Zyklus: Revelation Spave-Universum Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
In diesem Taschenbuch sind zwei von Alastair Reynolds Novellen vereint, die im Original bei zwei kleineren Verlagen in England erschienen sind. Beide Novellen spielen in dem gleichen Universum wie seine bisherigen Romanveröffentlichungen und stellen somit eine Ergänzung dieses dar.
In Reynolds Universum ist die Menschheit weit in die Tiefen des Weltalls vorgestoßen, ohne dabei auf intelligentes Leben zu stoßen. Eine privat finanzierte Erkundungsmission entdeckte in „Diamantenhunde“ nun auf einem für Menschen unbewohnbaren Planeten ein riesiges Artefakt. Roland Childe, ein Nachkomme jenes Mannes, der verschiedene Erkundungssonden in die Weite des Raumes aussandte, stellt ein Team zusammen, um das Artefakt zu erkunden. Von dem einzigen Überlebenden einer Raumschiffbesatzung, die durch Zufall auf das Artefakt stieß und es betrat, besitzen sie einige, wenige Informationen. Das Artefakt verfügt nur über einen einzigen Zugang, der in eine Kammer mündet. Durch die einzig vorhandene Tür kann man erst dann in die nächste Kammer treten, wenn ein mathematisches Rätsel gelöst wurde. Mehrere Lösungsmöglichkeiten stehen zur Auswahl. Wählt man nicht gleich die richtige Lösung, so bestraft einem das Artefakt. Zu Beginn noch mit so harmlosen Sachen wie Stromschlägen, aber je weiter man kommt, desto härter und brutaler werden die Strafen. Mit welchen man rechnen muss, können die Expeditionsmitglieder an den Überresten der Raumschiffbesatzung erkennen.
Dementsprechend hat Roland Childe sein Team zusammengestellt. Darunter findet sich neben dem Ich-Erzähler Richard Swift, ein alter bekannter Childes und mathematisch überaus begabt, u.a. Dr. Trintignant, der aufgrund seiner Experimente an Menschen auf diversen Planeten gesucht wird, und Celestine, Swifts ehemalige Frau, deren Verstand durch eine Spezies, die sich Musterschieber nennt und die in der zweiten Novelle eine größere Rolle spielt, so verändert wurde, dass sie mathematische Problemstellungen fast jeglicher Art lösen kann. Während Celestine dank ihrer logischen Fähigkeiten Rätsel um Rätsel zu lösen in der Lage ist, sorgt Dr. Trintignant dafür, dass die Teammitglieder mit den notwendigen technischen und/oder biologischen Ergänzungen ausgestattet werden, die ein immer weiteres Vordringen in das Artefakt erst ermöglichen.
Der Film „Cube“ hat unzweifelhaft hier als Grundidee gedient, wobei Reynolds dessen Setting aber deutlich erweitert. Es geht nicht darum einen Fluchtweg aus einem Riesenwürfel mathematisch zu berechnen, sondern die Expedition verfolgt das Ziel in den letzten Raum, an der Spitze des Artefaktes, vorzudringen. Angetrieben durch menschliche Neugierde, dem Drang jedes Rätsel zu lösen und der Hoffnung, dass am Ende all der Mühen eine entsprechende Belohnung erfolgt, erdulden sie nicht nur Verletzungen und biologisch-technische Veränderungen ihres Körpers, sondern sind auch bereit dafür zu sterben. Ja, sie werden regelrecht süchtig danach eine weitere Tür zu öffnen, ein weiteres Rätsel zu lösen und so der letzten Kammer einen weiteren Schritt näher zu kommen. Dafür geben zumindest Childe und Swift all ihre Hemmungen auf, überschreiten alle persönlichen Grenzen.
Die Novelle ist vom erzählerischen her sehr stringent formuliert und bietet lediglich die Schilderung der Ereignisse aus der Sicht des Ich-Erzählers. Reynolds verzichtet hier auf eine tiefergehende Charakterisierung seiner Figuren, sondern konzentriert sich voll auf den Weg zur letzten Kammer. Die Handlung ist dafür spannend und durchaus rasant in Szene gesetzt, wobei die mathematischen Erläuterungen einiger Rätsel die meisten Leser weit überfordern dürfte.
Die zweite Novelle trägt den Titel „Türkis“ und spielt auf dem Wasserplaneten Turquoise. Dort untersuchen die beiden Schwestern Naqui und Mini Okpik das Verhalten einer algenähnlichen Lebensform, die über ein planetenweites Gruppenbewusstsein verfügt und sich zu größeren Ballungen zusammenziehen kann. Diese Ballungen verfügen über eine Art von Intelligenz, die für den Menschen völlig fremdartig ist. Dennoch treten die Musterschieber mit ausgewählten Menschen in Kontakt, in dem sie sich mit deren Geist vereinen bzw. an ihren Denkprozessen teilhaben lassen. Vielfach kehren die Menschen mit veränderten Gedankengängen zurück, wobei die Musterschieber genial begabte Mathematiker zu sein scheinen, die einem mathematischen Rätsel scheinbar nie aus dem Wege gehen. So ist es Celestine geschehen, als sie mit den Musterschiebern schwamm.
Dies ist zwar nicht der einzige Berührungspunkt zur ersten Novelle. „Türkis“ unterscheidet sich ganz wesentlich von „Diamantenhunde“. Die Handlung ist viel ruhiger verfasst und ausschweifender formuliert. Als Leser vermisst man teilweise einen Handlungsfaden und die Auseinandersetzung um die Seele eines in den Musterschieber aufgegangenen Despoten wirkt ein wenig deplaziert. Gerade zum Ende der Novelle hin versucht Reynolds in seiner Novelle einen Handlungsfaden einzuspinnen, der für Spannung und Rasanz sorgen soll. Dies misslingt ihm größtenteils.
Im Vordergrund steht die Suche nach Verständigung. Nach Verständigung mit Wesen, die total fremdartig sind, denen aber eine verzehrende Faszination anhaftet. Naqui, deren Schwester Mini während eines eigentlich verbotenen Eintauchens in eine Ballung der Musterschieber von diesem absorbiert und so zu einem Teil des Gesamtkollektivs wurde, stürzt sich nach diesem Verlust in die Forschungsarbeit. Diese wird zum Mittelpunkt ihres Lebens und nur schwerlich kann sie notwendige Kompromisse akzeptieren, wenn politisch motivierte Entscheidungen in ihre Arbeit störend eingreifen. Die Bemühungen Naquis die Musterschieber zu verstehen, eine wie auch immer geartete Kommunikation herzustellen oder zumindest einen bewusst erlebten beidseitigen Kontakt, der ein gegenseitiges Verstehen nach sich zieht, stellen die wirklich lesenswerten Passagen in dieser Novelle dar.
Zwei Jahre liegen zwischen dem Verfassen beider Novellen. Jahre, in denen Reynolds mit dem Schreiben voluminöser Romane beschäftigt war. Die beiden vorliegenden Novellen stellen unter Beweis, dass er wenig aus dieser Zeit verlernt hat. Als bahnbrechend oder unbedingt lesenswert dürften beide nicht eingeordnet werden, dennoch wird man als Leser gut unterhalten.
Träume von Unendlichkeit - Rezensionsübersicht
Eine Übersicht der Serie gibt es auf der Autorenseite
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