Reihe: Skydoll Spaceship Collection, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Judith Gor |
Klappentext:
Wie viele Leben hat eine Skydoll?
„Skydoll Spaceship Collection“ ist eine Sammlung unterschiedlicher Lebensabschnitte von Noa, einer synthetischen Puppe, die ein sehr bewegtes Dasein führt. Sechs Geschichten, in denen sie sechs verschiedene Berufe ausübt, von denen einige wirklich ganz außergewöhnlich sind. Vom Cowgirl in der Wüste, das versucht, eine von milchsaugenden Kröten befallene Herde Kühe zu retten, über die sexy Heldin einer Zeichentrickserie, bis hin zur Fahrerin einer Limousine, in der sich verdächtige Machenschaften abspielen. Man erlebt sie sogar in der Rolle der Päpstin Ludowika, inmitten einer Szenerie erotischer und perverser Phantasmen der Bischöfe des Palastes.
Lebensabschnitte einer „normalen“ Puppe auf dem Planeten Papathea: mal amüsant, mal melancholisch oder sogar tragisch. Sechs herausragende Künstler wurden gebeten, diese unglaublichen Geschichten zu illustrieren, die extra für sie erfunden wurden.
Wer „Sky Doll“ kennt und liebt, kommt um diese Kurzgeschichtensammlung nicht herum. Im Gegensatz zu den bisher bei Carlsen erschienen Softcover-Bänden hat sich der Splitter-Verlag bei der „Skydoll Spaceship Collection“ für eine edle Hardcoveraufmachung entschieden. Sowohl außen als auch innen ist dieser Comic einfach „hui!“. Zu jeder Geschichte gibt es ein kleines Zitat aus einem der Sky-Doll-Bände. Durch kleine Warnungen wird man zudem humorvoll auf die jeweils folgenden Storys vorbereitet, im Falle von „Smoke on the Water“ von Barbucci und Canepa wären das „Polychrome phytoplankton“, die „Voice of God“ und „Bouncing boobs“. Mit diesen drei Schlagworten weiß man sofort, dass die folgende Story ein Knaller wird. Und in der Tat ist die Kurzgeschichte der Originalautoren mit Abstand die beste in dieser Sammlung. Wie auch in den „Sky Doll“-Comics gelingt es den beiden selbst auf wenigen Seiten, ihren grandiosen Zeichenstil aufleben zu lassen und die farbenprächtigen Bilder mit einer gleichermaßen surrealen wie humorvollen Story zu verweben. Zunächst schwebt man mit Noa durch eine eigentümliche Weite, während die Stimme Gottes zu einem spricht. Selbst mit dem geschickt aufgelösten, lustigen Ende bleibt ein Hauch von Nachdenklichkeit zurück.
„Voodoo Child“ von Pierre-Mony Chan trifft von allen anderen Beiträgen in puncto Stil und Farbintensität das Original am besten. Hinzu kommt eine ausgereifte Story aus dem Alltagsleben der Dolls in einem Bordell, die ebenfalls die wichtigen Elemente Humor und Tiefgang enthält. Auf wenigen Seiten gelingt es hier, die Sehnsucht der Dolls nach Menschlichkeit anschaulich zu schildern. Darüber hinaus erlebt man die gut ausgestatteten Androiden in Kostümen bekannter Comicfiguren, vor allem aus dem fernöstlichen Raum. So begegnet man unter anderem Sailor Moon und Lady Oscar. Auch „Die Puppe“ von Matteo de Longis trifft den typischen Sky-Doll-Stil ziemlich gut, bleibt aber farblich etwas zu blass. Nichtsdestrotz wird auch in dieser Geschichte ein wichtiger Abschnitt aus Noas Leben geschildert, der den Leser etwas hilflos zurücklässt. Das „mal melancholisch oder sogar tragisch“ aus dem Klappentext bezieht sich eindeutig auf diesen ersten Beitrag der Sammlung.
„Like a virgin“ von Bengal zeigt Ähnlichkeiten zum Originalstil, präsentiert sich jedoch insgesamt sehr eigen. Zur Thematik passen die farbintensiven, düsteren Zeichnungen ziemlich gut, auch wenn man Noa in ihrer Rolle als Päpstin nicht wirklich erkennt. Hier werden die Abgründe innerhalb des Kirchenstaates beleuchtet und in einer ungewöhnlichen Erzählperspektive präsentiert. Ein heimlicher Bewunderer schildert das Leben der Doll, und so erhält die Geschichte einen schwärmerischen Unterton. „Lady Club Driver“ von Riff Reb’s zeigt Noa insgesamt etwas zu aggressiv. Die Mimik passt absolut nicht zu der supersympathischen Heldin. Die düstere Zukunftsvision harmoniert dagegen wieder besser mit dem ursprünglichen Setting. Zudem lernt man den im ersten Band angesprochenen Club „Vampire Vixens“ kennen und die Story kann inhaltlich mit den bisher erwähnten gut mithalten. Total aus dem Rahmen fällt „Bang Bang“ von Claudio Acciani. Man kann sich kaum vorstellen, dass die Storyidee von Barbucci stammen soll. Noa als Cowgirl funktioniert einfach nicht und zeichnerisch ist dieser Beitrag meilenweit vom richtigen Skydoll-Feeling entfernt.
Alles in allem ist die „Skydoll Spaceship Collection“ eine wunderbare Ergänzung zu den bisher erschienenen Comics. Die kurzen Stories geben Szenen aus Noas Leben vor den Ereignissen in der „Sky Doll“-Serie wider und zeigen dem Leser verschiedene Facetten des Planeten Papathea. Auch das große Cyberpunkthema „Der Geist in der Maschine“ wird immer wieder aufgegriffen und stellt ein zentrales Motiv der Serie und dieser Kurzgeschichtensammlung dar. Das Zitat bei „Voodoo Child“ stammt übrigens aus dem vierten Band „Sudra“, was auf eine baldige Fortsetzung hoffen lässt. Es wäre verdammt schade, wenn diese Serie nicht weitergeführt wird. Die Wartezeit wird einem bald von einem zweiten Band der Skydoll Collection versüßt werden: „Die Tränen Christi“ soll im September 2010 ebenfalls bei Splitter auf Deutsch erscheinen!
Nachdem man inzwischen Jahre vergebens auf eine Fortsetzung des Kultcomics „Sky Doll“ wartet, vermag die „Skydoll Spaceship Collection“ den sehnsüchtigen Leserherzen Trost zu spenden. Auch hier ist alles vorhanden, was man an der Serie schätzt: ein düsteres Science-Fiction-Setting, viel Humor, Tiefgang und Erotik. Hinzu kommt die tolle Gestaltung des Hardcovers. Leider reichen nicht alle Zeichner an das Original heran, doch schon allein wegen der Geschichten „Voodoo Child“ und „Smoke on the Water“ ist dieser Comic ein Muss für alle Fans und jene, die es noch werden wollen!