Zyklus/Serie: Wurdack-SF 3 Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Nach "Deus Ex Machina" und "Walfred Goreng" liegt nun die dritte SF-Kurzgeschichtensammlung aus dem Wurdack-Verlag vor. Vertreten sind dieses mal neunzehn mehr oder weniger bekannte Autoren, die in ihren Geschichten die ganze Bandbreite der SF-Literatur präsentieren.
Die Titelgeschichte stammt von Torben Kneesch, der bereits in der ersten Anthologie mit einer Story vertreten war. Das Problem der Überbevölkerung, der demografischen Falle und der Arbeitslosigkeit wurde in Kneeschs Welt einfach dadurch gelöst, dass man Menschen in den künstlichen Tiefschlaf versetzt und sie bei Bedarf wieder aufweckt. Die Hauptfigur durchlebt so verschiedene Gesellschaftsformen, die ihm allesamt nicht zum Verbleiben reizen. Am Ende ist die Entwicklung dann soweit fortgeschritten, dass die menschliche Gesellschaft aufgrund fehlenden Drucks einfach nach und nach ausgestorben ist und die Schläfer lediglich zur Aufrechterhaltung dieser aufgetaut werden. Aufgrund der Kürze der Story können die einzelnen Phasen des Erwachens nicht umfassend ausgearbeitet werden, so dass alles ein wenig gedrängt und oberflächlich bleiben muss. Hier wäre ein Aufwachzyklus weniger mehr gewesen.
In "Der Irrtum" von Lutz Herrmann erzählt dieser eine Geschichte, die an Aktualität kaum zu überbieten ist. In einer Firma beschäftigt sich ein Revisor mit der Aufgabe entlastendes Material für seinen Chef zusammenzusuchen, damit dieser in Kürze wohl präpariert dem Vorstand entgegentreten und so seine Führungsfehler vertuschen kann. Seine Loyalität gegenüber der Firma ist für ihn höher stehend wie seine Gesetzestreue. Dabei ist eben dieser Direktor dabei ihn und viele seiner älteren Kollegen zu entlassen, eiskalt seinen eigenen Vorteil im Auge habend. Der Schluss läst den Leser ein wenig ratlos zurück, denn die Konfrontation der beide oder eine Reaktion auf die Entlassung bleibt aus. So ist das Ende eigentlich keines. Brisanz erlebt die Grundidee gerade durch die Medien, da die Wirtschaftsführer dieser Republik steigende Umsätze und Rekordgewinne vermelden, gleichzeitig aber tausende von Entlassungen bekannt geben. Aus meiner Sicht hätte der Autor mehr aus seiner Story herausholen können.
Der Herausgeber selbst präsentiert in "Barrieren" eine Welt, die geprägt ist von der Furcht vor einer völlig fremden Lebensform. Diese wehrt sich bei der Annäherung eines Raumschiffes an dem Mond auf die sie beheimatet ist mittels einer mentalen Schockwelle, die auch alles menschliche Leben auf den Planeten auslöschen würde. Einen Schutz davor können lediglich einige Menschen bieten, die mittels ihrer Gedankenkraft in der Lage sind eine Barriere zu errichten, an der die mentale Kraft abprallt. Einer dieser Menschen wächst über sich hinaus, als er nicht nur die durch die Annäherung eines Raumers an den Mond ausgelöste Schockwelle, sondern auch die angreifende Flotte der Kotmun, mit der die Menschheit im Krieg stehen, vernichtet. Am Ende also ist es ein einzelner, der gleich zwei Bedrohungen abwenden konnte. Armin Rößler nimmt sich den Raum seine Story in Ruhe aufzubauen und die Handlung ohne Hast in Szene zu setzen. Der Schluss ist stimmig, denn er passt zum Beginn er Story, in der der Held ein Denkmal zu ehren der verstorbenen Raumfahrer, die das erste mal eine Schockwelle ausgelöst hatten, betrachtet.
Heindrun Jänchen bietet ihren Lesern in "Fallstudie: Terroristin Jenny S." einen bitterbösen Blick in unsere nahe Zukunft, in der Klone als menschliche Ersatzteillager dienen und natürliche Geburten per Gesetz schon fast verboten sind. Was mit Menschen passiert, die sich außerhalb dieses Systems bewegen, erfährt eine Krankenschwester, die nicht nur einen der Klone entführt, sondern sich auch Sperma eines ihrer Schützlinge besorgt. Seitens der offiziellen Stellen werden ihre Handlungen als terroristisch dargestellt und die Wahrheit völlig verdreht. Die Autorin streut kleine Info-Schnipsel ein, die zusammen dann das Komplettbild dieser Zukunft ergeben. Einer Zukunft, die bei weiterem Fortschritt in der Genetik durchaus vorstellbar ist.
Der Rentner Erwin in Uwe Sauerbreis Story "Allmacht" bemerkt eines morgens, dass seine Hosen nicht mehr passen, sie rutschen. Lediglich ein uralter Anzug, der ihm aufgrund seines gewachsenen Bauches, schon lange nicht mehr passt, ist leidlich tragbar. Aber auch nicht lange, denn er verwandelt sich zu einem jugendlichen Adonis mit ungeahnten Fähigkeiten. Man gut, dass seine Ehefrau gerade übers Wochenende verreist ist. Am Ende greift eine höhere Macht ein, um der durch Erwin erwachsenden Bedrohung Einhalt zu gebieten. Dieser kann sich dann an nichts mehr erinnern als ihm seine Frau am Sonntag abend im Bette vorfindet. Lediglich ihre Rückschmerzen sind auf wunderbare Weise verschwunden. Die Story gefällt gerade zu Beginn, wo so richtig der Pantoffelheld zu Tage kommt. Der Rest ist dann allein auf die Pointe ausgelegt und bietet kurzfristigen Lesegenuß.
In Antje Ippensens Story "Alles wandelt sich" schildert sie eine Erde, die dank der menschlichen Ignoranz mehr oder wenig völlig zerstört ist. Fauna und Flora existieren so gut wie gar nicht mehr und die Menschen vegetieren vor sich hin. Diese Welt wird von drei Lebenssporen als neuer Heimatplanet ausgewählt. Während zwei kurz nach der Landung vernichtet werden, überlebt der dritte und verbindet sich mit einem kleinen Jungen. Ein menschlich-pflanzliches Hybridwesen entsteht, eine neue Spezies. Trotz all dem negativen besteht am Ende Hoffnung für beide Spezies. Eine düstere Vision mit einem doch positiven Ansatz.
Von der erzählerischen und schriftstellerischen Qualität her liegen die Storys ziemlich auf einem Niveau. Manche sind reine Pointenstorys, die einem nicht besonders lange im Gedächtnis haften bleiben, andere wiederum beschreiben sehr anschaulich mögliche nahe Zukünfte und sind allein deshalb schon ein wenig nachdenkenswerter. Für meinen Geschmack war kein wirklich schwacher Beitrag dabei und da Geschmäcker bekanntlich verschieden sind, dürfte jeder SF-Leser interessante Geschichten vorfinden. Im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Sammlungen, würde ich "Überschuss" ein wenig stärker einschätzen wie "Walfred Goreng" und auf einer Stufe mit "Deus Ex Machina" setzen.
Das neben einigen bekannten Namen viele mir bislang unbekannte Autoren vertreten sind verdeutlicht einmal mehr das schriftstellerische Potential hiesiger Autoren.
"Überschuss" möchte ich jedem Kurzgeschichtenfan ans Herz legen.
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