Reihe: Star Wars: The Old Republic, Band 2 Titel: Betrogen Originaltitel: Deceived Autor: Paul S. Kemp Übersetzer: Jan Dinter Buch/Verlagsdaten: Panini Books, Juli 2011, 315 Seiten, broschierte Ausgabe, SBN-13: 978-3833222498 Eine Rezension von Mario Pfanzagl (weitere Rezensionen von Mario Pfanzagl auf fictionfantasy finden sie hier) |
Wer von DECEIVED ein Kopfkinospektakel mit Raumschlachten und detailreich inszenierten Gefechten wie in FATAL ALLIANCE erwartet, wird wohl etwas enttäuscht werden. Paul S. Kemps THE-OLD-REPUBLIC-Roman beschäftigt sich vor allem mit dem Fall Darth Malgus, vom Eroberer Coruscants zum verbitterten "second-tier Sith Lord", der sich schlussendlich mit einem Posten als Leiter einer Expedition in die Unknown Regions zufrieden stellen muss. DECEIVED erzählt die Geschichte, wie es dazu kam, und wer dieser Sith Lord überhaupt war, der im Trailer Deceived mit der Zerstörung des Jedi-Tempels Eindruck machte. Dass er im Zuge dessen einen mächtigen Jedi-Meister niedergestreckt hat, soll ihm im Roman schließlich zum Verhängnis werden, wenn sich dessen Schülerin an die Fersen des Sith heftet, um ihren Meister zu rächen. Als aus der Masse der Star-Wars-Romane hervorragend erweist sich DECEIVED vor allem aufgrund der überaus gelungenen Charakterzeichnung Paul S. Kemps, der es fertiggebracht hat, authentische Charaktere zu schaffen, denen man ihre Rolle auch abnimmt.
~~~ Detailfassung ~~~
Während Republik und Imperium auf Alderaan in Verhandlungen um einen möglichen Waffenstillstand vertieft sind, gelingt den Sith das Unglaubliche - Coruscant fällt und unter der Führung Darth Malgus legen die imperialen Truppen den Jedi-Tempel in Schutt und Asche. Noch in diesen Stunden des galaxisweiten Schocks schwört Jedi-Ritterin Aryn Leneer Rache, denn es war ihr Meister, der im Jedi-Tempel zum bedeutendsten Opfer Malgus wurde. Unter Blockade gestellt, ist Coruscant nun jedoch vorerst unerreichbar, selbst für die Schmuggler der Exchange. Nach einem gescheiterten Deal bietet sich für den ehemaligen republikanischen Commando Zeerid "Z-Man" Korr allerdings die einmalige Chance, seine Schulden bei der Exchange ein für allemal zu tilgen, gelingt es ihm eine Ladung Spice an der imperialen Blockade vorbei nach Coruscant zu schmuggeln. Doch genau diesen Deal wollen die Hutts, die schon lange gegen die Vorherrschaft der Exchange im Spicegeschäft aufbegehren, sabotieren und setzen eigens Kopfgeldjäger Vrath Xizor auf Korr an, der zugleich der einzige Mensch ist, der Aryn Leneer zu ihrer Rache verhelfen könnte ...
Wer sich von Paul Kemps DECEIVED eine an die DARTH-BANE-Romane Drew Karpyshyns erinnernde Biographie Darth Malgus erwartet hat könnte enttäuscht sein, denn vor allem vom Vorleben des Sith Lords erfährt man nicht allzu viel. Was Malgus Lebensgeschichte betrifft, so erfährt man vor allem, wie es kam, dass der Eroberer Coruscants, der den Jedi-Tempel sprichwörtlich niederbrannte, sich schlussendlich mit einem Kommando über eine Expedition in die Unbekannten Regionen zufrieden geben musste. Es stehen also weniger Malgus Weg zur Machtals vielmehr sein "politischer" Absturz vom Höhepunkt seiner Karriere und eine gewisse ideologische Radikalisierung im Mittelpunkt der Erzählung. Sith-Freunde werden an Malgus durchaus ihre Freude haben, auch wenn er sich das Rampenlicht mit Schmuggler Zeerid Korr (eine Verwandtschaft zum Jedi-Knight-3-Protagonisten Jaden Korr, der auch die Hauptrolle in zwei von Kemps Star-Wars-Romanen spielt, ist nicht auszuschließen) und Jedi-Ritterin Aryn Leneer teilen muss, deren Leben durch den Fall von Coruscant eine dramatische Wende erfährt.
