Serie / Zyklus: Shadowrun Eine Besprechung / Rezension von Gloria H. Manderfeld / Asarea |
Als Jason Chase, ehemaliger Shadowrunner im Konzernauftrag und noch immer ein Mann der tausend Namen und Gesichter, im Jahr 2053 nach Manhattan zurückkehrt, ahnt er noch nicht, dass er von einer jungen Frau verzweifelt gesucht wird, die er seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen hat. Cara Villiers, Tochter des Fuchi-Konzernteil-Leiters Richard Villiers, einem der mächtigsten Männer der Welt, steckt in Schwierigkeiten und hat deswegen Jason Chase aufgesucht, der einst Sicherheitsmitarbeiter und Leibwächter der Familie Villiers gewesen ist. Im Gepäck mit ihr reist auch eine ausgesprochen besorgniserregende Geschichte - Richard Villiers soll durch einen Anschlag einer deutschen Terroristengruppe bedroht sein, einem sogenannten Policlub mit sehr radikalen Ansätzen. Doch Cara hat sich mit ihren Eltern überworfen und keine Möglichkeit, an ihren in Seattle tätigen Vater heran zu kommen und ihm die Schreckensnachricht zu übergeben - ihre letzte Hoffnung stellt Jason Chase dar, dessen Kenntnisse geheimer Schleichwege und des Überlebens auf der Straße trotz des beginnenden Alters noch ungeheuer wertvoll sind.
Als die beiden in Manhattan einem hochgerüsteten Killerkommando nur sehr knapp entkommen, vermutet Jason, dass hinter alledem mehr steckt als nur eine Phantasie eines überreizten Chipheads: Villier's Machtposition bei Fuchi wird durch die intern rivalisierenden japanischen Familien bedroht, vielleicht sogar so sehr, dass sein Tod willkommen sein könnte. Doch damit beginnt erst eine Hetzjagd durch das zerrissene Amerika, bei der sie nie wirklich vor Verfolgern und anderen Schwierigkeiten sicher sind. Dass die Intrige gegen Richard Villiers jedoch sehr weite Kreise zieht, bemerkt Jason Chase erst, als es fast zu spät ist ...
Die rasante Verfolgungsjagd ist der Grundtenor des Romans, und Tom Dowd versteht es sehr gut, die Spannung bis zu den letzten Seiten zu halten, ohne dabei die Charakterentwicklung der Protagonisten zu vernachlässigen. Zu Beginn wird der Leser durch eine fremdartig wirkende Szenerie in das Geschehen eingeführt, ab dem ersten Kapitel jedoch wird die Erzählung stets aus dem Blickwinkel des alternden Shadowrunners Jason Chase geschildert, dessen Blickwinkel den Rahmen seiner Möglichkeiten nie verlässt. Chase ist ein Spezialist in Kampftechniken und mit Waffen, doch sein Wissen über die Magie und deren Auswirkungen ist begrenzt - was man bei seiner Bewertung magischer Vorgänge spätestens deutlich bemerkt, trotz einer sehr guten Cyberausstattung verkommt der Hauptcharakter nicht zu einem Übermenschen ohne Verstand und Reiz. Gerade die gemachten Erfahrungen und immer wieder auftauchende Rückblicke auf seine Erlebnisse lassen die Handlung nicht zu übermächtig werden. Wo sich andere Autoren von Actionszene zu Actionszene hangeln, bietet Dowd auch noch glaubhafte Charakterisierungen und Umgebungsbeschreibungen.
Auch die immer wieder auftauchenden Fragen, die sich Chase stellt, sind nachvollziehbar für den Leser, er muss mit wenigen Informationen nur versuchen, ein Intrigengewirr auseinander zu nehmen, was ihm auch durch Caras Verhalten nicht leichter gemacht wird. Dass der Roman leider in einige der typischen Shadowrun-Klischees abrutscht, mag auch an der Rahmenhandlung liegen - wie so oft handelt die Story von Konzernintrigen an höchster Stelle, Drachen sind keine Mangelware, im Grunde hätte nur noch ein größtenwahnsinniger Magier gefehlt, der versucht, die Welt zu übernehmen oder zu formen, um den Reigen komplett zu machen - aber da die Spannung der Erzählung sehr gut gehalten wird und diese Elemente hinter der Entwicklung der Protagonisten zurücksteht, hat es mich nicht übermäßig gestört.
Tom Dowd scheint ein Freund offener Endungen zu sein, zumindest bleibt das letzte Kapitel sehr kurz und kryptisch gehalten, gibt nur eine Endstimmung vor, nicht aber eine konkrete Lösung für den während des Buches durchaus liebgewonnenen alternden Straßensamurai.
Positiv zu bemerken ist zudem eine anschauliche Schilderung der Grenz- und Sicherheitsvorkehrungen zwischen den einzelnen Staaten auf amerikanischem Boden, zudem die Erklärung der politischen Verhältnisse, die gerade für Genreneulinge unerlässlich sind, allerdings hätte eine Karte zur Veranschaulichung der Reiseroute noch eine Vervollkommnung dargestellt. Die Illustrationen des Buches wirken leider etwas altbacken und sparsam, wenn man jedoch im Gedächtnis behält, dass dieses Buch schon 1994 erschienen ist und man damals futuristisches Design sicher anders bewertet hat, stellen diese ein interessantes Gimmick dar.
Fazit: Ein Roman der Shadowrun-Reihe, der auch für Einsteiger durchaus geeignet ist, wenn man bereit ist, sich langsam an entscheidende Informationen heranzutasten. Auch für Spieleleiter geeignet, die sich mit Flucht- oder Reiseszenarien auseinander setzen möchten, die über mehrere Staatengrenzen reichen. Wer Shadowrun nicht oder nur wenig kennt, bekommt hier eine spannende Lektüre geboten, die einem einen guten Einblick in das Genre verschafft. Acht von zehn möglichen Punkten.