Reihe: Star Wars Eine Rezension von Mario Pfanzagl |
Der Imperator und Darth Vader sind tot, der zweite Todesstern nur noch ein im All treibendes Trümmerfeld und die imperiale Flotte in alle Winder zerstreut - die Rebellen haben gesiegt! Doch damit fällt ihnen eine neue Aufgabe zu, die sich nicht einfacher gestaltet, denn der erst vor wenigen Jahren vom Imperium annektierte Planet Bakura ruft die imperiale Flotte um Hilfe an, nur haben die Rebellen diese eben vertrieben. Die Rebellenflotte ist zwar selbst angeschlagen, doch man beschließt als große Geste den Imperialen auf Bakura zu Hilfe zu eilen und somit einen ersten Schritt in Wiedererrichtung der Republik zu unternehmen, indem man sich als neue Schutzmacht anbietet. Unter dem Kommando Luke Skywalkers, mit der Rogue Squadron, dem Millenium Falcon und damit auch Han und Leia sollen die mysteriösen Angreifer auf Bakura zurückgeschlagen werden. Dort angekommen stellen die Rebellen zwar fest, dass die Imperialen durchaus bereit sind mit ihnen für die Dauer des Konfliktes einen Waffenstillstand einzugehen, die Bedrohung aber massiver ist als angenommen - eine Alien-Spezies aus den Unbekannten Regionen hat die imperialen Außenposten regelrecht überrannt und entführt die Überlebenden, um sie in einem brutalen Prozess in Energie für ihre Waffensysteme zu verwandeln...
Timothy Zahns Thrawn-Trilogie gilt als der Urknall der Bildung des Expanded Universe und Kathy Tyers TRUCE AT BAKURA war nichts weniger als der erste Star Wars-Roman nach Zahns THE LAST COMMAND. Schon Zahns Trilogie gab Themen und Agenden vor, die das EU in den 90er-Jahren unter der Lizenz von Bantam prägen sollten. Wird die Thrawn-Trilogie allerdings noch bejubelt und heute noch mit Kultstatus gefeiert, Tyers nicht weniger "prophetischer" Star Wars-Erstling scheint genau das Gegenteil zu sein, er wird wie viele andere Romane und Trilogien der "Bantam-Ära" unter den Teppich gekehrt. Aus gutem Grund? Tyers zeichnete schon 1993 ein Schema vor, das mitverantwortlich dafür ist, warum das EU nach dem Aufblühen mit Zahn bereits wieder viele Fans vergraulte.
- Eine kleine Geschichte des Expanded Universe -
Mit dem Sieg über und auf Endor schien der Krieg der Sterne gewonnen, doch Zahn legte das Fundament dafür, dass das Imperium danach eben nicht geschlagen, sondern in internen Konflikten zerstritten war. Dabei bewegte sich die Thrawn-Trilogie allerdings 5 Jahre in der Zukunft, Kathy Tyers hingegen sollte direkt an Episode VI anknüpfen. Ihr fiel nun die Aufgabe zu einigermaßen die Brücke zwischen dem großen Triumph und diesem langsamen Aufstieg der Neuen Republik zu schlagen, warum wurde dieser möglich? Tyers hat sich damals dem wohl noch unverbraucht anmutenden Konzept einer dritten Partei bedient, die in den Konflikt eingreift und die Rebellen zu einem Waffenstillstand mit dem überrannten Imperium zwingt. Und natürlich steht das Schicksal der gesamten Galaxis am Spiel. Nach diesem Konzept zogen diverse Autoren in den 90ern immer wieder Trilogien hoch, hier die bösen neuen aus dem Hut gezauberten Aliens, die die Welt bedrohen wie wir sie kannten, da Bürgerkriege und Krisen die nur noch sehr wenig mit dem klassischen Star Wars zu tun haben schienen. Kein Wunder, wenn sich Michael Stackpoles und Aaron Allstons, an die OT und George Lucas Faible für Pilotengeschichten angelehnte, X-Wing-Romane zu Kultwerken entwickeln konnten. Sie fingen noch am ehesten ein, was Star Wars vor den Prequels für viele war. Der Konflikt zwischen Imperium und Rebellen/Neuer Republik trat in den diversen Romanen in der Tradition Tyers stark in den Hintergrund, während jene die sich an Zahns Konzepten orientierten ohne diese kaum auskamen, aber auch andere Ideen Zahns weiterentwickelten (Schmuggler, den Wiederaufbau des Jedi-Ordens und anderes was man noch aus der OT abzuleiten pflegte). Der Gegensatz zwischen einer Beschwörung und Weiterentwicklung von Themen der OT und dem Beschreiten neuer Science Fiction-artiger Wege war also bereits 1993 geschaffen, im Jahr als nach THE LAST COMMAND eben TRUCE AT BAKURA erschien. Als Del Rey 1999 mit dem Buch zu Episode I die Lizenz für die Star Wars-Romane wiedererlangte (die Han Solo-Romane Brian Daleys und L. Neil Smiths Lando Calrissian-Trilogie waren samt den OT-Romanadaptionen und Alan Dean Fosters Splinter of Minds Eye einst noch bei Del Rey erschienen, ehe Bantam Spectra die Lizenz für Star Wars-Romane übernahm) startete THE NEW JEDI ORDER und damit eine 19bändige Reihe die sich von VECTOR PRIME (1999) an als ultimative Alien-Invasion und je nach Betrachtungsweise Abrechnung mit den Romanen der 90er-Jahre darstellte. Schon in Troy Dennings Dark Nest griff man allerdings wieder auf dieses Schema - überlegene bis dahin verborgene Spezies bedroht den Frieden in der Galaxis - zurück, nachdem man einige der unter Bantam geschaffenen Alien-Spezies von den Yuuzhan Vong sogar hat auslöschen lassen.
