Titel Sammelband: Tod durch Ratten - 4 Romane in einem Band Titel: Der Rattenfänger Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Der Rattenfänger
Wir befinden uns in Russland, am 22sten März des Jahres 1920. Ein obdachloser Mann, der eben noch seine letzten Bücher verkaufte, zieht in eine alte Bankfiliale ein. In diesem leeren Gebäude, in dem man imstande ist, sich zu verlaufen, kommt er unter, ohne dass ihn jemand stört. Hier findet er seltsamerweise auch etwas zu essen. Das Haus ist ihm aber nicht ganz geheuer. Eine seltsame Stimme lockt ihn fast in den Tod, er belauscht eine seltsame Verschwörung, und doch scheint es, als sei alles nur sein Fieberwahn. Alexander Grin wurde 1880 in Russland unter seinem richtigen Namen Alexander Stephanowitsch Grinewski geboren. In seinem Leben arbeitete er als Matrose, Goldwäscher, Hafenarbeiter, Badewärter, Amtsschreiber und Torfstecher. Danach wandte er sich dem Schreiben zu. Als sich der Erfolg einstellte, folgten politische Verfolgung und Verbannung. Diese führten dazu, dass er quer durch Russland floh. 1932 starb er in Stary Krim.
Hier reicht in der Tat nur die kurze Zusammenfassung. Die Novelle ist damit von der Handlung her schnell beschrieben, doch das WIE macht eine Erzählung aus. Alexander Stephanowitsch Grinewski steht mit seiner Erzählung am Beginn. Damit fallen alle anderen Erzählungen dieses Bandes ab, bis es mit Hans Joachim Alpers wieder aufwärts geht. Der Autor weiß, wovon er in seiner Geschichte um den namenlosen Handlungsträger schreibt. Er hat die schlechten Jahre und den wirtschaftlichen Niedergang der beschriebenen Zeit selbst erlebt. Daher wird sich sicher auch ein wenig Autobiographisches darin wiederfinden. Das Umherwandern in leeren Hallen, der Leitgedanke des Rattenkönigs und seine Menschwerdung sind ein beliebtes Thema der Literatur, dem sich Alexander Stephanowitsch Grinewski annahm.
Aufstand der Ratten
Aufstand der Ratten ist eher unter dem Titel Willard bekannt, denn unter diesem Namen kam das Buch als Film heraus. Hauptperson ist Willard Stiles. Willard ist kein Mensch, dem das Glück hold ist. Mit seinen 27 Jahren wohnt er noch bei Mutti. Seine schwerkranke Mutter macht ihm das Leben nicht leicht, und sein Chef auf der Arbeit ist auch eher der Meinung, in Willard ein Opfer sehen zu müssen. Zudem muss Willard in ärmlichen Verhältnissen leben, weil sein Chef seinen Vater um die Firma betrog. Daher ist das Verhältnis der beiden auch eher gespannt. Als er eines Tages die Rattenplage im Keller bekämpfen soll, wachsen ihm diese Tiere ans Herz. Er kann nicht an den Tieren vorbei und freundet sich mit den Tieren an. Besonders Sokrates hat es ihm angetan, eine weiße Ratte, die ihn besonders gut zu verstehen scheint. Seine Befehle gibt Sokrates an die anderen Ratten weiter, sodass Willard bald ein kleines Heer Untergebener sein Eigen nennen kann. Als der schüchterne Willard Stiles merkt, dass er die Ratten beherrscht, beginnt er einen Rachefeldzug gegen die Gesellschaft, die ihn ja nicht leiden kann. Den ersten Einsatz haben die Ratten bei der Party seines Chefs, wo sie ein heilloses Durcheinander veranstalten und die weiblichen Besucher sich kreischend in Sicherheit bringen. Als später Willards Mutter stirbt, sieht sich Stiles den Attacken von Al Martin allein ausgesetzt. Zudem erschlägt er Sokrates, was ihm Willard besonders übel nimmt. Doch dann übernimmt der bösartige Ben (auch Titel des filmischen Remakes) das Regiment über die Ratten.
