Titel: Straße der Toten Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus
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Joe R. Lansdale kommt aus Texas. Auch seine Krimis lesen sich wie gottverdammte Western, und ich freue mich schon lange darauf, mal einen echten Western aus der Feder des talentierten Texaners zu lesen. Und jetzt ist es soweit. Und als Sahnehäubchen für mich als bekennenden Horrorfan: In diesen Geschichten kommen Zombies vor, und Werwölfe, und noch ganz andere Kreaturen...
Diese Geschichten sind eine Hommage an die Pulp-Magazine. Eine literarische Verbeugung an H. P. Lovecraft (dessen verbotene Bücher ind en Geschichten vorkommen), aber wahrscheinlich mehr an Robert E. Howard, der nicht nur der literarische Vater Conans war, sondern auch Horror- und Westerngeschichten schrieb.
Allerdings, und das finde ich schade, wurden diese Geschichten für das Buch noch einmal stark bearbeitet. Sie sind nicht so trashig, wie die Erstfassungen. Das finde ich schade, weil man die Geschichte des Reverends nicht wirklich ernsthaft erzählen kann. Sie sind trashig, und der bitterböse Humor darf und soll unter die Gürtellinie gehen!
Nun ja, allzu zahm geworden sind sie nicht. Es gibt eine Menge Spaß in Texas, mit einem Prediger, der schießt und flucht und beim Masturbieren an seine Schwester denkt...
Story-Titel: Dead In The West |
Reverend Jebidiah Mercer hält Gott für einen elenden Hurensohn, der Leid und Elend in der Welt duldet, weil er seinen Spaß daran findet. Ein rachsüchtiger Gott, der absoluten Gehorsam fordert. Dass der Reverend als die Faust Gottes das Böse bekämpft, liegt daran, dass er fürchtet, dass die Hölle noch schlimmer sein könnte...
Der Roman führt uns nach Muss Creek, das wir schon kennen. Oder besser: Kennen werden. Später wird der Klan dort das Hängen perfektionieren (siehe Ein dunkler, feiner Riss und Die Wälder Am Fluss). Aber das Hängen haben die hier auch schon drauf. Die Bewohner der Ortschaft haben vor Kurzem einen Indianer und seine Frau getötet. Wobei die Frau nicht die Gnade eines schnellen Todes am Strick gegönnt war.
Nun war der Indianer aber ein Medizinmann, und er stand mit ganz alten, mit finsteren Göttern in Kontakt. Er las das Necronomicon, De Vermis Mysteris und Unaussprechliche Kulte. Später kommen noch die Kaballa des Sarboth, Cultes des Goules, das Schwarze Buch von Doches, das Competium Maleficarum und Remys Dämonolatrie dazu. Der erfahrene Horrorfan kennt diese Titel, und weiß, dass nichts Gutes aus ihnen hervorkommt. Denn vor seinem Tod hat der Rote einem Dämon erlaubt, von seinem Körper Besitz zu ergreifen. Und dieser Dämon erschafft sich eine Armee von Untoten, welche blutige Rache nehmen an allen Einwohnern Muss Creeks – und dem Reverend, der im Auftrag Gottes versucht, diese Armee mit seinem Colt aufzuhalten.
Blutig, trashig und voll schwarzem Humor.
Story-Titel: Straße der Toten |
Jebidiah war nicht freiwillig ein finsterer Gottesbote geworden, aber dies war nun mal sein Schicksal. Er hatte es verdient, weil er gesündigt hatte.
Diese Sünde kennen wir bereits aus der ersten Geschichte. Der Reverend hatte mit seiner Schwester Unzucht getrieben, und war von des Vaters Hof gejagt worden. Dennoch masturbierte er gelegentlich, wenn er sehnsüchtig an seien Schwester dachte, die er heiß und innig liebte. Allerdings wird dieses Thema in den späteren Geschichten nicht vertieft, ja nicht einmal mehr erwähnt.
Denn er wusste, wenn er alles hinwarf und sich seiner gottgegebenen Strafe entzog, würde er auf ewig in der Hölle schmoren. Er musste weiterhin tun, was Gott ihm befahl, ganz gleich, welche Gefühle er gegenüber seinem grausamen Herrn pflegte. Sein Gott war kein versöhnlicher Gott, und auch keiN Gott, den es kümmerte, ob seien Geschöpfe ihn liebten. Wichtig waren ihm allein Gehorsam, Unterwürfigkeit und Demut. Dazu hatte Gott den Menschen erschaffen – zu seinem Vergnügen.
Er zieht nun so durch die Gegend, Gottes Wort zu predigen, Spenden zu sammeln und diese dann in Whiskey und Munition zu investieren. Er wird auch mehrfach neue Bibeln kaufen müssen, weil er im Kampf gegen Dämonen immer wieder Seiten aus ihnen herausreißen wird...
Jedenfalls kommt er an eine Hütte, in der ein Old Timer gerade den Deputy verköstigt, der einen ganz bösen Gefangenen in Ketten vor Gericht zerren will.
Er hatte Frauen und Kinder ermordet, einen Hund und ein Pferd getötet, nur zum Spaß eine Katze von einem Zaun heruntergeschossen und ein Klohäuschen mit einer Frau darin in Brand gesteckt. Außerdem hatte er Frauen vergewaltigt und einem Sheriff einen Stock ind en hintern geschoben und ihn umgebracht. Wahrscheinlich hat te er noch weitere Tiere erschossen, die ihren Besitzern lieb und teuer gewesen waren.
