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Henry De Tamble, Bibliothekar und Lebenskünstler, staunt nicht schlecht, als eine bildhübsche Frau namens Clare Abshire ihn anspricht und mit ihm gleich ohne ein längeres Gespräch ein Date vereinbart. Henry, verkatert und unrasiert, versteht nicht, warum die Frau, die ihn offensichtlich zu kennen scheint, hinter ihm her ist? Sein Äußeres kann es nicht sein, und sein Inneres kennt sie nicht, oder? Nun, Henry kommt sehr schnell hinter das Geheimnis, denn das kann nur mit seinen Problemen mit der Zeit zusammenhängen. Immer wieder reißt es ihn aus der Gegenwart und schleudert ihn in die Vergangenheit oder auch - seltener - in die Zukunft. Mit seiner Vermutung, dass ein älteres Selbst Clare in der Vergangenheit begegnet, trifft er ins Schwarze. Tatsächlich haben sie sich etliche Male getroffen und unsterblich ineinander verliebt. So beginnt für Clare und Henry ein gemeinsames Leben. Doch Clare muss damit zurecht kommen, dass Henry immer wieder in den unmöglichsten Situationen und vor allem, wenn er unter Stress steht, verschwindet.
Der Roman schreitet im Prinzip chronologisch mit Clares Alter fort. Die Geschichte beginnt mit der ersten Begegnung zwischen Henry und Clare (aus Henrys Sicht - Clare kannte ihn ja zu diesem Zeitpunkt schon; Henry ist zu diesem Zeitpunkt 28 und Clare 20) und setzt dann dort an, als Clare zum ersten Mal Henry im Alter von sechs Jahren begegnet. Nachdem die Lücke bis zu der Szene in der Bibliothek geschlossen ist, schreitet die Erzählung fort, und man erfährt, wie beide heiraten und ihr gemeinsames Leben trotz der Widernisse planen.
Der Roman wird in der Ich-Form im Wechsel aus der Sicht von Clare und Henry erzählt. Wer gerade erzählt, wird ebenso zu Beginn eines Abschnitts angegeben wie das Alter der Protagonisten. Beide Angaben sind für den Roman unbedingt notwendig, denn sonst wäre alles doch zu verwirrend.
Es mag seltsam klingen, aber obwohl die Zeitreisegeschichte eindeutig ein SF-Thema ist, kann man diesen Roman nur bedingt als SF-Werk bezeichnen. Das liegt zum einen daran, dass die Beziehung von Clare und Henry ganz stark im Mittelpunkt steht und nicht die Zeitreisen, auch wenn sie der Aspekt sind, der den Roman so interessant macht. Und dann ist da noch die Art und Weise, wie Audrey Niffenegger diesen Roman verfasst hat: Das Werk ist durch und durch amerikanisch - komplett mit Hochzeit, Familienfesten und Geheimnissen in der Verwandtschaft. Doch das bedeutet nicht, dass man als Freund der Phantastik einen Bogen um diesen Roman machen muss.
Das Spiel mit den Zeitreisen versteht ebenso anzusprechen wie die Beschreibungen der Beziehungen zwischen Clare und Henry. Das Buch weist sehr humorvolle Szenen auf, als Henry sich selbst begegnet; oder die Hochzeitsszene, in der Henry krampfhaft versucht, trotz des Stresses nicht zu verschwinden. Doch es gibt auch tragische Passagen, wenn beispielsweise Henry davon erzählt, wie er seine Mutter verlor. Audrey Niffenegger ist Professorin und legt mit diesem Roman einen sehr gelungenen Grundstein für eine hoffentlich noch lange Schriftstellerkarriere. Der gefühlvolle Roman kann durchaus auch einem Freund der Phantastik ans Herz gelegt werden, solange dieser kein Problem mit amerikanischen, tragikomischen Romanen hat. Die sehr komplexe Geschichte wird von Autorin Audrey Niffenegger gut strukturiert erzählt und bietet gute Unterhaltung.
Das Hörbuch nun ist eine ungekürzte Fassung, die von zwei Sprechern vorgetragen wird: William Hope spricht die Passagen, die aus Sicht von Henry erzählt werden, und Laurel Lefkow die Passagen von Clare. Die Entscheidung, das Ganze so zu machen, war sehr gut, denn so wird die Liebesgeschichte der beiden noch intensiver, und der Zuhörer ist mitten in der Geschichte ob dieses emotionalen Vortrags. Sicher stellt sich die Frage, wie ein Vorleser eine Geschichte interpretieren wollte, aber an dieser Umsetzung gibt es wenig auszusetzen, und beide Sprecher machen ihre Sache sehr gut. Der ständige Wechsel zwischen Clare und Henry kommt sehr gut heraus, und es fällt leicht, sich in beide Personen einzufühlen. Ein wenig amüsant sind die Stellen, in denen William Hope versucht, die deutschen Rilke-Zitate im Buch zu rezitieren, und man hat schon Mitleid mit dem Armen, der sich dabei fast die Zunge bricht.
Dies ist nun das zweite Mal, dass ich mich mit dem Stoff beschäftige, und bereits beim ersten Mal hatte ich das Buch auf Englisch gelesen. Ich muss sagen, dass mir das Buch bei der zweiten Lektüre fast noch besser gefallen hat. Das mag zum einen an der ausgezeichneten Hörbuchumsetzung liegen, aber auch an der brillanten Erzählweise bzw. an dem herausragenden Lektorat des Romans, denn die Geschichte hätte, wenn sie falsch erzählt worden wäre, ihren ganzen Charme verlieren und in die Mittelmäßigkeit rücken können. So kam aber ein Bestseller heraus, der sogar mich ansprechen konnte (normalerweise habe ich so meine Probleme mit den banalen, massenkonformen Bestsellergeschichten).
9 von 10 Punkten