Die Geschichte, die Paul S. Kemp mit DECEIVED erzählt, steht in der Tradition der Werke von Autoren wie Steve Perry oder Michael Reaves und gerade das Katz-und-Maus-Spiel weckt sehr positive Erinnerungen an Reaves Darth-Maul-Roman SHADOW HUNTER, während die Einbeziehung der Exchange und ihres Wettstreits mit den Hutts Bezüge zu Steve Perrys Faible für die galaktische Unterwelt und insbesondere die Schwarze Sonne aufweist. Doch primär erzählt Kemp wie Reaves und Perry für gewöhnlich eine Geschichte über vergleichsweise "kleine Leute", die in den Mahlstrom weltbewegender Ereignisse geraten sind und trotz teils ikonischer Bedeutung für die stattfindenden Umwälzungen (wie Malgus, der immerhin Eroberer Coruscants ist) doch sehr wenig Einfluss auf den Verlauf der Dinge haben. Die kurzzeitige Besetzung des Planeten selbst dient allerdings nur als Kulisse, wenn auch eine sehr detailreiche. Wer sich jedoch ein an manche Romane der X-Wing oder Erbe-der-Jedi-Ritter-Zyklen erinnerndes Spektakel erwartet, sollte seine Erwartungen etwas zurückschrauben; Kemps Interesse galt weniger den Details der Besatzung als vielmehr der Geschichte seiner drei Hauptcharaktere.
- Protagonisten und ihre Motive -
Genau genommen ist DECEIVED vor allem eine Geschichte, die sich anschickt, den ersten zu Biowares Vorzeige-Projekt THE OLD REPUBLIC erschienenen Cinematic Trailer namens Deceived auszuschmücken und um eine eigenständige Story mit Darth Malgus zu ergänzen. Malgus, dessen physische Entstellung im zweiten Cinematic Trailer Hope (über die Befreiung Alderaans und das Aufeinandertreffen Malgus mit der damaligen Jedi-Ritterin Satele Shan) ihren Anfang genommen hat, mag zwar rein äußerlich wie ein Aufguss Darth Malaks wirken, steht ideologisch allerdings eindeutig Möchtegern-Sith Lord Darth Caedus näher, nur dass die darwinistisch angehauchte Idee, dass die Macht Konflikte braucht, damit die Starken überleben und ein besseres Verständnis der Macht und ihres Willen erlangen, bei ihm in Kombination mit der Bereitschaft, "den Schmerz zu umarmen", glaubwürdiger und weniger gezwungen wirkt. Bei Malgus, der im Imperium aufgewachsen ist und schon als Heranwachsender eine Twi'lek-Dienerin ermordete, weil diese ein Verbrechen im Haushalt seines Stiefvaters begangen hatte, wirkt diese Ideologie in Kombination mit der eben angedeuteten "troubled childhood" zumindest authentischer. Oberflächlich mag Malgus zwar dem üblichen Klischee des Sith-Kriegers oder hirnlosen Schlägertypen entsprechen, doch wie schon in seinem Debüt CROSSCURRENT gelingt es Paul S. Kemp, seine Protagonisten in wenigen Worten und ohne sich in seitenlangen Kindheitserinnerungen zu ergehen, mit starken und überzeugenden Motiven auszustatten.
