deutschland ziehen in wärmere Gefilde und verlassen das Land meist ganz. In Rosenheim und Passau sammeln sich jene, die bereit sind, in der Heimat einen neuen Start zu versuchen, und es ist der Visionär Erich Schymanskiy, der davon träumt, aus Passau die Wiege einer neuen Zivilisation zu machen. Er sammelt die nach Süden Strebenden auf und ebenso ist er auf der Suche nach Wissen, das es zu erhalten gilt. Der Plan scheint zu gelingen, doch dann zeigt sich mehr und mehr, dass die Fähigkeiten zur Reparatur der Fahrzeuge und Maschinen fehlen. Passau ist eine reiche Stadt, aber ohne Zukunft. Schymanskiy, von allen nur Scheff genannt, ändert seinen Plan und möchte Passau zum Zentrum eines feudal regierten Landes machen. Doch das ist das nicht weit entfernte Rosenheim, nun nur noch Rosnem genannt. Ein Pakt soll über die Zukunft des Landes entscheiden, doch können sich beide Seiten auf einen gemeinsamen Weg einigen?
Der Roman ist wahrlich nicht sehr umfangreich, nur 160 Seiten in der neuen Fassung. Dennoch enthält diese Geschichte sehr viel Inhalt und der Leser ist gezwungen, sehr aufmerksam zu lesen. Es gibt drei zeitliche Handlungsebenen, die parallel einem Höhepunkt entgegenstreben. Da ist zunächst die Hauptebene im Jahre 2013 (oder 31 post pestilentiam). Die Handlung wirft viele Fragen auf, die im Zusammenhang mit den anderen beiden Zeitebenen stehen. Da ist zunächst die Vergangenheit, kurz nach der Seuche, als die Menschen begannen, sich neu zu organisieren und Schymanskiy damit begann, Passau zu einem bedeutenden Zentrum zu machen. Da ist aber auch die Zukunft, in der sich Kämpfer aus dem Osten im Jahre 2112, also 130 p. p., aufmachen, um Passau zu vernichten. Doch woher rührt diese Wut und was ist in der Vergangenheit passiert? Kurioserweise wird gerade die Ebene der Zukunft in der Originalausgabe in Fraktur abgedruckt, weil die Kirche zum bestimmenden Element geworden ist und sich alles zu mittelalterlichen Zuständen zurückentwickelt hat. Damit ist klar, dass der Plan Passau misslingen muss, doch dies tut der Spannung keinen Abbruch, denn der Leser will natürlich wissen, warum es dazu gekommen ist.
Carl Amery ist das Pseudonym des Schriftstellers Christian Anton Mayer, der vor allem durch Sachbücher auf sich aufmerksam machte und durchaus sein Handwerk verstand. Für einen Norddeutschen mag die bayrische Mundart, der sich die Rosnemer bedienen, schwer verständlich sein, aber das trägt auch zur speziellen Atmosphäre des Romans bei, denn die Art und Weise, wie die drei Handlungsebenen erzählt werden, unterscheidet sich in dreierlei Weise: zum einen die Schrift – normal, kursiv, Fraktur, dann die Sprache und zuletzt auch die Erzählweise. In der Vergangenheit waren es Bruchstücke von Einzelschicksalen, aber in der Zukunft liest sich das Ganze wie von einem Geschichtsschreiber aus dem Mittelalter verfasst. Nur die Gegenwartsebene bedient sich einer normalen Erzählweise und eines echten Handlungsbogens.
Man sieht schon: Der Untergang der Stadt Passau ist ein interessanter Roman, der sehr kompakt mit einer dichten Atomsphäre erzählt wird und den Leser in eine fremdartige, zu Beginn unverständliche Zukunft versetzt. Dieser Roman ist sicherlich eine Perle der Deutschen Phantastik und es ist schön, dass nun eine Neuauflage dieses Buchs (wenn auch ohne Fraktur) vorliegt. Insgesamt hätte man sich als Leser eine etwas ausführlichere Bearbeitung dieses Stoffs jedoch gewünscht.
8 von 10 Punkten