Titel: Signs - Zeichen Eine Besprechung / Rezension von Andreas C. Lazar |
Das Maisfeld eines vom Glauben abgefallenen Pfarrers wird zertrampelt.
Gesetzt den illusorischen Fall, allzu neugierige Außerirdische von einem entfernten Planeten würden aus irgendeinem unerfindlichen Grund tatsächlich immense Mengen von Energie auf eine interstellare Reise verschwenden, nur um ein nicht besonders aufregendes Sonnensystem aufzusuchen, dessen dritter Planet von haarlosen, wabbligen Affen zugrundegerichtet wird, deren Lieblingsbeschäftigung ist, sich zu fragen, ob prominentere Affen sich Plastikkissen unter die Brust geschoben haben oder nicht: Wie würden die Erdlinge reagieren?
Ausnahmsweise kann das Kino, das große, ewiglich sich wandelnde Sittengemälde unserer Zeit, hier keine so recht glaubwürdige Antwort liefern: Zwar sind die Filme, die von extraterrestrischer Invasion erzählen, Legion, aber bei genauerem Hinsehen werden nur, wie könnte es bei unserer scheinbar vollständig in sich geschlossenen, anfangs- und endlosen, kugeligen blauen Heimat auch anders sein, irdische Konflikte, Ängste und Phobien nach außen getragen und effektvoll in den Außerirdischen manifestiert. So erzählt Roland Emmerichs explosiver Independence Day in Wahrheit von nichts anderem als der Urangst vor der furchtbaren vagina dentata, die schon Rolands Ahnen empfanden, als sie sich noch von Baum zu Baum schwangen und gegenseitig die Läuse aus dem Fell pickten - also um 1900.
Ridley Scotts Alien dagegen geht den umgekehrten Weg und fürchtet sich vor der Geburt und den außerhalb "Mutters" rundem, warmem Kontrollzentrum ungehemmt-lustvoll penetrierenden, zwei Meter großen Phalli fast zu Tode, während Paul Verhoeven in Starship Troopers eben diese phallische Macht dazu nutzt, angebliche Invasoren-Brainbugs und alle irdische Opposition und unabhängige Denkfähigkeit totzustoßen. Luc Besson aber verfilmt mit The Fifth Element wiederum nur einen einzigen, heimlichen Wunsch: dass alle Nichterdlinge wie Milla (die trotz allem Göttliche) aussehen mögen und ihn, den winzigen, haarigen Franzosen erwählen.
Denkbar schlechte Voraussetzungen also, um sich auf der Leinwand der wahren Antwort auf die obige Frage anzunähern, die eher bei globaler Panik, enthemmten Plünderungen und atomarer Verwüstung denn bei friedlicher Verhandlung und weltweitem Frieden liegen wird. Der mit The Sixth Sense und Unbreakable (zu) schnell berühmt gewordene, gerade mal knapp über dreißig Jahre alte Mysterymeister Manoj Night Shyamalan versucht es mit Signs und Mel Gibson statt Bruce Willis trotzdem, schafft es sogar, ein paar Punkte zu machen, scheitert letztlich aber wie all seine illustren Vorgänger daran, dass auch er nur der Erde und ihrer Welt verhaftet bleiben kann. Doch wie immer schön Ähre für Ähre.
Mel Gibson also spielt mutmaßlich gut - meist ist nichts zu erkennen, da der routinierte Kameramann Tak Fujimoto zwecks größeren Spannungsaufbaus auf Licht verzichtet - den verquälten, von seinem Glauben abgefallenen, verwitweten Pfarrer Graham Hess, der mit seinem Bruder, seinem Sohn und seiner kleinen Tochter auf einer von Getreidefeldern umgebenen Farm im US-Bundesstaat Pennsylvania lebt. Seit dem Tod seiner Frau, die von einem Mann namens Ray Reddy zwischen einem Auto und einem Baum zerquetscht wurde, lebt Hess mehr schlecht als recht vor sich hin und kann, auch als er zusammen mit der Polizistin Caroline Paski mysteriöse Kornkreise in seinen Feldern untersucht, darin zuerst nicht mehr als das Werk jugendlicher Rabauken erkennen. Als jedoch überall auf der Welt diese Zeichen auftauchen und zusammen mit unheimlichen, über den Städten schwebenden Lichtern bald zum alles beherrschenden Thema in den Medien werden, kann auch Hess sich nicht der Möglichkeit verschließen, dass Außerirdische kurz davor sein könnten, die Erde und ihre Bewohner zu überfallen.
