Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra
Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Schon das Cover des Buches sollte das Herz eines jeden Buchliebhabers höher schlagen lassen: Es wird von einem riesigen Bücherregal eingenommen, das fast vollständig mit alten Büchern gefüllt ist – nur Buchtitel, Autor und Verlagsname sowie ein alter Computer (mit Diskettenlaufwerk) haben sich ihr eigenes Plätzchen im Regal gesichert.
Nachdem der Webdesigner Clay Jannon weder im Netz noch in den Zeitungen mit seiner Suche nach einem Job erfolgreich war, schaut er sich anderweitig um und landet in der “sonderbaren Buchhandlung des Mr. Penumbra”. Eine kleine Buchhandlung, die bis an die Decke mit alten Büchern gefüllt ist – aber von erstaunlich wenig Käufern frequentiert wird. Tatsächlich scheinen die Stammkunden die Bücher aus dem Laden nur auszuleihen. Ein merkwürdiges Verhalten, dessen Erforschung Clay auf die Spuren eines uralten Geheimnisses führt.
Mich hat Robin Sloan schon mit dem ersten Satz in den Bann seiner Geschichte gezogen, beginnt sie doch auf einer schwankenden Leiter, auf der sich die Hauptperson der Geschichte einem Buch nähert. Die Hauptperson selbst ist eher unspektakulär und ziemlich normal – ganz im Gegensatz zu den Charakteren, die sie umgeben: Sein bester Freund aus Schulzeiten, Leseratte, Rollenspieler und nun Besitzer einer erfolgreichen Softwarefirma, Neel aka Nilric Quarter-Blood; die über eine von Clay geschaltete Werbeanzeige in den Laden gelockte Googlerin Kate, die einen Posten in der Reihe der Projektmanager (PM) von Google anstrebt; und natürlich der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte: Mr. Penumbra und seine seltsame Buchhandlung – wobei ich persönlich eher die Leute, die tagtäglich ein- und ausgehen als seltsam beschreiben würde.
Was die Geschichte vorantreibt sind Neugier und der Durst nach Wissen – Antriebe, die die Menschheit vermutlich schon einige Male vorwärts gebracht haben. Das Geheimnis dieses Buches stammt allerdings aus vergangenen Zeiten – ebenso wie die Methoden, mit denen der Orden der ungebrochenen Buchrücken schon jahrhundertelang versucht, selbiges zu entschlüsseln. Kein Wunder, dass der Einsatz eines Computers dort zu Empörung führt, während manch ein moderner Mensch sich fragt, warum sie darauf verzichten, könnte sich das Problem doch innerhalb eines Vormittages lösen lassen (ganz so einfach ist es natürlich nicht).
Um ans Ziel zu kommen ist nämlich mehr als ein bloßer Entschlüsselungsalgorithmus von Nöten. Kein Wunder, führt doch schon der Weg zum Ziel zu heftigen Diskussionen zwischen Konservativen und Modernen – der Gemeinschaft der Ungebrochenen Buchrücken und der Firma Google. Und zwischen den Fronten steht klein und doch nicht zu übersehen Mr. Penumbra und sein kleiner Buchladen – einer der wenigen Orte, an dem sowohl Modernes als auch Altes gefunden werden kann.
Des Rätsels Lösung offenbart sich erst zum Schluss – und wie das Leben häufig spielt, ist auch diesmal die Lösung so simpel wie einleuchtend. Etwas, das man sowohl im Modernen als auch im Alten finden kann – oder zwischen dem Einband eines guten Buches.
Staubige Bücher gefüllt mit unlesbaren Wörtern, ein Geheimbund auf der Suche nach einem uralten Geheimnis und ein Unbedarfter, der zufällig mitten in diese Suche hineinplatzt – eine Mischung, die eine abenteuerliche, spannende und vielleicht sogar fantastische Reise verspricht. Diese Reise ist jedoch anders, als man anfangs denkt – eine Tatsache, die verwundert, aber nicht weniger zu begeistern versteht. “Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra” ist eine philosophische Mischung aus Historie und Moderne, E-Reader und gebundenem Buch, uraltem Geheimbund und Google. Eine Mischung so seltsam wie die titelgebende Buchhandlung und mindestens genauso fesselnd, wie es eine alte staubige Buchhandlung für Leseratten ist – und so ist auch die Spannung die, die buchstöbernde Leseratten auf Büchermärkten oder in Antiquariaten erwartet. Böse Buben, Schwertkampfduelle oder Schießereien findet man in dieser Geschichte höchstens in den Büchern, die Mr. Penumbra in seinem Laden verkauft.
Vielleicht muss man ein bisschen seltsam sein, um die Geschichte zu mögen: Bücher lieben; mit Freunden, Würfel und Papier in fremde Welten abtauchen oder in Verschlüsselungsalgorithmen oder Programmiersprachen versinken können. Ich bin mir sicher, dass Robin Sloan die Geschichte für derart “seltsame” Leute geschrieben hat – und die werden sie (wie ich) sicher mögen.