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Serie: Strugatzki Werksausgabe, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Dies ist der zweite Band der Stugatzki-Werksausgabe. Thematisch bilden diese Bände dieses Mal keine Trilogie, aber es gibt Elemente wie z. B. eine gewisse Unwirklichkeit, die allen drei Geschichten gemein ist. Man könnte auch sagen: Die Strugatzkis auf den Spuren Philip K. Dicks, auch wenn dies gewiss nicht die Intention des russischen Brüderpaares war.
Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang
Der Physiker Maljanow staunt nicht schlecht, als ihm seine Frau eine ganze Kiste mit Brandwein und Delikatessen schickt. Er solle es während ihrer Forschungsreise gut haben, doch schon bald zeigt sich, dass es große Zweifel daran gibt, ob sie wirklich der Absender war. Die Aussagen eines Nachbarn deuten so etwas an und der Tod des Mannes einen Tag später untermauert dies nur. Es tauchen eine bildhübsche, junge Freundin seiner Frau auf sowie ein grober Polizist, der Maljanow des Mordes beschuldigt. Nur langsam wird ein Schema erkennbar: Maljanow soll daran gehindert werden, eine Entdeckung zu machen. Auch der verstorbene Nachbar und ein enger Freund hatten mit ähnlichen Hindernissen zu tun. Doch wer will die Entdeckung verhindern?
Oft wurde dieser Roman mit dem Werk Philip K. Dicks verglichen. Zunächst erscheint einem der Gedanke absurd, tatsächlich aber könnte eine ähnliche Geschichte tatsächlich von Dick verfasst worden sein, denn viele typische Dick-Elemente tauchen auf, wie die Unschärfe der Realität oder die Intervention einer fremden, vielleicht außerirdischen Macht. Gemein hat der Roman mit dem Werk des Amerikaners auch den starken Fokus auf die Personen und die sehr knappe, zielgerichtete Erzählweise. All das macht den Roman zu einem sehr gelungenen Lesespaß. Dieses Buch sei Liebhabern der Romane Dicks und der Strugatzkis gleichermaßen empfohlen.
7 von 10 Punkten
Das Experiment
Andrej Woronin hat sich frei willig gemeldet für das Experiment. Die Dimensionen dieses Unterfangens sind gewaltig: Eine ganze Großstadt ist Schauplatz eines höchst ungewöhnlichen Vorgangs. Menschen aus verschiedensten Gegenden der Erde werden hier zusammengefasst und arbeiten die zugewiesenen Aufgaben ab. Andrej Woronin ist Müllfahrer, wechselt aber im folgenden Verlauf zur Polizei, zur Leitung einer Zeitung und in die Stadtverwaltung. Im Laufe der Geschichte wird Andrej mehr und mehr klar, dass etwas entscheidend schief läuft, als plötzlich Horden von Affen auftauchen und die einzige Antwort der Verwaltung besteht darin, dass jeder Bürger die Verantwortung für einen der Primaten übernehmen solle. Noch ungewöhnlicher wird das Ganze, als Andrej bei der Polizei den Fall des Roten Hauses ermitteln muss. Dieses scheint immer wieder an unterschiedlichsten Orten aufzutauchen und für das Verschwinden verschiedenster Menschen verantwortlich zu sein. Wer immer das Experiment gestartet haben mag: Die Kontrolle ist längst verloren gegangen und in der Stadt gärt es. Es kommt zum Putsch, doch die neu geschaffene Ordnung und der einziehende Wohlstand bringen keine Wende. Das Experiment droht zu scheitern, und so wird Andrej losgeschickt, die letzten Wahrheiten zu finden.Es ist schon klar, dass der Roman, der zwischen 1969 und 1975 geschrieben wurde, viel Kritik an der Sowjetunion enthält. Doch man sollte diesen Roman nicht darauf reduzieren. In dem Buch geht es um Politik und um Ideologien. Es geht aber auch um Selbstbestimmung in einer utopischen Welt. Wie so oft bleibt bei den Strugatzkis vieles vage, wie z. B., wer der Initiator des Experiments ist und wo es überhaupt stattfindet, denn gegen Ende hin fühlt man sich mehrfach an Farmers Die Flusswelt der Zeit erinnert, in der Menschen nach ihrem Tode in einer Welt aufwachen, die nur aus den beiden Ufern eines Flusses besteht.
7 von 10 Punkten
Picknick am Wegesrand
Sechs relative kleine Zonen der Erde wurden von Außerirdischen verwüstet, und selbst Jahre nach den Ereignissen wissen die unzähligen Forscher, die die Zonen untersuchen, nicht viel mehr. Weder das Motiv der Außerirdischen noch die Ursachen der unerklärlichen physikalischen Phänomene in den Zonen konnten enträtselt werden. Menschen am Rande der Zonen werden beeinflusst, wie z. B. Roderic Schuchart. Er ist einer der vielen Schatzgräber, die illegal in die Zone eindringen und von den Außerirdischen hinterlassene Artefakte bzw. durch die Zone veränderte Gegenstände bergen. Selbst der gewöhnlichste Gegenstand erfuhr durch die Außerirdischen wundersamste Veränderungen. Von der Polizei verfolgt und den unzähligen Gefahren der Zone wiederholt ausgesetzt, dringt Roderic Schuchart immer wieder in die Zone ein, denn ihm bleibt keine Wahl. Das Leben am Rande der Zonen ist hart, und ein anderes Einkommen scheint kaum möglich, als Artefakte an Hehler zu verkaufen. Doch dann erfährt er von einer goldenen Kugel, die sich in der Zone befinden soll und die vielleicht die Lösung all seiner Probleme darstellt.
Picknick am Wegesrand ist ganz ohne Zweifel ein Klassiker der SF. Das Buch gliedert sich in einen Prolog und vier Erzählungen, die die Geschichte um Roderic Schuchart erzählen. Im Zentrum stehen die drei Ausflüge in die Zone, die von Arkadi & Boris Strugatzki mit gewaltigen Worten phantastisch beschrieben werden, und eine trostlose, der Erde entrückte Gegend vor dem geistigen Auge des Lesers erstehen lassen.
Der Titel des Buchs leitet sich von einer Theorie ab, die im Buch postuliert wurde. Demnach haben die Außerirdischen ein Picknick auf der Erde veranstaltet und haben sowohl versäumt, den Ort aufzuräumen, also ihren Müll mitzunehmen. Es ist pure Ironie, dass genau dies die Zonen für die Menschen so interessant macht und die Menschen in dem Müll kramen lässt. Insgesamt gesehen ist Picknick am Wegesrand ein hervorragendes SF-Buch, das kurzweilige Unterhaltung bereitet und weniger schwergewichtig ist, als man im ersten Moment denkt.
10 von 10 Punkten
Das Buch bietet wiederum dem Leser die drei Romane in einer vollständigen Neuübersetzung und enthält zudem einige sekundärliterarische Texte, die dem Leser Zugang zu viel Hintergrundwissen gewähren. Vom Umfang des Buchs her bekommt der Leser ein sehr gute Preis-Leistungs-Verhältnis geboten. Zwar ist die osteuropäische SF nicht so gefällig wie die angelsächsische, aber es lohnt sich durchaus, sich intensiver mit den beiden russischen Autoren zu befassen.