- Pro -
Tyers TRUCE AT BAKURA war der erste Schritt auf dem Weg hin zu einem shared universe, in dem sich Kurzgeschichte wie Romane und Comics schließlich vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Kontinuität abspielen sollten. Auch wenn Comics und Romane bis heute meist eher getrennte Wege gehen, gemeinsame "multimediale" Projekte wie der Knight Errant Roman zur Comicreihe oder Großbaustellen wie The Old Republic sind da fast schon wieder die Ausnahme. Tyers wählte genau jenen Ansatz den Zahn eben nicht verfolgte, sie versetzte ihre Handlung direkt in die Folge von Rückkehr der Jedi-Ritter und musste sich so schon einmal gar nicht so sehr damit beschäftigen ihrer Charaktere reifen zu lassen, sondern nur Luke und Co. dort abzuholen wo sie der Film zurückgelassen hat.
Und diese Übernahme aus dem Epilog aus Rückkehr der Jedi-Ritter klappt auch ganz gut. Kathy Tyers vermittelt ihren Lesern jedenfalls noch sehr deutlich das Gefühl dass das die Charaktere sind die man auf der Leinwand bzw. dem heimischen Fernsehschirm bestaunen konnte. Zumindest zunächst. Das Anknüpfen funktioniert ja noch sauber. Die Rebellen sind müde, noch siegestrunken, aber spüren deutlich die Verluste ihres großen Triumphs und die Aussichten, dass das Imperium wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzt haben sich zerschlagen, die Republik wiederherzustellen wird noch ein harter und langer Kampf.
Soweit, so gut. Ähnlich konnte man die Folgen der Schlacht um Endor auch bei Zahn nachlesen. Doch anstatt die Rebellen nun gegen einen imperialen Vergeltungsschlag in die Schlacht zu werfen (was vielleicht an einige alte Star Wars Marvel Comics erinnert hätte) oder erste Planeten bei ihrem Aufstand gegen das Imperium zu befreien (was ein Vorgriff auf Michael Stackpoles X-Wing Comics gewesen wäre) wirft Tyers unsere Helden in die Schlacht gegen eine "noch größere, noch bösere" Bedrohung - die Ssi-ruuk! Was 1993 vermutlich noch frisch und neu wirkte, nicht wie ein verunstaltetes Crossover a la "Star Wars vs. Aliens". Trotzdem, so einfallslos die Idee heute auch wirkt, die darauf aufgebaute Handlung hat auch ihre Schokoladenseiten.
Auf Bakura müssen sich die Rebellen auf einen Waffenstillstand mit den dortigen imperialen Truppen einigen. Letztere sind natürlich auch nicht einfach bereit den Planeten aufzugeben und die wenig eindrucksvolle Task Force der Rebellen kann den imperialen Eindruck von den Rebellen als Terroristen und Piraten nicht unbedingt wett machen. Glaubwüridgkeit gewahrt. Ein Punkt für Kathy Tyers. Es kommt jedoch noch schlimmer. Das lange Zeit unabhängige Bakura wurde vor noch nicht einmal allzu langer Zeit annektiert, Sympathien zur alten Republik sind also wohl nicht vorhanden und der jungen Elite wurde gehörig das Gehirn gewaschen. So darf man aus Sicht der Einheimischen die heldenhaften Rebellen und Helden von Endor einmal als befremdliche Unruhestifter erleben, die man allerdings gut brauchen kann um die bevorstehende Invasion abzuwehren. Selbst die Jedi haben auf Bakura nicht den besten Ruf, dennoch entwickelt sich die junge Senatorin Gaeriel Captison für Luke schnell zum love interest, auch wenn sie zunächst als imperiale Kollaborateurin in Erscheinung tritt und das Stabilitätsversprechen des Imperiums lobpreist. Mit Captison verfügt Bakura jedenfalls schon von Beginn an über eine politische Hoffnungsträgerin für die Zeit danach, etwas das man in jüngeren Star Wars Romanen oft vergeblich suchen wird.
