Titel: Überlebende Eine Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Überlebende besteht aus den zwei Erzählungen "Der Gebirgspass" und "Überm Berg". "Der Gebirgspass" fängt sechzehn Jahre nach dem Absturz eines Raumschiffs auf einem unbekannten und gefährlichen Planeten an. Die Überlebenden mussten damals nach der Notlandung im eisigen Gebirge sofort ihr Schiff wegen der Verstrahlungsgefahr verlassen. Auf dem Weg in tiefergelegene Gebiete verloren sie viele ihrer Kollegen. Am Rand eines Waldes errichteten die Gestrandeten mit ihren Familien, die ebenfalls an Bord waren, ein ärmliches Dorf. Nur einmal in drei Jahren, im planetaren Sommer, ist der Gebirgspass zum Raumschiff begehbar. Erst im vierten Anlauf gelangt eine Expedition zum Raumschiff. Es sind die Kinder bzw. Jugendlichen Oleg, Dick und Marianne. Sie sind auf dem Planeten aufgewachsen und finden sich sehr gut zurecht. Den Erwachsenen hingegen sind die Wälder fremd geblieben und sie würden keinen einzigen Tag außerhalb der Siedlung überleben. Marianne kennt sich am besten mit Pflanzen aus, Dick ist der beste Jäger, Oleg ist noch die stärkste Verbindung zwischen der alten Welt und der heranwachsenden Generation, weil er sich am meisten für die irdische Zivilisation interessiert. Die drei und der Erwachsene Thomas brechen im Sommer auf, um lebenswichtige Dinge aus dem Schiff zu holen. Die Strahlung ist inzwischen abgeklungen. Thomas stirbt unterwegs. Mit vielen Lebensmitteln und Materialien gelangen die restlichen drei in das Dorf zurück.
Bulytschow veröffentlichte 1983 diesen ersten Teil als einzelne Erzählung, die in der damaligen DDR 1986 publiziert wurde. Erst 1988 folgte mit Überm Berg ein abschließender Teil.
Überm Berg beginnt drei Jahre nach den Geschehnissen auf dem Gebirgspass. Eine neue Expedition ist geplant, u. a. soll der Schiffsfunk repariert werden. Oleg erfindet mit der Hilfe eines Erwachsenen einen Ballon, um schneller zum Schiff zu kommen. Während einer Probefahrt entdeckt er zufällig die Erkundungssonde einer irdischen Forschungsexpedition. Es wird beschlossen mit dem Ballon zur Forschungsstation zu fahren, weil es die beste Hoffnung auf Rettung ist. Dick, Marianne und Kasik unternehmen daraufhin die beschwerliche Reise. Im jungen Kasik zeigt sich besonders die Anpassungsfähigkeit an eine Natur, die trotz ihrer Gefährlichkeit nicht zu fürchten ist. Oleg muss gegen seinen Willen zurückbleiben, weil er sich die Kenntnisse zur Funkreparatur angeeignet hat und zum havarierten Schiff gehen soll. Inzwischen entdecken die irdischen Forscher das Wrack und beschließen es laut den Vorschriften zu zerstören. Noch ahnen sie nichts von den Überlebenden.
Kir Bulytschow ist das Pseudonym des Moskauer Orientalisten Igor Moshejko, der neben der Phantastik auch Autor von wissenschaftlichen Büchern ist.
Überlebende zeichnet sich durch eine genaue Charakterbeschreibung aus. Obwohl oder gerade weil sie sich deutlich voneinander unterscheiden, funktioniert die Dorfgemeinschaft. Der Ausgang der Geschichte bleibt bis zum letzten Moment spannend. Glaubhaft schildert er die Veränderungen innerhalb der kleinen Gemeinschaft und die größer werdende Kluft zwischen Erwachsenen und den Kindern, die nur den Wald kennen gelernt haben. Gleichzeitig besteht bei einzelnen, wie im Fall von Kasik oder Oleg, das Bedürfnis mehr über die fantastische und in der Vergangenheit liegende Erwachsenenwelt zu erfahren.
Während die Überlebenden ein Teil des Planeten sind und in Gesellschaft von Tieren leben, nimmt die irdische Forschungsexpedition den Planeten nur entfernt wahr. In ihren gepanzerten Anzügen bleiben sie ihren Vorurteilen verhaftet und betrachten die fremde Welt wie unter einem Mikroskop.
Überlebende gehört zum Zyklus um den Kosmosarzt Pawlysch. Pawlysch ist einer der Raumfahrer, die am Ende das kleine Dorf finden. Im Vordergrund dieses Bandes stehen jedoch die Jugendlichen. Interessant und zuweilen humorvoll in der Geschichte verwoben sind die philosophischen Äußerungen der älteren Menschen.
Im September 2003 verstarb Bulytschow im Alter von 68 Jahren. Für das Frühjahr 2004 ist die Veröffentlichung von Der einheitliche Wille des gesamten Sowjetvolkes im Shayol Verlag angekündigt.
Bewertung: 9 von zehn Punkten