Titel: Die Traummeister Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die Traummeister von Jo Zybell ist ein phantastischer Fantasy-Roman und erschien bei Hoffmann und Campe. Das fast 600 Seiten starke Werk wiegt schwer. Aber schwere Kost ist es nicht. Den Leser erwartet eine vielschichtige, bis in die Einzelheiten ausgearbeitete Welt, die mit ein paar neuen Ideen und mit einer spannenden Handlung aufwartet. Hinter allem steckt ein Mythos über die Entstehung der Welt, dessen Geheimnis nicht gelüftet wird. Auf der ersten Seite wird beschrieben: "Der Stern schlug ein", als Beginn der Geschichte dieser Welt. Es bleibt aber offen, ob der Stern ein Komet, ein Raumschiff oder eine Rakete war - oder vielleicht etwas ganz anderes. Der Leser muss dies als Beginn der Geschichte hinnehmen oder nicht. Im letzteren Fall hat er nichts verloren und nichts dazugewonnen, denn es ist für Jo Zybells Erzählung nicht sonderlich wichtig.
Auf der Welt leben nun die Zaoten, jene Wesen, die sich für unsterblich halten, da sie wesentlich länger leben als die Menschen, die sie die Flüchtigen nennen. Zu den Zaoten gehören die Luxinen, die in der Lage sind, die vier Elemente Luft, Feuer, Erde, Wasser zu beherrschen. Ihr Lebensbereich findet sich, von einer fast undurchdringlichen Nebelwand geschützt, auf einer Insel vor der Küste, an der die Menschen siedeln. Eines Tages tauchen vor der Inselküste Aysalux die Schiffe der Goldenen auf. Die fremden Krieger sind eine Bedrohung und entführen einige Luxinen. Algyra, die Tochter der Königin Veda Venusya, die auch die Chronik in diesem Buch schreibt, macht sich auf die Suche nach den Vermissten. Vor allem, weil ihr Liebhaber Ombaryon dazugehört und sie ihn wiederhaben will. Man könnte fast meinen, man habe ihr ihr Spielzeug gestohlen.
Mit der Erzählerin, die eine Chronik der Geschehnisse verfasst, wird die Geschichte von Algyra lebendig. Fassungslos, wie die Heldin selbst, sitzt der Leser da und kann nicht verstehen, warum Unsterbliche sterben. Man kann nicht ganz nachvollziehen, warum die Goldenen angegriffen haben. Wenn man nicht richtig liest. Die Zweite Meisterin des Reinen Herzens ist auf der einen Seite auf der Suche nach den Unsterblichen, um sie für etwas gefangen zu nehmen und sich für etwas einzusetzen, wovon der Leser, ebenso wie Algyra, nichts weiß. Auf der Suche nach dem eigentlichen Zweiten Meister des Reinen Herzens, der sich von seiner Welt lossagte und dessen Beziehung dazu niemand erkennt, sind viele Traumjäger unterwegs. Nicht nur auf dem Meer. Mit Algyra, die sich auf die Suche macht, lernt der Leser die Schönheiten und Schrecken der Traummeister-Welt kennen. Diese Traummeister sind Menschen, die ehrenhafte Ziele verfolgen, die aber die Mittel, um sie durchzusetzen, falsch anwenden. Die Traummeister oder auch Magier genannten Personen gehen zudem ein zweifelhaftes Bündnis ein. Der Zwerg Ac'man ist ein grausamer und machtgieriger Kerl, der die Menschen seines Reiches brutal unterdrückt, sein Recht ist DAS Recht. Wer ihm dient, wird mit Drogen, den sogenannten Rauschpilzen, versorgt. Und wer sich gegen ihn stellt, kann sich durchaus im Magen gefrässiger Bestien wiederfinden.
Algyra befindet sich mit dem Zeitpunkt ihrer Abreise in ständiger Gefahr. Sie muss sich der Menschen wie auch der Zwerge und Traummeister erwehren. Dabei bemerkt sie schnell, dass ihre Elementarkräfte nicht immer dazu ausreichen, sie zu schützen. Manchmal ist es sogar besser, sich auf die Freunde zu verlassen, die sich ihr unterwegs anschließen.
Jo Zybell stellt seine Heldin Algyra zuerst ein wenig naiv dar. Das einfache friedliche Leben hat sie sorglos gemacht und auf dem Weg, ihren Geliebten zu befreien, muss sie Schritt für Schritt dazulernen. Wer meint, er habe hier eine Geschichte, die sich schlicht und einfach in Gut und Böse trennen lässt, der sollte einmal genau hinsehen. Viele Figuren können als Lebemänner bezeichnet werden. Sie singen, komponieren und lieben, saufen und haben hemmungslos Sex. Doch bei den Zaoten gibt es keine Gewalt. Daher sind sie hilflos den Goldenen ausgeliefert. Und wenn sie ‚böse’ agieren, dann nur, weil sie es können und sich keine Gedanken über ihr Handeln machen. Deswegen sind sie aber nicht unmoralisch. Sie pflegen nur eine andere Art. Gleiches gilt für die Traummeister, die nur das Beste wollen und sich in den Mitteln vergreifen. Jo Zybell schreibt so, wie das berühmte Salzburgpanorama von Johann Michael Sattler gemalt wurde. Man dreht sich um 360 Grad. Und wenn man am Ausgangspunkt angekommen ist, entdeckt man wieder etwas Neues.
Während ich von seinem Roman Die Tochter der Goldzeit, ebenfalls bei Hoffmann und Campe, nicht so überzeugt war, ist Jos vorliegendes Buch sehr gut geworden. Ich könnte mir vorstellen, dass der Roman nächstes Jahr gute Chancen auf den Deutschen Phantastik Preis hat.