Serie / Zyklus: Das Buch der Neuen Sonnen - Band 1+2 Eine Besprechung / Rezension von Andreas Muegge |
Gene Wolfe beschreibt die Erde (oder Urth) in ferner Zukunft kurz vor dem Erlöschen der Sonne. Der Ich-Erzähler ist Severian, ein Angehöriger der Gilde der "Torturer" (dt. Folterer, Folterknecht), der zurück auf sein Leben blickt. In jungen Jahren hilft er einer "Klientin" beim Selbstmord, was strengstens verboten ist und ihn zu einer Reise nach Thrax führt, wo er fortan fernab von seinen Gildenbrüdern seinem Beruf nachgehen soll. Auf der Reise nach Thrax erlebt er ungewöhnliche Abenteuer und lernt viele Leute kennen. Manche werden seine Freunde, andere werden zu Feinden. Am Ende des zweiten Romans ist er seinem Ziel näher gekommen, aber bis nach Thrax ist es immer noch ein gutes Stück.
Das Buch ist alles andere als leicht zu lesen, aber dafür wird man reichlich belohnt. Gene Wolfe kann sehr gut mit der Sprache umgehen und nutzt sie, um eine beeindruckende Atmosphäre mit farbigen Charakteren zu schaffen. Die Handlung verweilt an zauberhaften Orten von denen man noch nicht einmal im Traum geahnt hätte, dass sie existieren. Die Zitadelle, in der Severian aufwächst, wird so echt beschrieben, dass man die kühlen Mauern förmlich spüren kann, hinter denen die Gefangenen auf ihr Urteil warten. Während sich der erste Teil noch wie ein Fantasy Roman liest, wird im zweiten Teil immer deutlicher, dass es eher in die Richtung SF geht. Viele Dinge sind nicht so wie sie auf den ersten Blick zu sein scheinen und die alten Legenden sind schwer zu verdauen.
Als Folterer hätte Severian der typische Antiheld sein können. Die meisten Menschen betrachten ihn mit einer Mischung aus Argwohn, Bewunderung und Abscheu und durch seine Berufskleidung vereinigt er schnell die Aufmerksamkeit auf sich. Für Severian ist das Leben aber völlig normal und Gene Wolfe schafft es, genau diesen Eindruck zu vermitteln. Er nimmt die Ideale und den "Beruf" ernst, tief in seinem Inneren schlummert aber auch die Sehnsuch nach Liebe und er philosophiert über die .
Die Charaktere im Buch sind sehr gut ausgearbeitet und haben eine Tiefe, die man häufig vermisst. Das gilt nicht nur für Severian sondern auch für die anderen Personen, denen man im Laufe der Reise begegnet. Häufig verbergen sie Geheimnisse, die im Laufe der Geschichte nach und nach gelüftet werden. Sehr gut gefallen haben mir die Frauen, sie sind nicht einfach nur oberflächliche Anhängsel sondern spielen eine wichtige Rolle.
Es gibt eigentlich nur zwei kleine Kritikpunkte. Gene Wolfe erzählt die Geschichte rückblickend und als Leser wird man ein wenig zu häufig daran erinnert. Dadurch wird ein wenig der Erzählfluss gestört, was nicht nötig gewesen wäre. Zweitens ist der Übergang zwischen den ersten beiden Teilen sehr abrupt, die Geschichte geht nicht nahtlos weiter sondern setzt etwas später ein. Dadurch hatte ich am Beginn des zweiten Teils Probleme, mich zu orientieren.
Schwamm drüber, The Book of the New Sun ist ein Meisterwerk, das mir lange in Erinnerung bleiben wird und das man immer wieder lesen kann. Von der Sprache konnten mich nur John C Wright oder Jeff Vandermeer ähnlich begeistern - ich freue mich schon auf die abschließenden beiden Teile!
Wertung: 7 / 7 Eine vielschichtige Serie voller Fantasy und Anspielungen, die sich erst bei mehrmaligem Lesen erschließen
November, 2004
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