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Serie: Strugatzki Werksausgabe, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
In einem ehrgeizigen Projekt verlegen der Heyne Verlag die Werke der berühmten Strugatzki Brüder neu. Die Ausgabe ist opulent gestaltet mit Klappbroschüre und einigen sekundärliterarischen Texten. Das Vorwort von Dimitry Glukhovsky belegt in beeindruckender Weise, dass die beiden Russen nicht nur die erfolgreichsten SF Schriftsteller Russlands waren, sondern auch, dass sie zu den erfolgreichsten russischen Schriftstellern schlechthin gehören, denn dies wird mit einer Auflage von über 50 Millionen im russischen Sprachraum eindrucksvoll untermauert. Glukhovsky führt sogar auf, dass die Fünftklässler heute wie damals die Werke der Strugatzkis verschlingen und dabei finde ich ihr Werke etwas sperrig. Das ist keine Literatur, die man leichthin liest, sondern die vom Leser viel Aufmerksamkeit verlangt und außerdem die Sprache ist durchaus anspruchsvoll.
Inhalt dieses Buch ist der Maxim Kammerer Zyklus. Auch wenn es drei Bände sind, darf man nicht von einer Trilogie sprechen (Die Strugatzkis hätten wohl ob einer solchen Aussage den Wodka über den Tisch geprustet), denn die drei Bände haben nur einen losen Zusammenhang und dieser basiert primär auf den gleich lautenden Namen des Protagonisten. Doch nun zu den Büchern im Einzelnen:
Die bewohnte Insel
Der Astronaut Maxim Kammerer strandet bei einer Expedition auf einer verwüsteten Welt, die von deren Bewohnern, die den Menschen sehr ähnlich sind, durch Kriege fast vollkommen ruiniert wurde. Er stößt auf einen größeren Staat im Norden, in dem faschistisches Regime die Menschen vollkommen unter Kontrolle hält. Mit rostenden Panzern und nutzlosen Gewehren soll das Land verteidigt werden. Verzweifelt versucht er die dröge Bevölkerung aufzurütteln und zur Rebellion zu treiben, doch alle Versuche bleiben fruchtlos, bis er den wahren Grund für sein Scheitern erfährt.
Wer das Werk der Strugatzkis kennt, der weiß auch, dass viel Kritik am System der Sowjetunion eingeflossen wird und in diesem Roman wird die Kritik vielleicht am deutlichsten erkennbar. Besonders hart traf es die Armee, die in diesem Buch gnadenlos karikiert wurde, aber auch die Lethargie in der Sowjetunion wurde angesprochen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand stärker das Regime im Osten kritisiert hatte als die Strugatzkis, ohne die Folgen spüren zu müssen. Doch wurden Bücher zensiert und manche Werde wurden jahrelang nicht neu verlegt oder gar zurück gehalten. Die Erstverleger des Buches wurden allesamt entlassen, aber die Strugatzkis waren aufgrund ihrer literarischen Stellung nicht so leicht angreifbar, auch wenn die Kritik fortan subtiler wurde. Wie auch immer: „Die bewohnte Insel“ ist ein gelungener Roman, der eine beeindruckende Stimmung erzeugt und den Leser auf hohem Niveau unterhält. Es ist ein dystopisches Buch, das viele Warnungen im Bezug auf die damalige Gegenwart, aber auch auf eine potentielle Zukunft enthält.
Im Nachwort erfährt man viel über die Entstehung des Buchs. Boris Strugatzki schreibt dort, dass er noch nicht mal auf die größten Zensuraspekte Bezug nehmen kann, denn insgesamt erfuhr das Werk 896 Änderungen. Und trotzdem konnte (oder wollte) man die Systemkritik nicht eliminieren.
Ein Käfer im Ameisenhaufen
Maxim Kammerer erhält den Auftrag einen Mann zu finden und zu beschatten. Über das warum schweigt sich der Chef seiner Behörde jedoch aus. Doch Lew Albakin ist von einem Geheimnis umgeben und nur allmählich, eher zufällig, stößt Kammerer auf Antworten. Mehr und mehr zeigen die Hinweise auf einen Macht, die man „Die Wanderer“ nennt. Diese uralte, mysteriöse Zivilisation hat schon mehrfach in die Entwicklung der Menschheit eingegriffen und er zeigt sich eine ganz klare Verbindung. Doch was haben die Außerirdischen mit Lew Albakin gemacht?
Der Roman plätschert zunächst ein wenig dahin, aber die Erzählung ist durchaus spannend. Der Leser weiß genau so viel wie Kammerer und als sich zum Ende hin die Ereignisse überschlagen, kann auch der Leser, ebenso wie Kammerer das Erfahrene nur langsam verarbeiten. Das ist die wirkliche Stärke des Romans, denn im Mittelpunkt steht ein faszinierendes Rätsel, dass zwar gelöst wird, aber viele neue Fragen aufwirft, die allerdings im Folgeband aufgegriffen und erklärt werden.
Die Wellen ersticken den Wind (auch Die Wanderer)
Der abschließende Band des Zyklus hat einen engen Bezug zur voran gegangenen Geschichte. Kammerer, inzwischen hoch betagt, gereift Geschehnisse aus der Vergangenheit (die etliche Jahre nach „Ein Käfer im Ameisenhaufen“ spielten) auf und versucht Antworten zu finden. Im Mittelpunkt steht Toivo Glumow, ein Untergebener von Kammerer, der einen Vorfall untersuchen musste. Tatsächlich wird die Geschichte hauptsächlich aus der Sicht von Glumow erzählt, auch wenn das nicht ganz stimmt, denn der Roman hat eine ungewöhnliche Erzählstruktur: Anhand von Dokumenten und Aufzeichnungen geht Kammerer das Vergangene durch und kommt so auf die Spur eines klaren Musters. Das Wirken der Wanderer auf der Erde ist nicht zu übersehen. Glumow stößt auf vielfältige Eingriffe der Wanderer auf der Erde und am Ende ist er mit der Tatsache konfrontiert, dass ein Teil der Menschheit einen evolutionären Schritt durchaus unfreiwillig vollzogen hatte, der aber Menschen wie Kammerer und Glumow zu Auslaufmodellen macht. Doch wie gehen die Menschen mit diesem Wissen um?
Wieder einmal bieten die beiden russischen Autoren dem Leser große Geheimnisse und komische Rätsel, die das Salz in der Science Fiction sind. Ähnlich wie bei „Picknick am Wegesrand“ sind die Menschen mit Rätseln konfrontiert, die sie nicht mal ansatzweise verstehen, mit deren Auswirkungen sie aber leben müssen. Trotzdem ist der Roman aber der schwächste des Zyklus, denn diese zerfaserte Erzählweise macht die komplexe Lektüre nicht unbedingt leichter. Erst zum Ende hin gewinnt der Roman an Fahrt und kann den Leser überzeugen.
Der Beginn der Strugatzki Gesamtausgabe im Heyne Verlag ist wirklich großartig. Das Buch bietet dem Leser die drei Romane in einer vollständigen Neuübersetzung und enthält zudem einige sekundärliterarische Texte, die dem Leser Zugang zu viel Hintergrundwissen gewähren. Vom Umfang des Buchs her bekommt der Leser ein sehr gute Preis Leistungsverhältnis geboten. Zwar ist die osteuropäische SF nicht so gefällig wie die angelsächsische, aber es lohnt sich durchaus, sich intensiver mit den beiden russischen Autoren zu befassen.