|
Titel: Tor der Dämmerung
Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Das Cover des Buches sagt mir nicht wirklich zu, auch wenn das mit dem japanischen Schwert bewaffnete Mädchen durchaus zum Inhalt des Buches passt. Die roten Wellen könnten auch passen, dann müssten es allerdings Wellen von Blut sein – und darüber will ich lieber gar nicht erst nachdenken. Was mir überhaupt nicht gefällt ist die Mischung von Schwarz-Weiß-Fotografie und Zeichnung – das Mädchen wirkt wie fotografiert, während die sie umgebenden Wellen mit roter Farbe gezeichnet sind – eine ziemlich skurrile Mischung, die einem vermutlich einfach liegen muss.
In Allisons Welt sind die Vampire die Herrscher und die Menschen nicht viel mehr als ihre Sklaven – auch wenn es weitaus eloquenter formuliert wird. Die registrierten Menschen tauschen Blut gegen Schutz und Nahrung, während die Unregistrierten sehen müssen, wie sie zurecht kommen. Allison ist eine Unregistrierte und stolz darauf – sie würde eher sterben, als sich den Vampiren zu unterwerfen. Damit, dass sie selbst einmal ein Vampir werden könnte, hätte sie jedoch niemals gerechnet.
Schon die Hintergründe von Julie Kagawas Dystopie gefallen mir: Sie hat die klassischen Vampirgestalten wie die von Anne Rice mit Menschen zusammenarbeiten lassen, um einen menschentötenden Virus zu stoppen – letztendlich würde das Aussterben der Menschen ja auch das der Vampire bedeuten. Die Zusammenarbeit lief nicht wie geplant und führte letztendlich zu der Welt, die Allison kennt: Von in Vampirstädten lebenden Menschen, die von den Vampiren beherrscht und zu einem gewissen Grad auch beschützt, aber eben auch dumm gehalten und ausgenutzt werden. Eine typische Dystopie, der Julie Kagawa einfach nur den klassischen Vampirmythos hinzugefügt und damit etwas Neues geschaffen hat. Die detaillierten Hintergründe erfahren Allison und der Leser erst im Verlauf der Geschichte, während der Istzustand schon mit den ersten Seiten überdeutlich wird.
Allison ist jedoch weder dumm noch bereit, sich von den Vampiren ausnutzen zu lassen – und im Gegensatz zu den meisten Menschen hat sie die Fähigkeit zu lesen und den Willen, etwas zu verändern. Die radikale Änderung, die ihrem Leben eine Wende gibt, hätte sie jedoch vermutlich niemals planen können. Die Verwandlung in einen Vampir löst alle Bande und Allison muss lernen neue Wege zu gehen, als erstes jedoch begreifen, dass sie nun kein Mensch mehr ist. Ein harter Schnitt, der für den Leser ebenso hart ist wie für Allison, hat er doch auf den ersten Seiten nur durch sie das Menschenleben in ihrer Welt kennen gelernt – und nun wird alles auf den Kopf gestellt.
Was dieser Schnitt genau bedeutet, macht Julie Kagawa den Lesern und Allison durch Allisons Lehrmeister, Kanin, deutlich. Und der ist ebenso wenig wie Allison ein moderner Kuschelvampir. Julie Kagawas Vampire können Gewissen und Moral haben, aber letztendlich müssen sie sich von Menschen ernähren und werden von der Sonne verbrannt – menschliche Bindungen sind damit nicht wirklich empfehlenswert. Die Verbindungen zur Vergangenheit lassen sich jedoch nicht einfach kappen – und wer möchte schon alleine leben, insbesondere, wenn es für die Ewigkeit ist?
Allison muss ihren eigenen Weg in dieser neuen Welt und ihrer neuen Existenz finden. Und genau davon handelt diese Geschichte: Von einem jungen Mädchen auf dem Weg zu sich selbst. Der Leser lernt während der Seiten Allison und ihre Welt immer besser kennen – ihre Welt kann man fürchten, Allison gewinnt man jedoch mit jeder Seite lieber und hofft, dass sie den richtigen Weg wählt. Die letztendliche Entscheidung ist aber auch mit der letzten Seite nicht getroffen – und während die Heldin einsam in der Nacht verschwindet, bleibt dem zurückbleibenden Leser nur eines: Auf ein Wiedersehen zu hoffen.
Mir hat damit bis auf das Cover eigentlich alles gefallen: Das dystopisch-düstere Setting, die charismatische Hauptperson, ihr geheimnisvoller Lehrmeister und Allisons Suche nach ihrem Platz in der Welt. Eine Suche, die von Kämpfen, neuen Erkenntnissen, aber auch starken Gefühlen (guten wie schlechten) geprägt ist. Tatsächlich hat mir sogar das recht offene Ende gefallen – irgendwie passte es zu der Geschichte. “Unsterblich – Tor der Dämmerung” ist keine klassische Dystopie, düster, melancholisch und nachdenklich gleicht sie Allisons tödlichem Tanz mit ihrer Katana – mir hat er gefallen.