Serie / Zyklus:~ Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
In einer nicht näher bekannten Zukunft entwickelt sich der Planet Solaris zu einem der größten Rätsel, das die Menschen bis dato zu klären hatte. Die Oberfläche von Solaris ist ein riesiger Ozean sich ständig in Bewegung befindender zäher Materie, die scheinbar sinnlos Formen wie Sonnenprotuberanzen ausformt. Der Streitpunkt ist: Sind diese Formen Zeichen von Intelligenz oder eher zufällige Phänomene?
Auf der Station im Orbit des Planeten Solaris trifft der Psychologe und Forscher Kris Kelvin ein. Nach seiner Ankunft steht erst einmal niemand zu seinem Empfang bereit. Er trifft dabei auf eine Mannschaft, die, von Wahnvorstellungen gepeinigt, am Rande einer Selbstmordkatastrophe steht. Der Wissenschaftler und Stationskommandant Gibarian verübte bereits Selbstmord, weil er es auf dieser Station nicht mehr aushielt, während die anderen Besatzungsmitglieder "lediglich geistig gestört" wirken. Auch Kris Kelvin wird von unheimlichen Erscheinungen heimgesucht, deren Entstehung (sowie den Tod seines Freundes Gibarian) er eigentlich unvoreingenommen untersuchen sollte. Sie stellen sich in Form seiner Geliebten ein, die seinetwegen einen Selbstmord beginn. Den schmerzlichen Verlust der Frau überwand Kris eigentlich nie richtig. Die erneute Begegnung stürzt ihn in einen großen seelischen Widerstreit. Und ihm stellt sich immer wieder die Frage: Kann es eine neue, bessere Zukunft zu zweit geben? Die übrigen Besatzungsmitglieder haben ihre eigenen Phantome. Da läuft der Sohn des Kommandanten durch die Station, Snow trifft sich selbst und Gordon hält ihre peinlichen Besucher in ihrer Kabine gefangen.
In Gesprächen mit der Besatzung erklärt ihm diese, der Planet sei eigentlich ein großes, unabhängiges Gehirn, das die Träume, Ängste und Erinnerungen, vor allem des Unterbewusstseins, in eine greifbare Form bringt. Zwischen Wahn und Wirklichkeit gefangen, gelangt er zu der Erkenntnis, dass das Forschungsprojekt, der Planet Solaris, damit zusammenhängt. Und vielleicht wird aus den Forschern das Forschungsobjekt? Es ist eine Reise ins Ich, die sich um die Haltestellen Liebe, Tod und Auferstehung, des Abendlandes liebste Philosophie, dreht.
Solaris erschien 1961 und wird von vielen Freunden der wissenschaftlichen Erdichtung für eines der besten Bücher des Themengebietes wie auch des Autors selbst gehalten. Feststeht, dass dieses Buch die Leserschaft durchaus in Gespräche führt. Während die einen Leser voll hinter dem Buch und seinem philosophischen Gedanken stehen, bemängeln die Anderen das Buch als verschroben und irrwitzig. Sicher ist jedoch, dass es Stanislaw Lem um die Erkenntnisfähigkeit des Menschen geht, um die Möglichkeit, den Verstand mit technischen Erfindungen zu beeinflussen wie zum Beispiel die Abenteuer des Ijon Tichy. In diesem Fall sind es aber keine technischen Erfindungen, sondern die Beeinflussung des menschlichen Geistes durch ein stärkeres Bewusstsein, des Planeten Solaris.
In den Büchern, die Lem zu Beginn der 1960er Jahre schrieb, sind eine Anzahl neuer Ideen vorhanden. Es ist eine Abkehr von der typischen "Sozialisten-SF", wie er sie zehn Jahre zuvor begann. In den zwanzig Jahren von 1960 bis Ende 1970 befindet sich Stanislaw Lem in einer stetigen Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen. Seine Themen sind dabei keine spinnerten oder reißerischen Erzählungen, sondern Stanislaw Lem bemüht sich, jeder Person eine Seele zu geben.
Solaris ist, nach mehr als 40 Jahren, immer noch ein spannender und überzeugender Roman. Die Handlung selbst ist aus der Sicht des Ich-Erzählers, bleibt aber, in der für Lem typischen kritischen Distanz gehalten und zwingt den Leser und die Leserin, sich ebenfalls etwas zurückzunehmen und nicht allzu sehr mit einem der Handlungsträger oder dem Ich-Erzähler in Verbindung zu treten.
