Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
So beginnt Neal Stephensons Buch Snow Crash. Der Leser weiss nicht so recht, was er mit diesem Anfang, der einem vollkommen fremdartigen Buch entnommen zu sein scheint, anfangen soll.
Die tatsächliche Geschichte beginnt erst im Folgekapitel. Zentrale Figur ist Hiro Protagonist (ein genialer Name der für sich spricht - der japanische Name Hiro wird im englischen wie Hero ausgesprochen. Ein Wortspiel, dass im deutschen wohl verpufft, denn man kann ihn ja schlecht "Held Hauptfigur" nennen), ein in Amerika lebender Schwarz-Japaner (ein Widerspruch), der sich ruinierten Restfragmenten der vereinigten Staaten von Amerika als Freelance Hacker durchschlägt.
Als sein Freund Da5id (kein Tippfehler) eine heimtückischen Softwaredroge - Snow Crash - zum Opfer fällt versucht Hiro die Hintergründe zu erfahren und findet sich in einem Netz der Intrigen wieder. Nichts schein Sinn zu geben. Der Mörder Raven, eine unheimliche Gestalt, scheint der Schlüssel zu sein, doch Raven dürfte der gefährlichste Mann auf dem Nordamerikanischen Kontinent sein. Er hat sogar den Schutz der Geheimpolizei, die verhindern will, dass durch Ravens Ableben eine Atombombe gesprengt wird, mit der dieser über eine Art telepathische Verbindung verbunden ist. Hiro tappt lange im Dunklen, bis er mehr erfährt.
Das Buch wird mehrfach dem Cyberpunk-Genre zugeordnet, was aber nur bedingt richtig ist. Snow Crash ist ein normaler SF Roman, der Passagen enthält, die in einer viruellen Welt spielen. Aber diese Passagen sind für den Fortlauf des Romans nicht entscheidend. Mag sein, dass man dies 1992 anders gesehen hat. Virtuelle Welten waren damals noch nicht so wie heute eine Standard-Disziplin im Schreiben von SF Romanen.
Schön, er beschreibt das Metaversum, in dem die User ihre eigene virtuelle Welt schaffen und je mehr Geld man hat oder je besser man als Programmier ist, sehen die Avatar-Ebenbilder besser aus. Leute, die nur von einem öffentlichen Zugang ins Metaversum kommen, sind in schwarzweiss. Aber so es ist eben nur eine Facette des Romans. Manche Quellen sind der Meinung, dass Stephenson die Avatare erfunden hat. Diese These konnte werder bestätigt noch verworften werden. Möglich wäre es.
Das Buch ist in erstaunlicher Weise inkonstistent. Die Anfangssequenz und auch spätere Sequenzen des Romans weisen einen bitteren Sarkassmus auf, den man in ähnlicher Form wohl nur in Terry Giliams Film Brasil findet. Der Rest des Buchs ist dann eher gediegene, actionlastige Mainstream SF.
Gut, die Apokalptische Welt bietet einige interessante Ansätze, allen voran "The Raft" eine Staat aus Booten, 100 km vor der Küsten von Nordamerika und eine faszinierende Welt bestehend aus den zerfallenen Resten der USA, aber darüber hinaus ist das Buch wenig innovativ.
Was sehr missfällt ist die Art und Weise, in der Stephenson dem Lesern Hintergrundwissen vermittelt. Diese ist gelinde gesagt plump. Gedanken zum Hintergrund mittels einer sich über viele Seiten ersteckenden Unterhaltung zwischen Hiro und einem virtuellen Bibliothekar einzustreuen ist ein Stil, dem sich Anfänger bedienen. Gute Autoren finden bessere Wege.
Außerdem driftet die ganze Sache mit dem Snow Crash Visus (bis dahin sehr interessant) in eine biblische Ebene ab. Dabei steigt der Autor tief in biblische und historische Ereignisse ein was einen Crash Kurs für den Durchschnittsleser notwendig macht. Seitenweise erfährt man über Babel, Sumerien und Babylon. Das entspricht nicht der allgemeinen Unterhaltung, die man von einem Roman erwartet. Außerdem ist die Sache mit dem Wortvirus, der gezielt Programmierer befällt, nicht so der Bringer.
Schade eigentlich, denn Stephenson beweist in seinem Werk auch, dass seine Art zu schreiben auch zur Stärke werden kann, als in orwellscher Art detailiert beschreibt, wie Programmierer ein Memo lesen müssen, wie lange sie dafür brauchen dürfen und was zeitliche Abweichungen zu bedeuten haben. Dieser Exkurs hatte zwar auch nichts mit der Grundhandlung zu tun, war aber sehr unterhaltsam.
Zum Ende hin passiert dem Autor ein weiterer Patzer: Über mehrere Seiten hinweg beschreibt er die Korpulation eines Pärchens so detailreich, dass man sie nur als Pornografie bezeichnen kann. Das wäre nicht notwendig gewesen, passt aber in das inkonstitente Bild, das der Roman vermittelt.
Doch das Buch hat auch Stärken. Immer dann wenn Stephenson mit Ironie und Sakasmus arbeitet, wird das Buch richtig gut. Ebenso sind die Ereignisse in den Endzeitwelten lesenswert und interessant.
Interessant auch, dass Stephenson viel von Franchise und mafiaähnlichen Strukturen (z. B. Anfangssequenz) schreibt. Es scheint in seiner Post-USA Welt wenig anderes zu geben. Wieviele Punkte soll man dem Buch geben?
Für die ironisch humorvollen Passagen (die leider nur den kleineren Teil des Buchs ausmachen) kann man 10 Punkte geben. Für den Rest 6 Punkte. Dann gibt es noch große Abzüge für das Seitenlange zugeballere mit Hintergrundinfos, die eigentlich die Handlung nicht voran bringen. Fazit: 6 von 10 Punkten.
Snow Crash - Rezension von Andreas Muegge