Ein Happy End kann es jedoch nicht für alle geben, Leia wird sich noch lange nicht damit abfinden können, dass Darth Vader ihr Vater war und auch eine Erscheinung des Machtgeists Anakin Skywalkers vermag sie nicht umzustimmen. Es sollte bis Troy Dennings TATOOINE GHOST dauern bis Leia mit sich und ihrer Familiengeschichte soweit ins Reine kommen konnte, dass auch sie Anakin Skywalker als Vater akzeptieren konnte.
- Contra -
Kathy Tyers mit Timothy Zahn zu verlgeichen mag unfair erscheinen, aber beide standen am Beginn der Expansion des Expanded Universe und stehen fast archetypisch für die zwei Trends ein, die in der Bantam-Ära dominieren sollten. Rebellen vs. Imperium und Rebellen vs. Aliens - stark vereinfacht ausgedrückt. Star Wars war vor den Prequels für viele eben der Kampf der Rebellen gegen das Imperium und beide Seiten genossen ihre Sympathien. Entsprechend etablierten sich Werke die stark mit dem Rebellen vs. Imperium-Sujet lange Zeit als die beliebteren (wie die Thrawn-Trilogie oder die X-Wing-Romane). Dennoch ging man immer wieder dazu über in Star Wars auch (heute) "klassische" Bedrohungen einzustreuen, im vorliegenden Fall eben "Seelenräuber", die nicht nur versklaven sondern Lebewesen wie Batterien aussaugen und mit ihren Lebensessenzen Droiden aus Billigproduktion betreiben. Ein Manko des Romans kann für viele also schon die Wahl der Antagonisten sein.
Im Vergleich, während Zahn mit Talon Karrde, den Rogues und Mara Jade Charaktere schuf die über seine Romane hinaus Bedeutung und Rollen erlangten, sollten Pter Thanas und Gaerial Captison erst in der Corellia Trilogie wieder in Erscheinung treten, Captisons Tochter sogar in einem NJO-Roman noch als politische Demonstrantin kurz Verwendung finden. Und wieder, der Vergleich mit der Thrawn Trilogie, mag unfair wirken, aber sollte auch eines klar machen, TRUCE AT BAKURA ist im Endeffekt ein Roman ohne Folgen. Der Waffenstillstand verblasste wieder, die Schlacht die hier geschlagen werden musste ist keine die man gelesen haben muss, sie hat nicht mehr Bedeutung als der Sturz eines der unzähligen Kriegsherren in den X-Wing Comics.
Mit allzu großen Besonderheiten will einen TRUCE AT BAKURA ja auch nicht in Erinnerung bleiben. Die Vertreter der "dunklen Seite" sind eine eher persönlichkeitslose Alien-Reptilienbrut, wie man sie aus diversen Serien und Filmen halt kennt. Nichts besonderes, leider. Denn meistens sind es herausragende Persönlichkeiten die als Personifikationen dieser Legionen des Bösen positiv in Erinnerung bleiben würden. Doch charismatische oder wenigstens gewiefte Schurken fehlen BAKURA. Die imperialen Bürokraten sind farblos geraten und auch der etwas begabtere Commander Pter Thanas ist kein Thrawn und das spiegelt sich schon an seinem bescheidenen Rang wieder.
Uninspirierte Schurken auf der einen Seite, die Großen Drei, eine Rebellin in spe und ein zu rettender Junge auf der anderen Seite. Potential hätte auch der machtsensitive Dev Sibwarra besessen, Sohn einer Ex-Padawan, von den Ssi-ruuk entführt und aufgrund seiner Machtbegabung als Medium bei ihrem Essenztransfer unverzichtbar. Doch Dev ist wenig mehr als ein Kind, das scheinbar am Stockholm-Syndrom leidend nicht erkennen kann was er tut und in seinen Szenen genau diese Perspektive eines willfährigen Hilfsmittels der Ssi-ruuk mimt.
BAKURA leidet an einem typischen Science Fiction-Problem, nämlich dem Bestreben mangelnde "Darstellerleistungen" durch "Spezialeffekte" zu kaschieren und damit eine nicht so fesselnde Handlung, uninteressante Charaktere und dergleichen zu überdecken. Was in den frühen 90ern vielleicht noch funktionierte, über 20 Jahre danach wirken die Ideen lange nicht mehr so zugkräftig die zeitlosen Makel zu übertünchen.
- Resümee -
TRUCE AT BAKURA ist kein Star Wars Roman den man gelesen haben muss. Er ist bestenfalls mittelmäßig (was erschreckend viel über die Durchschnittsqualität von Star Wars Romanen verraten könnte) und bleibt einem durch sehr wenig positiv in Erinnerung. Prädikat: Dutzendware. Kathy Tyers tut einem sogar noch den Gefallen, dass der Roman wenig weltbewegendes in das Expanded Universe eingebracht hat und tatsächlich ignoriert werden kann.