Stephen Gilbert wurde im Jahr 1912 in Newcastle, Grafschaft Down in Großbritannien geboren. Bei der Zeitschrift "Northern Wing" arbeitete er als Reporter und engagierte sich aktiv in der Anti-Atomkraft-Bewegung in Nordirland. Sein Aufstand der Ratten wurde unter dem Titel Willard verfilmt, später noch einmal als Remake unter dem Titel Ben. Gilbert ist verheiratet und hat vier Kinder. Mit seinem Buch schafft er es, den Ekel vor Ratten ein wenig zu verstärken. Denn erst einmal sind die Ratten von jeher als Krankheits- und Unheilbringer bekannt, und zweitens sind sie als intelligente, dem Menschen ähnliche Wesen noch unaustehlicher. Die Geschichte ist ein wenig langatmig geworden, die Längen hätte man durchaus kürzen können. Ansonsten war der Roman wohl eher ein Mittelklasseroman, die Idee nicht sehr neu, die Handlung vorhersehbar. Aber immer noch gute Unterhaltung.
Tod durch Ratten
Ein verkannter Wissenschaftler namens Kreutzkamm (der wievielte inzwischen?) wurde (schon wieder) von seinen Vorgesetzten enttäuscht. Seit vielen Jahren verweigert man ihm den Titel eines Professors. Man hält ihn für nicht sonderlich gut, aber er hält sich für genial; er kann die Gehirnströme der Ratten, seiner Versuchstiere, steuern. Damit nutzt er die Tiere aus. Sie werden (wieder einmal) zum Instrument der Rache. All jene, die nicht an ihn glaubten (und jene, von denen er annimmt, dass sie nicht an ihn glauben) werden zu Opfern. Harald Howart ist ein Pseudonym eines deutschen Autors. Leider ist nicht mehr bekannt, oder sollte man sagen "Gott sei Dank"? Der Autor tut gut daran, nicht bekannt zu sein, sich zu verstecken. Der Roman verbucht als einziges Plus, mit dem Ekel vor Ratten zu spielen. Leider ist der Roman schlimmstes Heftchenformat. Logische Fehler, eine langweilige, vorhersehbare Handlung, blasse Handlungsträger. Und eine Sprache, die es mir kalt den Rücken herunterlaufen lässt. Ein Zitat: "Ihre scharfen Zähne wetzten auf und ab - gierig und verschlagen". Wie bitte schön, können Zähne "VERSCHLAGEN" wetzen? Und so etwas geschieht häufiger. Ein zusätzlicher Horror ist die einfallslose Benutzung der deutschen Sprache. Dass dieser Band ausgerechnet den Titel dieser Erzählung trägt, ist nicht verständlich.
Zwei schwarze Männer graben ein Haus für dich
Herr Christoph Wielander sitzt im Rollstuhl. Seine Frau fuhr in die Stadt, sodass er selbst die Post entgegennehmen muss. Er erhält Briefe, die von einem alten Freund stammen. Per Gerichtsverfügung erhält er diese, da sie bei seinem toten Freund gefunden wurden. Er hatte sie alle bei sich und nie abgesendet. Jetzt hält Christoph Wielander diese in den Händen. Während des Lesens stellt er fest, dass sein Freund wohl nicht mehr Herr seiner Sinne war. Der Unterschied zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmt mit den Zeilen.
Hans Joachim Alpers zählt seit mehr als 30 Jahren zur deutschen Science-Fiction-'High-Society'. Mit Ulrich Kiesow zusammen gab er das Spiel Das schwarze Auge heraus. Geboren wurde er 1943 in Bremen. Bevor er zur Science Fiction kam, arbeitete er auf der Deutschen Werft und brachte es bis zum Maschinenbau-Ingenieur. Der heute in Hamburg lebende Schriftsteller erhielt für seine Tätigkeit u.a. auch den Kurd-Laßwitz-Preis. Mit seiner Erzählung reißt er den Tiefpunkt wieder nach oben. Sie ist kurz, was ich sehr gern sehe, knapp, gehaltvoll und genau treffend.