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Titel: Stunde Null Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Michael Greens Apokalypsenthriller "Stunde Null" kann man thematisch leicht in drei verschiedene Bestandteile aufgliedern:
1. Ein aus Asien kommendes, mutiertes SARS-Virus greift um sich und breitet sich rasend schnell zu einer globalen Pandemie aus. Mark Chatfield, gerade von einem Familienbesuch aus London in Richtung Neuseeland unterwegs, kann den Ausbruch der Krankheit während seines Fluges beobachten. Als sie den Flughafen von Auckland erreicht haben, ist seine Frau - zusammen mit einem Großteil der anderen Passagiere - tot. Immer grössere Opferzahlen bringen die gewohnte Gesellschaft zum Auseinanderbrechen. Organisierte Strukturen wie Polizei, Gesundheitswesen oder auch Militär lösen sich stetig auf und hinterlassen ein schreckliches Chaos. Die wenigen Überlebenden versuchen mit verzweifelter Kraft sowohl der Krankheit, als auch den Unruhen in den Städten und der damit eingehenden Plünderungen zu entgehen. Doch nach und nach infizieren sich so gut wie alle Menschen - und sterben.
2. Nur die Familie von Mark Chatfield sowie seine Blutsverwandten können der Apokalypse, dem Supervirus entkommen. Offenbar schützt ein Gen, das in ihrem Stammbaum von Generation zu Generation weitergegeben wird, vor einer Ansteckung bzw. dem Ausbruch der Krankheit. Chatfield lässt sich mit seinem Clan an einer Bucht nieder und beginnt, aus den Trümmern der Zivilisation eine Oase einer neuen Menschheit zu gestalten. Nur wenige andere Menschen sind noch unterwegs, sie schützen sich durch permanentes Filtern der Atemluft. Einer dieser Streuner vergewaltigt die Tochter von Chatfield, dadurch wird jedem Leser noch einmal deutlich die Gefährlichkeit der gegenwärtigen Situation klargemacht. Zudem beginnt Chatfield sich über den Fortbestand der menschlichen Rasse Gedanken zu machen. Nur mit diesem einen Familienzweig ist der Genpool zu klein, Inzest wäre die Gefahr, ein Aussterben die logische Folge. Aber es gibt ja in England einen weiteren Zweig seiner Verwandtschaft! Kurzentschlossen machen sich Chatfield und zwei seiner Söhne auf, die weite Strecke mit dem Segelschiff zu überwinden, um einen Familienbesuch abzuhalten...
3. In England finden sie dieselbe Zerstörung und menschenleere vor, wie in Neuseeland. Nur in der Nähe seines Heimatdorfes können sie eine belebte Burg ausmachen. Natürlich sind es Mitglieder seiner Familie - die sich nun allerdings in einer prekären Lage befinden. Drei seiner Verwandten haben sich brutal zu den Herren über die anderen aufgeschwungen und freuen sich über jede Art der Unterdrückung, die sie den anderen antun können. Auch Chatfield wird gefangen genommen und muss am eigenen Leib erfahren, dass Folter mittlerweile zu einem aktiven Mittel der Unterstreichung von Argumenten zählt. Langsam, aber sicher beginnt er mit der Bildung eines Widerstandes...
Was wollte uns Michael Green mit diesem Buch mitteilen? Sollte es eine Dystopie, ein Katastrophenthriller oder ein Familienroman werden? Leider ist der Roman von allen etwas und wirkt dadurch sehr künstlich zerstückelt. Die vom Klappentext animierten Leserschichten werden wohl zu einem großen Teil entäuscht sein, wenn sie in die zweite Hälfte des Buches eintauchen. Statt Überlebenskampf geht es nun um einen bösen Onkel und dessen missratene Brut. Die möglichen dystopischen Elemente, die man auch hier unterbringen hätte können - Ideen hätte der Autor in seinem text genug geliefert - werden allesamt zugunsten des Familienzwists geopfert. Insofern ist es nur konsequent, wenn man als ausdauernder Leser mit einem recht abrupten Ende konfrontiert wird, als ob dem Autor selber die Lust an seinem Roman vergangen wäre.
Meine Bewertung: 4 von 10 Punkte