Bis jedoch auch der Zuschauer ungefähr in der Mitte des Films zu dieser Erkenntnis gelangt, muss er ehernes Sitzfleisch, eine Eselsgeduld und die Toleranz eines Buddhas aufbringen: Zwar sind James Newton Howards Musik, das allerdings wieder einmal etwas forciert blau-blaue Setdesign und Fujimotos Bilder auf für Shyamalan-Filme gewohnt hohem Niveau, und Gibson und Phoenix ergänzen sich harmonisch, aber die allfälligen Klischees drohen jederzeit, die guten Eindrücke zu untergraben. Phoenix ist, ganz uramerikanisch, ein hitzköpfiges Baseballtalent; Hess' Sohn Morgan, der von einem der zahllosen blassen Ableger des Culkin-Clans gespielt wird, ist so altklug wie asthmatisch, komplett mit kleinem blauen, leicht verlierbaren Inhalator; Hess' von Alpträumen gepeinigte Tochter Bo dagegen ist so klein und knuffig, dass sie noch kaum richtig sprechen, geschweige denn schauspielern kann und daher meistens auch beim besten Willen weder akustisch noch mimisch zu verstehen ist. Die Stadtpolizistin Caroline schließlich ist so patent und rustikal, dass man bei ihren Auftritten ständig vermeint, Holzdielen herzhaft knarren zu hören, und was Shyamalan mit seiner Rolle als schläfriger Ray bezweckt, weiß wohl nur er selbst.
Beschleichen den kundigen Filmseher schon bei dieser Aufzählung - Glaubensloser Pfarrer! Junge mit Inhalator! Kleines Mädchen mit bösen Träumen! - wie Pfarrer Hess etliche unangenehme Déjà -vus und hellsichtige Ahnungen, so wird Signs nach der ersten, recht spannenden, wenngleich mit zwar ganz guten, aber hier unpassenden und die Stimmung brechenden Scherzen gesprenkelten Hälfte, in den zweiten fünfzig Minuten leider immer vorhersehbarer, ungereimter und schließlich ganz und gar vorgezeichnet, steinern-konservativ und überraschungslos wie eine sechsspurige Autobahn auf dem schnellsten Weg zum Kassenerfolg. Zeigt Shyamalan eben noch glaubhaft, klug und mit Sinn fürs Detail die weltweite mediale Hysterie angesichts der unerklärlichen Alien-Ankunft, wandelt sich Signs schon im nächsten Moment zur plumpen Home-Alone-Variante mit Außerirdischen, komplett mit allen rassistischen Selbstjustiz-, verbohrten religiösen und militant-intoleranten My-home-is-my-castle-Untertönen. Als die Protagonisten sich schlußendlich sogar in ungezügelter Gewaltbereitschaft mit der amerikanischsten aller Waffen wappnen, um der Kinder entführenden Bedrohung für Haus, Hund und Hof Herr zu werden, ist endgültig klar, dass auch hier Extraspektive vorgespiegelt, in Wahrheit aber nur ein von reaktionären Instinkten beherrschter Kampf im Inneren der Seele gefochten wird, diesmal, wie so oft, um die lähmende Angst vor dem Fremden in und um uns. Und das ausgerechnet von M. Night Shyamalan - ein Treppenwitz des Weltkinos.
2,5 von 5 Sternen