Ähnlich überzeugend wirkt der Antrieb Zeerid Korrs, der nicht nur reichlich Schulden bei der Exchange angesammelt hat, sondern auch noch eine Tochter zu versorgen, die bei einem Hovercarunfall beide Beine und ihre geliebte Mutter verloren hat. Seitdem hat es sich der Ex-Soldat zur Aufgabe gemacht, alles ihm Mögliche zu tun, um seiner Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen und vielleicht eines Tages kybernetische Beinprothesen zu verschaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist er nur zu gerne bereit, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen und selbst die gefährlichsten Jobs anzunehmen. Von einem starken Antrieb beseelt ist auch Aryn Leneer, die Korr noch aus dessen Zeiten als Elitesoldat kennt und vor allem aufgrund seiner Fähigkeiten als Pilot schätzt. Als Machtempathin war sie sprichwörtlich "live" dabei, als Malgus den Jedi-Tempel überfiel und vor allem ihren Meister niederstreckte, der für sie zu einem wahren Ersatzvater geworden war. Diese starke emotionale Bindung und die ohnehin bestehenden Ressentiments gegenüber der galaktischen Politik und den Sith sorgen zusammen mit dem Fakt, dass sich die gesamte Handlung innerhalb weniger Tage abspielt, dafür, dass Aryns dem Jedi-Kodex so sehr widersprechender Rachedurst frisch genug bleibt, dass man ihr die Verzweiflungstat, alleine und gegen ihre Befehle nach Coruscant aufzubrechen, um sich bitter am ihr zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Darth Malgus zu rächen, auch abnimmt.
Die wohl schwächste Motivation für sein Handeln hat noch Vrath Xizor, der als ehemaliger imperialer Sniper und nunmehriger Kopfgeldjäger für die Hutts Jagd auf "Z-Man" Korr machen soll und sich dabei dem fast anständigen Credo "one shot, one kill, no collaterals" verpflichtet fühlt. Mit dem Geld, das die Hutts ihm versprochen haben, will sich Xizor jedenfalls zur Ruhe setzen, zumal er schon die beste Ausrüstung zu besitzen scheint, immerhin machen ihn seine kybernetischen Implantate zu einem mehr als fähigen Gegner. Malgus Geliebte und Sklavin Eleena erfüllt wiederum vorwiegend den Zweck, für ihren Sith Herrn die Stimme seines längst nicht mehr existenten Gewissens zu sein. Ihre Bereitschaft, dennoch an "Veraduns" Seite auszuharren, lässt sich nur mit einer Mischung aus aufrichtiger Liebe und anerzogener Gehorsamkeit erklären.
- Unstimmigkeiten, Klischees und andere Makel -
Da sich DECEIVED zeitgleich mit einigen Ereignissen des THREAT-OF-PEACE-Webcomics bewegt, gibt es außerdem einige "Gastauftritte" aus diesen schon bekannter Gesichter, wie Meisterin Dar'Nala, Senator Am-Ris oderLord Baras und Angral. Während Dar'Nalas Rolle bei den Verhandlungen auf Alderaan stark an die großer Jedi-Unterhändler und auch politisch einflussreicher Jedi-Meister wie Yoda erinnert, was durchaus zu ihrer Darstellung im Webcomic passt, entpuppt sich Lord Angral, der im Comic noch als hitzköpfiger Haudrauf-Sith wirkte, plötzlich als politischer Ränkeschmied, der Malgus Einwänden, man hätte Coruscant verheeren und nicht bloß einen kurzen Besuch abstatten müssen, nichts abgewinnen will. Stattdessen reden sich Angral und sein Günstling Adraas auf die Anweisungen des Dunklen Rats und des Imperators heraus und scheinen mit dem Vorgehen einverstanden, da es ja ihre Karrieren nicht sonderlich berührt und nur Malgus der ideologische Fanatiker ist, der ein Bombardement Coruscants als Willen der Macht angesehen hätte.
Möglicherweise verbirgt sich hinter dieser kleinen Unstimmigkeit aber auch ein stilistisches Problem Paul S. Kemps, der schon in CROSSCURRENT zu vergessen zu haben schien, dass Jaden Korr in JEDI KNIGHT 3 mit einer bunten Schar Sith-Kultisten und dem Geist Marka Ragnos zu tun hatte, über die er trotz passenden Anlasses aus unerfindlichen Gründen kein Wort verliert. Bemäkeln lässt sich auch, dass gerade Aryns zielstrebige Suche nach Zeerid äußerst konstruiert wirkt, als müsste sie gar nicht wirklich darüber nachdenken, wie sie nach Coruscant gelangen könnte. Eine andere derartige Kleinigkeit ist auch das "Schadensmodell", welches Kemp in DECEIVED angewandt hat; die Heilkräfte des Wunderheilmittels Kolto in allen Ehren, aber selbst die gröberen Verletzungen scheinen nach einem Szenenwechsel einfach zu verpuffen, was natürlich auch daran liegen kann, dass diese Reminiszenz als Hommage an das MMORPG gedacht ist, indem Verletzungen (anders als noch in Biowares Dragon Age: Origins) nur temporäre Verluste an Gesundheitspunkten sein dürften. Schon mehr ins Auge sticht jener selbst für Machtbenutzer unwahrscheinlich wirkende Stunt, bei dem Aryn und ihr Pilot hoch über dem Himmel Coruscants aus einem abstürzenden Schiff springen und scheinbar nur mit Hilfe der Macht wiederum verletzungslos eine wenn auch harte Landung hinlegen. Unerheblich wirken dagegen schon manchmal Fragen der Kontinuität der Ereignisse bzw. der inneren Chronologie des Romans, wenn sich manche Handlungsstränge zeitweise schneller zu bewegen scheinen als andere oder auch, wenn manche Reisezeiten gar überraschend kurz ausfallen.
