Serie: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rainer Skupsch |
Der erdähnliche Planet Target besitzt praktisch keinerlei Fauna und sein einziger Kontinent besteht ausschließlich aus einer großen, kargen Steppenlandschaft. Besiedlungsversuche scheiterten schnell an der rauen Umwelt, aber trotzdem bleibt die Welt aus mehreren Gründen für das sogenannte "Syndikat" (eine Mischung aus Riesenkonzern und Sternenreich) interessant: Erstens benutzt dessen Militär Target als Testgelände zur Erprobung seiner planetaren Waffensysteme, die es für den nicht enden wollenden Krieg gegen die Konkurrenten des Syndikats, die "T'sai", benötigt, und zweitens ist da noch "der Wald", ein Gebiet von der Größe der Iberischen Halbinsel, das gänzlich von einem dichten Dschungel bedeckt ist. An seinen Rändern ist es "wie mit einem Messer vom Umland abgegrenzt" (S. 12). Zur Mitte hin steigt sein Terrain stetig bis zu einer Höhe von 5000 Metern an und bildet dort einen Krater, dessen Grund wiederum erst auf Meereshöhe erreicht ist.
Diesen Krater soll nun eine wissenschaftliche Expedition erforschen, bestehend aus einem 60 x 20 m großen Raumschiff vom Typ "Atmosphärentaucher" mit seiner fünfköpfigen Besatzung. Zu dieser gehören die "VED" [ein nicht weiter erklärter Begriff, dessen Bedeutung mir unklar blieb - Absicht des Autors oder meine Ignoranz?], eine künstliche Intelligenz, die die Menschen und die Technik der Mission überwacht, sowie die Forscher George, Benjamin, Sabrina und Tatjana. Expeditionsleiter ist dabei George, der in einer früheren Karriere Jagdpilot beim Militär war und im Krieg gegen die T'sai gekämpft hat.
Eigentlich soll das Schlachtschiff, das die Wissenschaftler nach Target transportierte, gleichzeitig mit dem Taucher einen Kommunikations-Radiosatelliten absetzen. Als die Expedition jedoch in den Krater hinabsinkt, bemerkt die KI, dass keine Verbindung zu dem Gerät möglich ist. Damit beginnt eine lange Reihe von Fehlschlägen, die das Unternehmen letztlich katastrophal scheitern lassen...
Bei der Lektüre von Target fällt gleich positiv die sprachliche Sorgfalt auf. Hammerschmitt kommt ganz ohne forcierte Dramatik und schräge Metaphorik aus. Gleichzeitig ist der Stil aber auch nüchtern und knapp. Das mag daran liegen, dass der Ich-Erzähler eine KI ist, ein wandelnder Computer mit einprogrammiertem menschlichem Psychoprofil. Auf jeden Fall wirkte der Roman auf mich wie eine unbelebte Konstruktion. Spannung kam schon deshalb nicht auf, weil der Erzähler sämtliche Wendungen des Plots im Voraus ankündigte. Dass die Expedition desaströs enden würde und die KI die Geschichte erzählt, während sie auf Target wartet - entweder auf ihren 'Tod' durch Energiemangel oder auf ihre schließliche Rettung -, erfährt der Leser schon auf den allerersten Seiten.
Dieser Erzähltrick ist nun an sich nichts Ungewöhnliches, wenn der Autor statt der Spannung einen anderen Aspekt seiner Story in den Mittelpunkt rücken möchte, z.B. die Charaktere. Die handelnden Personen in Target entwickeln jedoch leider nie ein Eigenleben. George ist das Abziehbild des cholerischen Soldatenrambos, den man besser in eine psychiatrische Klinik denn in ein Raumschiff hätte stecken sollen (Zufall - oder Absicht der Einsatzleitung?). Die KI ist die Maschine, die nachts träumt und auch tagsüber kleine menschliche Eigenheiten sowie einen gewissen Sinn für Ironie entwickelt. Über die anderen drei Forscher erfährt man fast nichts: Benjamin ist durchgehend ruhig und introvertiert, wodurch er der KI besonders ans Herz - oder die Schaltkreise - wächst (eine Vorliebe, für die die Programmierer gesorgt haben?); und von Sabrina und Tatjana erfährt man nur, dass die eine dünn und die andere dick ist.
Marcus Hammerschmitts Buch bietet vieles gleichzeitig: ein bisschen 'Galaktische Imperien' und 'Künstliche Intelligenz', ein Häppchen 'Öko-Rätsel' und 'Politische Intrige', und obendrauf gibt es noch einen Klecks 'Militarismus'. Wirkliche Bedeutung erlangt aber nichts von alledem. Es wird bis zum Ende nicht klar, warum die Geschichte auf 116 Textseiten erzählt werden musste. Ich habe kürzlich von Hammerschmitt die sehr ähnliche Erzählung "Canea Null" gelesen, in der er mit einem Fünftel der Worte genauso viel erreicht wie mit diesem Kurzroman. Weniger wäre mehr gewesen.