Titel: Steam Noir: Das Kupferherz, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Ein zerbrochener Planet, Schollen, die im Äther treiben. Maschinen mit Seelen und Menschen ohne Skrupel. Dampfkraft, groteske Maschinentechnik und übernatürliche Phänomene. Und über all dem eine geheimnisvolle Todesinsel, die die Welt der Lebenden heimsucht. (Klappentext)
Wer diesen Text gelesen hat, wird sich sofort für diesen Comic begeistern können. Die Geschichte, die auf dem Rollenspiel Opus Anima aufbaut, das von Felix Merikat und Till Bröstl ausgearbeitet wurde, spielt irgendwo im Äther auf und in Schierling in der Stadt Januskoogen. Drei Ermittler auf der Suche nach der Wahrheit, so könnte man diese spannende Erzählung in ihren düsteren Bildern bezeichnen. Alles ist in dunklen Braun- und Grüntönen gehalten. Selbst bockspringende Kinder wirken dann nicht mehr sonderlich fröhlich.
Die drei Ermittler sind in ihrer Art sehr unterschiedlich. Zuerst ist da der Lebemann Heinrich Lerchenwald, als Bizarromant bezeichnet und für den Januskoogener Leonardsbund tätig. Ihm zur Seite steht das grobschlächtig wirkende, aber sensible und beseelte Robotwesen Richard Hirschmann. Die Dritte im Bunde ist die Tatortermittlerin Frau D. Auch in dieser Welt ist es nicht üblich, dass Frauen arbeiten, und so wird die Frauenrechtlerin als “Tatortermittlerin und Suffragette in Personalunion“ bezeichnet und nicht immer ganz ernst genommen. Ist sie doch nur eine Frau. Wir treffen die drei Personen, als es gilt, einen Tatort zu besichtigen, an dem es zuerst nur um einen simplen Mord geht. Dieser Mord liegt Jahre zurück, die Leiche des Kindes war in einem alten Kamin eingemauert und dort vergessen worden. Doch dann stellt sich heraus, dass ein Ätherwesen, eine verlorene Seele, die Leiche des eingemauerten Mädchens stahl. Gerade die toten Seelen sind es, die der Erzählung als Aufhänger für den Mord und für die komplette Gestaltung der Ätherwelt als Grundlage dienen. Die ausführliche Darstellung der Seelen und die Auswirkungen auf die Welt Schierling stellen die Grundlage des Comics dar und zeigen auf, welche Gefahr von ihnen ausgeht, ohne dass genau beschrieben würde, wie die Gefahr gebannt wird. Das geschieht übrigens, ähnlich wie in Ghostbusters aus den 1980er Jahren, fast nebenbei. Die Beteiligten wissen genau, was sie zu tun haben, sind jedoch vor den Gefahren nicht unbedingt gefeit. Der Leser schaut nur verblüfft zu.
Zurück zum Fall. Das Mädchen war ungewöhnlich, weil sie einen Herzfehler hatte und daher ein Kupferherz eingepflanzt bekam, nach dem nun gefahndet wird. In der Folge der Ermittlungen verliert Heinrich eine Hand. Der sich als Menschenliebhaber bezeichnende Wunderheiler Eduard Oliver Prestau ist jedoch ein Freund des Krankenhauses in dem Lerchenwald betreut wurde. So erhält Lerchenwald eine künstliche Hand und kommt damit auch auf eine Spur des Kupferherz. Beide Fäden laufen ausgerechnet bei Herrn Presteau zusammen.
Die Welt, in der Steam Noir spielt, ist nicht leicht zu verstehen. Ich beschloss bereits nach den ersten Seiten, sie so zu nehmen, wie sie mir Stück für Stück geboten wurde. Damit blieb mein Augenmerk eher auf der Geschichte und den gut gezeichneten Figuren, die den Vordergrund der Zeichnungen dominieren. Der Hintergrund verschwindet nur allzuoft in den verschwimmenden Farben.
Das Duo Felix Mertikat und Benjamin Schreuder starten mit Das Kupferherz eine neue Reihe. Steam Noir basiert auf dem neuen Science-Fiction-Subgenre Steampunk, das sich der Lebensart eines neo-viktorianischen Zeitalters annimmt, kombiniert mit Maschinentechnik auf Dampfkraftbasis. Dabei ist Steampunk weniger eine Literaturgattung denn ein Lebensgefühl. Wer mehr Interesse daran hat, mag sich www.clockworker.de ansehen. Den Steampunkern kommt es darauf an, die Höflichkeit und die Lebensweise wiederaufleben zu lassen, die sie im britischen viktorianischen Zeitalter sehen.
Die beiden Comicmacher verbinden die Maschinentechnik mit der sozialen Struktur des viktorianischen Zeitalters, lassen aber ihrer Phantasie freien Lauf, und so entstehen nicht nur seltsame und obskure Gegenstände, sondern ebenso skurrile Lebewesen. Dennoch verfügt der Comic über eine eigenständige Handlung, in deren Mittelpunkt eine Kriminalgeschichte steht. In Verbindung mit der ungewöhnlichen Welt ergibt sich ein Comic, der im Sinn des Wortes phantastisch ist. Von der bildlichen Umsetzung bin ich schon beeindruckt, auch wenn die Welt an sich sehr düster gehalten ist. Es überwiegen dunkle Farbtöne. Das Kupferherz ist ein sehenswertes Werk.
Das Kupferherz - die Rezension von Frank Drehmel