Trotz dieser gelegentlichen Irritationen ist es Kemp gelungen, eine lesenswerte Geschichte zu schaffen, die beweist, dass man um Charakteren Tiefe und glaubwürdige Motive zu verleihen, schon mit wenigen eindeutigen Zeilen auskommen kann. Kemp mag zwar so manche Klischees bemüht haben (Ex-Militärs die sich in der Unterwelt verdingen, eine vom Weg abgekommene Jedi und ein Sith Lord, der alles brennen sehen möchte), doch wenigstens bemüht er sich, seinen Charakteren mehr Kontur zu verleihen. So hat Zeerid Korr den militärischen Drill derart verinnerlicht, dass er auch noch als Schmuggler Militärrationen verspeist und im Cockpit bei den üblichen Checks Selbstgespräche führt. Korr ist zwar Schmuggler, aber kein liebenswert-reuiger Schurke à la Han Solo (seit Greedo zuerst geschossen hat und das EU sich danach richten musste), sondern ein getriebener Einzelgänger und tief im Inneren trotz allem noch Soldat, was sein Unwohlsein mit dem Drogenbusiness und auch die Loyalität gegenüber seiner einstigen Vorgesetzten und Kampfgefährtin Aryn Leneer erklärt.
- Resümee -
Tatsächlich ist DECEIVED mehr noch als ein Buch zum Game ein Buch zum Trailer, wobei sich Paul S. Kemp nicht die Mühe macht, Darth Malgus Lebensgeschichte von vorne aufzurollen oder die Plünderung Coruscants bis ins Detail aufzuarbeiten, sondern den ikonischen Sith Lord zum Dreh- und Angelpunkt einer Geschichte um Rache, Liebe, und Hoffnung in der düstersten Stunde der Republik erhebt. Und es überrascht auch nicht, dass sich die Protagonisten altersmäßig in jenem Bereich bewegen, der auch als Zielgruppe der künftigen THE-OLD-REPUBLIC-Spielergemeinde entsprechen dürfte. Trotz kleinerer Mängel ist es Kemp durchaus gelungen, eine spannende Geschichte zu erzählen, die sich vor allem durch die sehr authentischen Charaktere auszeichnet, von denen im Grunde nur Malgus die Ereignisse des Romans auch überleben muss, um in TOR noch seine Rolle spielen zu können. Am ehesten lässt sich DECEIVED noch mit Michael Reaves Darth-Maul-Roman SHADOW HUNTER vergleichen, wobei sich Paul Kemp ganz in der von Reaves und Steve Perry begründeten Tradition von Geschichten im Schatten der großen galaktischen Umwälzungen bewegt. Den Abschluss des Hardcovers bildet übrigens eine ungewöhnlich umfangreiche Vorschau auf FATE OF THE JEDI, die nicht nur eine Leseprobe des ersten Bandes OUTCAST enthält, sondern auch Kurzbiografien der Protagonisten und eine kurze Zusammenfassung des Zustands der Galaxis nach der Yuuzhan-Vong-Invasion und dem letzten Galaktischen Bürgerkrieg.
Fazit:
Wer die Star-Wars-Romane Steve Perrys und Michael Reaves schätzt, dürfte auch mit Paul S. Kemps DECEIVED glücklich werden, die Charakterzeichnung ist jedenfalls hervorragend gelungen.