Lem bleibt kritisch. Nicht nur sich selbst als Autor gegenüber, sondern auch seinen Romanfiguren, ja sogar gegenüber seinen Lesern, wie er einmal in einem Interview deutlich machte. Der Naturwissenschaftler gehört zu den wichtigsten polnischen Verfassern von Zukunftsgeschichten.
Hervorheben möchte ich in diesem Fall die Ausgabe des Wilhelm Heyne Verlages. Die Ausstattung ist sehr gut, und vor allem das Vorwort von Ursula K. LeGuin und das Nachwort Erik Simons geben einen ausführlichen Überblick über Stanislaw Lem und sein Werk.
Die Filme
Der russische Regisseur Andrej Tarkowskij brannte den Stoff um diesen seltsamen Planeten das erste Mal auf Zelluloid. Sein Vorbild Solaris wurde von ihm in Zusammenarbeit mit Friedrich Gorenstein für das Kino umgeschrieben und endete 1972 in einem 170 Minuten langen Film. Damit beeinflusste er, sicherlich unbeabsichtigt, dafür um so beständiger und nachhaltiger, viele lange Jahre den russischen Science-Fiction-Film.
Andrej Tarkowskij gelang es, im kommunistischen Russland einen Film zu veröffentlichen, der dem kollektiven Bewusstsein ganz entschieden die individuelle Denkweise entgegensetze. Der Film greift den Konflikt, in dem sich der Hauptdarsteller Kris Kelvin befindet, stärker auf, vertieft mit seinen symbolisch verstärkten Bildern die Sprache des Romans auf eine deutlicher ausgeprägte Gefühlsebene. Der im Buch enthaltene Abstand zwischen Leser und Hauptperson entfällt fast völlig.
Die Darsteller damals waren Natalja Bondartschuk als Harey, Donatas Banionis als Kris Kelvin, Nikolaj Grinko als Kris' Vater, Jurij Jarvet als Snaut, Anatolij Solonizyn als Sartorius, Wladislaw Dworschezkij als Berton und Sos Sarkisjan als Gibarjan.
Der Film ist ein stiller, beeindruckender Film.
Die amerikanische Neuverfilmung verlässt sich mehr auf das Charisma des amerikanischen Schauspielers George Clooney. Regisseur Soderbergh erklärte in einem seiner vielen Interviews zu Solaris: "Es handelt sich hier eigentlich um eine Liebesgeschichte, die zufällig im Weltraum stattfindet." Als Lem das las, sagte er in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, er habe den Film bislang nicht gesehen, sondern nur Kritiken dazu gelesen, und sein Buch sei anders als der Film angelegt. So wird hier viel Wert auf die zwischenmenschliche Beziehung gelegt, aber der wissenschaftliche Bezug geht völlig verloren.
Der amerikanische Regisseur speckte seine Ausgabe von Solaris kräftig ab. So floppte seine Magerversion in den Staaten, da er dort als zu europäisch galt, und in Europa, weil es eine viel zu seichte Soap-Opera wurde. Diesen Film kann man nur hassen oder lieben. Der Film spaltet die Zuschauer in zwei Gruppen, und das ist gut so. Denn nur so kann man über den Film und später über das Buch sprechen und eine Meinung vertreten. Die Vorlage, das Buch, wurde ein wenig schlampig bearbeitet und so lenkt der Film den Blick auf das Buch.
Das Theaterstück
Die Premiere fand im Kulturzentrum Kampnagel in Hamburg statt. Dieses Theaterstück war die Abschlussinszenierung der jungen Regisseurin Susanne Reifenrath des hochschulübergreifenden Studienganges Schauspieltheater - Regie an der Universität Hamburg mit Unterstützung von Kampnagel Hamburg.
Dabei zeigte sich, dass sich das Thema "Science Fiction" durchaus für eine Bühne eignet. Die Regisseurin verstand es dabei recht gut, einen Kern des Buches von Stanislaw Lem herauszuarbeiten. In Zusammenarbeit mit Silvia de Martha, die für die Ausstattung zuständig war, und Claudia Lohmann als Dramarturgin schaffte es die Regisseurin, das Publikum für die Handlung zu interessieren und eventuell auch, sich Gedanken darüber zu machen.
Während sich das Publikum vornehmlich positiv dazu aussprach, meinte lediglich der Theaterkritiker Volker Trauth, in einem Gespräch mit "Fazit", sie habe Talent. Gleichzeitig meinte er, sie hätte sich eines anderen Stoffes annehmen sollen.
Solaris - Rezension von Christian Plötz