Titel: Tausend Jahre Stille Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Die zwölfjährige Gorli hat eine große Begabung: Sie hört sehr gut und genau und kann zudem das Gehörte, die einzelnen Geräusche, mit ihrer Stimme nachahmen. Glücklich lebt sie mit ihren Eltern in einer Stadt am Meer und lernt mit Pedro einen gleichaltrigen Freund kennen, mit dem sie erste zarte Gefühle der Liebe verbinden.
Dann bricht jedoch die Katastrophe über die Menschen herein. Nach und nach verschwinden einzelne Geräusche und verstummen: zuerst das Rauschen der Blätter in den Bäumen, die Vögel, der Wind, das Wasser aus den Leitungen ... Erst Unruhe und dann immer größere Panik breitet sich unter der Bevölkerung aus. Besonders Banküberfälle scheinen sich zu häufen, der Rettungsdienst kann kaum mehr arbeiten. Gorli findet noch Trost bei Knut, dem Fischer, dem sie sich zusammen mit Pedro anvertraut. Aber auch dieser ist zunehmend vereinnahmt durch das Fehlen einzelner Töne im uns täglich umgebenden Geräuschteppich. Dann verschwindet Pedro auf einmal, entführt von einer Gorli unbekannten Person. Auch Miguel kann hier nicht helfen. Der Moderator einer bekannten Talkshow will jedoch Kapital aus dem Unglück und Gorlis Talent schlagen und beginnt sie für seinen Fernsehsender zu vermarkten.
Als auch noch Knut spurlos verschwindet, bricht Gorli auf, um beide zu suchen, und entdeckt dabei Ohraxus, einen von der Welt zutiefst verbitterten Menschen, der mit allem abgeschlossen hat und nur noch daran denkt, alle anderen für sein unglückliches Leben verantwortlich zu machen und leiden zu lassen. Gorli begibt sich mehr oder weniger freiwillig in seine Hände und lernt die erschütterten Hintergründe von Ohraxus' Vergangenheit kennen. Und sie erfährt von ihm das Geheimnis von Goldmund, dem Speicher aller eingefangenen Geräusche.
Kann Gorli die Welt retten, indem sie die Geräusche wieder befreit, und findet sie ihre Freunde Pedro und Knut wieder?
Eva Severini-Meszaros wandelt in diesem Roman auf den Spuren Michael Endes. Anleihen zu seinen bekannten Romanen "Momo" und "Die unendliche Geschichte" sind klar zu erkennen. Wird jedoch bei ihnen die Zeit oder die Phantasie zum raren Gut auf der Menschenwelt, so fehlen hier die Geräusche. Diese sind, ohne dass wir uns dessen bewusst werden, nicht nur die Grundlage jeder Kommunikation, sondern auch das Netz, in das wir uns jeden Tag legen. Wir lassen uns leiten von Geräuschen der Natur, lassen unsere Stimmung dadurch beeinflussen. Geräusche der Technik helfen uns, geben uns Orientierung im modernen Alltag und unsere selbst erzeugten Geräusche wie der Herzschlag geben unseren körperlichen Zustand wieder. Ohne diese würde alles zusammenbrechen und Frau Severini-Meszaros geht in ihrer Schilderung des Chaos noch sehr freundlich mit der Welt ins Gericht. Im Allgemeinen ist der Roman sprachlich auf junge Teenager ab 12 Jahren ausgelegt. Thematiken wie die erste Liebe und die Selbstfindung in der Welt sind gerade Bereiche, die in der Pubertät wichtig sind und in "Tausend Jahre Stille" entsprechend behandelt werden. Mit dem Charakter Ohraxus wird die Angst vor Ablehnung deutlich gemacht und auch deren Überwindung. Zwar wirkt das Happyend im Roman etwas wie mit der Brechstange herbeigeführt und gerade das letzte Drittel des Buches ist im Vergleich zum Rest eindeutig schwerer zu lesen, da diverse metaphysische Elemente zum Vorschein kommen, doch unterm Strich werden sich vor allem heranwachsende Mädchen mit den Protagonisten identifizieren können und stellen wahrscheinlich auch die richtige Zielgruppe dar. Als Geschenk für Tochter oder Enkelin ist "Tausend Jahre Stille" ein guter Tipp, sprachlich kann das Kind dem Buch viel abgewinnen und auch das Unterhaltsame kommt nicht zu kurz.
Meine Bewertung: 8 von 10 Punkten
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