Titel: Shrek - Der tollkühne Held Eine Besprechung / Rezension von Rainer Innreiter |
Fast ist der grenz-geniale Autor dieser Zeilen versucht, von einem historischen Film-Sommer zu sprechen, hat sich doch - fast unbemerkt von Nicht-Filmfreaks - etwas nachgerade sensationelles ereignet: Disney, seit rund 60 Jahren die unumstrittene Nummer 1 am Sektor des Animationsfilmes, musste sich einem Konkurrenten deutlich geschlagen geben.
Der Herausforderer war Dreamworks, das mit seinem umjubelten, vollständig computeranimierten Film Shrek den direkten Disney-Konkurrenten Atlantis - The lost Empire versenkte. Nachdem ich beide Filme im Original gesehen habe kann ich dem Kinopublikum nur recht geben: Shrek ist eindeutig der bessere Film! Doch der Reihe nach:
Der Oger Shrek (Stimme: Mike Myers), hünenhaft und grün wie ein Marsmensch, lebt glücklich und zufrieden mutterseelenallein in seinem Sumpf. Dieser Zustand ändert sich gründlich, als der bitterböse Lord Farquaad (Stimme: John Lithgow) sämtliche Fabelwesen (gegen Belohnung, was selbst den braven Gepetto dazu verleitet, Pinocchio auszuliefern) einfangen lässt und sie ins Exil schickt - ausgerechnet in Shreks Sumpf!
Und als wäre dem nicht genug, muss er sich mit einem sprechenden Esel (Stimme: Eddy Murphy) abgeben, dem er eher zufällig über den Weg gelaufen ist und der sich hartnäckig weigert, Shrek von der Seite zu weichen.
Unterdessen schmiedet Lord Farquaad noch schlimmere Pläne: Er gedenkt König zu werden, indem er standesgemäß eine Prinzessin heiratet. Seine Wahl fällt auf Prinzessin Fiona, die dummerweise in einem düsteren Schloss von einem feuerspeienden Drachen gefangen gehalten wird. In einem Turnier soll der tapferste Ritter ermittelt werden, der die Ehre hat, Fiona zu befreien und sie unversehrt Lord Farquaad zur Vermählung zu überbringen.
Doch soweit sollte es gar nicht mehr kommen, platzt doch mitten in das Turnier der ungehobelte Shrek , um sich beim Lord über die ungewollte WG mit den Fabelwesen zu beschweren. Nachdem Shrek sämtliche Ritter im Alleingang verprügelt hat, sieht Farquaad in ihm den idealen Erretter seiner Zukünftigen und schließt einen Pakt mit ihm: Wenn Shrek ihm die Prinzessin bringt, wird er seinen Sumpf wieder alleine bewohnen dürfen.
Also machen sich Shrek und der Esel auf, die Prinzessin (Stimme: Cameron Diaz) zu befreien, was natürlich auch gelingt, wobei sich der Drache, ein Exemplar weiblichen Geschlechts, in den unablässig plappernden Esel verknallt. Fiona ist anfangs entzückt über ihren Retter, aber nur, bis er den Helm, den er während der Befreiungsaktion getragen hat, ablegt. Dennoch kommen sich auf dem Weg zum Schloss des Lords Fiona und Shrek näher.
Fast übereinstimmend euphorisch waren die Kritiken über Shrek . Würde der Film den Erzählfluss der etwa ersten Stunde beibehalten, ich würde mich dem anschließen. In dieser einen Stunde legt der Film einige furiose Gags vor. Angeblich soll Shrek eine Abrechnung des ehemaligen Disney-Boss Jeffrey Katzenberg sein, der nach einer unrühmlichen Auseinandersetzung mit Michael Eisner, seinem Nachfolger, den Hut nehmen musste und nun bei Dreamworks hervorragende Arbeit leistet.
Dutzendweise werden Klischees veralbert und typische Disney-Szenen aufs Korn genommen, etwa die mitunter nervigen Gesangseinlagen der Protagonisten in Disney-Filmen. Dem gemäß verabscheut Shrek Lieder und Fionas Gesang lässt schon mal einen unschuldig mitträllernden Vogel explodieren.