Es gibt Bohnen und ganz harte, ganz verschimmelte Brötchen, und weil der Alte so beschissen kochen kann, würzt er sein Essen mit einer Geschichte:
Ein böser Bienenhonigsammler hat die Tochter einer Farbigen totgevögelt, worauf ihn deren Mutter mit einem bösen Fluch belegt hat. Dafür wurden ganz alte, ganz finstere Götter beschworen.
Es gibt Götter, die nichts mit Jesus oder Moses zu tun haben. Die sind viel älter. Hab die Indianer von ihnen reden hören.
(...)
Aber sogar den Indianern sind diese Götter nicht ganz geheuer. Die sind um vieles älter als das Indianervolk selbst. Sie verehren lieber ihre eigenen Gottheiten und versuchen, diese anderen möglichst nicht zu vergraulen.
Klingt doch voll nach Lovecraft, oder?
Diese alten Götter waren nicht untätig, und so zieht seitdem der tote Frauenschänder die Straße der Toten entlang und vergreift sich an jedem, der dort entlang zieht.
Grund genug für den Reverend, genau dorthin zu reiten. Schließlich haust da das Böse, und das will er bekämpfen...
Eine wirklich hübsche Geschichte, die von ihren Charakteren lebt, und von den skurrilen Einfällen des Autors. Meine Lieblingsgeschichte im Buch!
Story-Titel: Das Gentleman’s Hotel |
Eine ausgestorbene Stadt. Das Hotel voller Geister. Eine lebende Nutte in einer umgestürzten Postkutsche. Die Pferde gefressen, die Kutscher auch. Das einzige, was Mary rettete, war die Spitze ihres Regenschirms: Die war nämlich aus Eiche.
Wieder ein indianischer Fluch. Als die Spanier die Indianer ihres Goldes wegen ausrotteten, riefen die letzten Überlebenden einen bösen Geist in Form eines großen Wolfes. Und der erledigte das mit den Spaniern auf seine Weise...
... eine Werwolfgeschichte im Wilden Westen. Da geht es ab. Riesige Biester, die an den Wänden entlanglaufen und sich durch Türen durchbeißen können. Aber der Reverend hat spezielle Patronen in seinen Revolvern. Und so schnell die Biester auch sind, der Reverend ist schneller!
Diese Geschichte möchte ich gerne einmal verfilmt sehen!
Story-Titel: Der schleichende Himmel |
In Wood Tick haben sie einen Mann in einen Käfig gesteckt, weil der Schwachsinnig sei. Die Kinder werfen Steine nach ihm, und der Reverend wirft Steine nach den Kindern. Er kauft den Irren frei, weil der ihm leid tut.
Aber der Irre ist nicht irre. Er kam in die Stadt, um den degenerierten Einwohnern zu erzählen, dass das Ding aus dem Brunnen seien Frau geschnappt hat.
Das Ding aus dem Brunnen. Eine geniale Idee. Ein idyllisches, leer stehendes Häuschen, in dem es sich gut leben lässt. Aber der Brunnen ist randvoll mit seltsamen Steinen – und wenn man diese entfernt, weil man das Wasser nicht von weit her holen möchte, dann...
Das Ding ist nicht von dieser Welt, es ist beschworen worden mit dem Schwarzen Buch von Doches, um das Lansdale so nach und nach eine Geschichte zu weben weiß, die Lovecraft um das Necronomicon.
Eine mitreißende Geschichte, dramatisch, geheimnisvoll und bisweilen ein wenig derb (ich sage nur: Rübensuppe). Hat mir gut gefallen.
Story-Titel: Tief unter der Erde |
Vier Bergarbeiter versuchen sich im Leute überfallen, weil in den Bergen nichts mehr zu holen ist, seit dort die Kobolde lauern. Aber der Reverend lässt dies nicht als Ausrede gelten. Wer Leute überfällt, darf sich nicht wundern, wenn diese sich nicht überfallen lassen. So wie er. Er zieht mit seinem Colt einen Schlussstrich unter die Sache.
Aber die Kobolde, die gehen ihm nicht mehr aus dem kopf. Er hat von ihnen im Schwarzen Buch von Doches gelesen. Für ihn steht es fest, dass dies Geschöpfe der Hörre sind, und als die Faust Gottes wird er sich um sie kümmer...
Dies ist mit Abstand die trashigste Geschichte von allen. Was die Verhältnisse im Bergarbeiterlager angeht, oder des Reverends weibliche Bgleitung (und ihren Hund), und die kleinen Kobolde und ihre Königin. Bizarr,Absurd und arg heftig. Aber gut. Verdammt gut.
Alles in allem ist Straße der Toten ein tolles Buch. Lansdale ist durch und durch Texaner und so muss er einfach Western schreiben. Aber er ist auch ein begnadeter Horrorautor (Gott der Klinge). Hier hat er beides auf gekonnte Weise vermischt – und ich will bitte mehr davon lesen.
Vielleicht legt der Golkonda Verlag als nächstes ja den im Vorwort erwähnten Texas Night Riders. Oder etwas anderes von Lansdale. Da gibt es noch vieles, dass in deutsch auf seine Veröffentlichung wartet – aber Golkonda arbeitet ja bereits fleißig daran.
Lansdale ist einer der ganz Großen,und vielleicht so etwas wie ein verkanntes Genie. Zumindest, was die großen Verlage angeht, die nur sporadisch Bücher von ihm veröffentlichen. Aber in diesem kleinen Berliner Verlag hat er ein würdiges Zuhause in Deutschland gefunden. Danke dafür!