Serie: Revelation Space-Universum Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Veith |
Mit Träume von Unendlichkeit legt Alastair Reynolds 2 Geschichten aus dem Destroyer-Universum vor. Anders als seine sonstigen Werke, die in der Regel 800 Seiten schwer sind, beschränkt er sich hierbei auf 140 bzw. 180 großbedruckte Seiten.
Macht eine Rezension zu diesem Werk Sinn? Für die treuen Leser des Destroyer Zyklus ist es ohnehin Pflicht und Quereinsteiger lassen wohl eher die Finger davon. Oder lassen sich die Stories auch als Einzelwerk lesen? Die Antwort war für mich eine Überraschung. Worum geht's?
Diamantenhunde:
Ein Team von 4 Männern und 2 Frauen stößt auf dem Planeten Golgatha auf ein eigenartiges Bauwerk, das sie "Blutturm" nennen. Dieses Bauwerk besteht aus vielen einzelnen Räumen, wobei der Übergang von dem einen in den nächsten Raum nur über die Lösung eines Rätsels gestattet wird. Gemeinsames Ziel der Akteure ist es durch alle Räume bis an die Spitze des Turms zu gelangen. Dazu bringt jeder im Team seine eigenen Qualifikationen und Talente ein. Zunächst werden die Rätsel spielend gelöst, jedoch wird schnell klar, dass der Turm seine eigenen Regeln aufstellt und Fehltritte blutig bestraft. Die Menschen werden aufs Äußerste gefordert. Um zur Spitze zu gelangen, müssen sie einen Teil ihrer Menschlichkeit opfern. Nicht jeder überlebt. Schließlich keimt ein schlimmer Verdacht auf: Spielt jemand sein eigenes Spiel?
Die Story erinnert ein wenig an den Film Cube von Vincenzo Natali. Und wirklich: Bzgl. Tempo, Atmosphäre und Protagonisten gibt es viele Parallelen. Alastair Reynolds schafft es, die Neugierde des Lesers zu wecken bis dieser, einmal Blut geleckt, die Witterung aufnimmt, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Die Story ist sehr flott geschrieben, alles Überflüssige wurde über Bord geworfen.
Wenn die Protagonisten beispielsweise beschließen, eine Reise anzutreten, so wird eine halbe Seite später das Ziel erreicht, ohne dass der Flug in epischer Breite beschrieben wird. Auf diese Weise bleibt Raum für die wirklich wichtigen Dinge: Die Ausgestaltung eines Kammerspiels, bei dem sich die Beziehungen der Akteure zueinander entwickeln können. Dies geschieht insbesondere dann, wenn die Gefahr sich zuspitzt. Zunächst ist diese nicht wirklich präsent, der Reiz für den Leser liegt eher in der Befriedigung der Neugierde als im Nervenkitzel der Bedrohung. Das ändert sich schlagartig, als der Blutturm plötzlich und unerwartet mit geradezu brachialer Gewalt zuschlägt. Von nun an nimmt die beklemmende Spannung immer mehr zu, sodass es unmöglich ist, das Buch aus der Hand zu legen, bevor nicht auch die letzte Seite verschlungen wurde.
Türkis:
Türkis ist ein Musterschieber Planet. Musterschieber sind pflanzliche Lebensformen im Meer, die in der Lage sind, Informationen bis hin zu vollständigen Persönlichkeiten biologisch zu speichern. Auf diesem Planeten hat sich - nahezu unbeobachtet vom Rest der Galaxis - eine menschliche Gesellschaft gebildet, die sich insbesondere mit der Erforschung der Musterschiebern beschäftigt. So steht ein hoffnungsvolles Forschungsprojekt - die Isolierung eines Teiles der Musterschieber - kurz vor dem Abschluss.
Da kündigt sich plötzlich nach 100 Jahren ohne externen Kontakt mit anderen Planeten ein Besuch an. Diese Besucher verhalten sich friedlich und befolgen achtsam alle diplomatischen Regeln. Sie zeigen sich sehr interessiert an den Forschungsprojekten und bieten an, sich an diesen zu beteiligen. Kurz danach werden die Projekte umgeplant.
Türkis hat einen ganz anderen Stil als Diamantenhunde. Die Geschichte fängt gemächlich, ja fast unmotiviert an, stellt für alle Quereinsteiger eine hohe Hürde auf. Die Destroyer Fans, die mehr über die Musterschieber erfahren wollen, sind wohl bereit, diese Hürde zu nehmen, aber Quereinsteiger? Lohnt sich wirklich die Geduld? Ja, denn nach den ersten 40 Seiten entwickelt sich die Story immer mehr und wird richtig fesselnd. Es werden unerwartete Wendungen, politische Konflikte und rasante Verfolgungsjagden geboten. Am Ende werden alle losen Enden wieder sinnvoll zu einem befriedigenden Ende zusammengefügt. Beiden Fraktionen wird eine tolle Story geboten, die Diamantenhunde noch toppen kann. Auch der Anfang der Geschichte wird in neuem Licht gesehen und erscheint rückblickend sinnvoll und notwendig. Eine Straffung wäre zwar fein gewesen, jedoch wäre es dann eine andere Story gewesen.
Zusammenfassend bin ich wirklich überrascht. Beide Stories sind mit der o. g. Einschränkung auch für Quereinsteiger lesbar, was für Reynolds nicht selbstverständlich ist. Hut ab, Reynolds schafft es auch in kurzen Romanen, seine Leser mitzureißen. Bei beiden Romanen kommt am Ende das Gefühl auf: Schade! Schon vorbei! Hey, da ist doch noch gar nicht alles erzählt? Wenn das kein Gütesiegel ist!
Aber auch der Destroyer-Fan findet seine ersehnten Anknüpfungspunkte zum Hauptzyklus und findet das richtige Material zum Warmlaufen für den abschließenden Band des Destroyer-Zyklus Offenbarung.
8 von 10 Punkten
Träume von Unendlichkeit - Rezensionsübersicht
Eine Übersicht der Serie gibt es auf der Autorenseite
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