Am deutlichsten wird die - nennen wir es Aversion - gegen den Disney-Konzern in der Figur des Lord Farquaad, ein kleiner, despotischer, psychopathischer Wicht, der sich dazu auserwählt fühlt, sein Königreich (=diverse Disney-Freizeitparks) von allem zu reinigen, was nicht in sein Konzept des wahren Schönen passt.
Doch die Gags und Anspielungen beschränken sich nicht auf das Disney-Imperium alleine: So trifft Lord Farquaad seine Entscheidung, welche Prinzessin sich denn nun mit ihm vermählen dürfe, aufgrund einer an Herzblatt gemahnenden Performance des zweckentfremdeten Zauberspiegels, der ihm drei Kandidatinnen präsentiert. Das "Publikum", aus Getreuen des Lords bestehend, rufen ihm im Hintergrund ihre eigenen Favoritinnen zu und jubeln enthusiastisch, als sich der Lord schließlich entscheidet.
Und wer hätte gedacht, dass selbst unschuldige Lebkuchenmänner in dunklen Verliesen grausam gefoltert werden?
Leider gibt es aus meiner Sicht doch einiges an Shrek zu bemängeln: Was nicht weiter schwer wiegt, sind die stellenweise ungelenken Animationen, die sehr deutlich als computergenerierte Wesen zu erkennen sind. Somit ist Shrek sicher kein Meilenstein der Animationstechnik wie Toy Story oder Ant z.
Was mir jedoch das Vergnügen an dem Film streckenweise etwas nahm, war die Tatsache, dass er sich zwar einerseits über Disney lustig macht, andererseits hingegen exakt die gleichen Wege beschreitet, was ihn letztendlich paradoxerweise zum typischen Disney-Film avancieren lässt. Deutlich wird dies nach der Befreiung Fionas mit der optischen Diskrepanz zwischen der schönen Prinzessin und dem hässlichen Oger.
Das moralinsaure "Beurteile mich nicht nach meinem Äußeren" wird hier bis zum Überdruss ausgewälzt. Und der Schluss im Speziellen könnte auch bei den süßlichsten aller Disney-Streifen nicht "lieblicher" ausfallen. Lediglich die nervigen Balladen wurden durch rockigere Klänge ersetzt, was Shrek schließlich nicht mehr zu missfallen scheint - vermutlich, weil er ein besserer, hm, "Mensch" geworden ist. Auch hier wieder: Exakt die Disney-Muster!
Und was ich die nächsten zehn Jahre in keinem Film mehr sehen möchte, sind diese idiotischen Matrix -Kampfszenen. Was, bitte, ist daran so lustig, dass anscheinend keine moderne Komödie mehr ohne sie auskommt? Davon abgesehen ist sie in Shrek völlig deplatziert.
Versteht mich nicht falsch, ich mag den Film, aber seine merkwürdige Tendenz sich gegen Schluss hin zum ganz normalen Disney-Schinken zu entwickeln, trübt den an sich glänzenden Gesamteindruck ein wenig. Mehr Entschlossenheit, das Anfangstempo durchzuziehen hätte dem Film gut getan. Trotzdem sei er wärmstens empfohlen, schon deshalb, um den Disney-Konzern nach dem schrecklich miesen Atlantis unter Druck zu setzen wieder besseres zu produzieren und sich nicht auf den Namen alleine zu verlassen.
Dringend sei übrigens die Originalversion empfohlen - in der deutschen Übersetzung gingen nicht nur manche Gags verloren, vielmehr nerven die öden Synchronstimmen. Vor allem Eddy Murphy ist einfach unersetzlich - der Mann kann nämlich auch singen!
Davon abgesehen beschert die Übersetzung einen grausigen Fauxpas: Sprechen Robin Hood und seine treuen Merry Men im Original mit typisch britischem Akzent - was wenig Wunder nehmen sollte! - so wurde daraus in der Synchro aus unerfindlichen Gründen ein entsetzlicher französischer Akzent! Mon Dieu...