| Serie/Zyklus: Sherlock Holmes Eine Besprechung / Rezension von Wiebke Schiefelbein (ElvenArcher). |
Hurree Chunder Mookerjee Mitglied des indisch-britischen Geheimdienstes wird beauftragt einen norwegischen Gentleman, mit Namen Sigerson, zu beschatten, der in Bombay den indischen Subkontinent betreten soll. Schnell hat er ihn gefunden und noch schneller wird er Zeuge eines Moranschlages auf Sigerson, der sich zu seiner Überraschung als der berühmte Meisterdetektiv Sherlock Holmes entpuppt. Doch Sherlock Holmes sollte tot sein, gestorben zusammen mit seinem Erzfeind Moriarty in den Reichenbachfällen.
Quicklebendig erzählt der Brite, wie er seinen Tod vorgetäuscht hat um sich in Ruhe der Zerschlagung von Moriartys Geheimorganisation zu widmen. Doch dessen Nachfolger wissen von seinem Überleben und suchen sich ihm zu entledigen. Nach der Vereitlung eines erneuten Anschlages und der Erkenntnis den Hintermann nicht fassen zu kriegen, geht Holmes in Begleitung von Mookerjee ins indische Hochland. In einer kleinen Stadt sinnt er den Plan nach Tibet zu gehen und sich Lhasa anzuschauen - beides für Ausländer und Europäer im Besonderen verboten, stellt eine große Herausforderung dar. So lernt Holmes Tibetisch und seine Verkleidungskünste kommen ihm gelegen, als sie sich aufmachen heimlich nach Tibet zu reisen.
Kaum erreichen sie die tibetische Grenze, werden sie bereits von einer Abordnung aus Lhasa samt Passierscheinen erwartet. Überrascht werden die beiden aufgeklärt: Holmes Ankunft wurde von einem Orakel vorhergesagt - er sei auserwählt das Leben des 13. Dalai Lama zu retten. Dieser, noch ein Teenager, steht kurz vor seiner offziellen Regierungsübernahme und nicht nur die Chinesen haben ein Interesse daran, daß er diese nicht mehr erlebt.
In Lhasa angekommen lehnt Holmes den ihn angebotenen Auftrag ab, ändert jedoch zu seiner eigenen Überraschung unerklärlich die Meinung. Den Diebstahl eines alten Mandalas kann er aber nicht mehr verhindern, also macht er sich zusammen mit Mookerjee auf den Weg dieses zurückzuholen. Eine Inschrift auf der Rückseite verweist auf ein Rätsel und den Eispalast von Shambala, in welchem der Dalai Lama der Tradition entsprechend sein Amt übernimmt.
Früher als geplant reist der junge Dalai Lama nun mit Holmes und Mookerjee zu dem Palast, der nur dann vom Eis eines Gletscher freigegeben wird, wenn die Inthronisation eines neuen Lamas bevorsteht. Allerdings ist ihr Gegner schon vor ihnen angekommen...
Fazit:
Man fühlt sich zurückversetzt in das Indien der Kolonialzeit, das Lokalkolorit ist sehr gut getroffen und Norbus Sherlock Holmes ist perfekt getroffen, sein geistiger Vater Sir Arthur Conan Doyle hätte ihn nicht besser schreiben können. Zusammen mit der Sicht aus der Perspektive Mookerjees und dem gut gelungenen Versuch den Flair der originalen Abenteuer einzufangen, ergibt sich ein Buch, das fast aus der Feder des Großmeisters stammen könnte und sich beinahe nahtlos in die Reihe seiner Abenteuer einfügt.
Das Verhältnis zwischen dem Ich-Erzähler Mookerjee und Holmes wird in ihrer ersten Begegnung deutlich, wo Holmes mit geübten Auge sagt: "Wie ich sehe, waren Sie in Afghanistan!" und der Inder - noch ahnungslos mit wem er es zu tun hat - völlig verdattert ist. Der Detektiv hat seinen Ersatz für Dr. Watson gefunden und der Inder wird den Erwartungen Holmes und des Lesers voll gerecht.
Klar, man mag jetzt argumentieren, daß Mookerjee ein Abklatsch des treuen Freundes und Gefährten in England ist. Aus meiner Sicht und so liebevoll wie Norbu den indischen Agenten beschrieben hat - angefangen bei seiner etwas stämmigeren Figur bishin zu seiner Rolle im großen Endkampf - ist er ein indischer Watson und das mit voller Absicht. Ein Sherlock Holmes Abenteuer wäre kein Sherlock Holmes Abeneteuer, wenn es nicht diese Figur geben und sie das ganze nicht erzählen würde.
Gespickt mit zahlreichen Anmerkungen und Anspielungen auf alte Sherlock Holmes Abenteuer ist es stellenweise etwas holprig zu lesen, aber der Leser bekommt gleich einen guten Überblick über die Erlebnisse des britischen Meisterdetektiven. Man merkt, daß Norbu dieses Buch als Hommage geschrieben hat, es sprüht vor der Begeisterung eines Fans, allerdings ist sein Stil besser als die meisten Fanstories. Allerdings hat er es - hier kommt der Fan durch - doch etwas übertrieben. Die Anspielungen auf die alten Sherlock Holmes Fälle, mag man als Laie noch halbwegs nachvollziehen können, bei denen die sich auf das Werk Rudyard Kiplings beziehen wird es schon schwieriger. Die meisten kennen Das Dschungelbuch von Walt Disney, vielleicht noch die Realverfilmung, aber ob sie es Kipling zuordnen könnten ist schon eine andere Sache und sein restliches Werk gehört leider nicht zur Allgemeinbildung.
Dies ist aber auch der einzige wirkliche Kritikpunkt, den ich auf den äußerst gelungenen ersten Teil des Buches - bis zur Reise von Sherlock Holmes nach Lhasa - anbringen kann.
Der zweite Teil - tja, ich habe mir dieses Buch zusammen mit drei anderen gekauft und gedacht einen klassischen Krimi gekauft zu haben. Nichts also, was sich für fictionfantasy.de zu rezensieren eignet. Und dann stellt sich Das Mandala des Dalai Lama als ein Buch heraus, was zumindest wieder in diesen Randbereich gehört. Die Ereignisse die dann in Tibet stattfinden wären es wert in eine X-Akte aufgenommen zu werden. Da gibt es paranormale Aktivitäten, und das Thema Wiedergeburt, welches in jeden Roman über Tibet gehört. Aber das ist ansich ja kein Negativum eher positiv zu sehen - zumindest für mich. Für einen klassischer Krimifan wird dieses Ende wahrscheinlich ziemlich ärgerlich wenn nicht gar haarsträubend gewesen sein, denn nichts im ersten Teil läßt auch nur das geringste erahnen.
Was mich zu der zweigeteilten Wertung bewogen hat, war nicht das Ende als solches - für die die das Buch noch lesen wollen, werde ich hier nichts verraten - sondern die Art und Weise wie Norbu es geschrieben hat. Es war mir zu gehetzt und gerafft, zudem fehlte mir die Detailtreue, die er im ersten Teil bewies. Alles in allem erschien mir das ganze so, als hätte er sich mit em ersten Teil viel Zeit und Ruhe gelassen und dann plötzlich gemerkt "Ups, ich muß das Buch dringend fertig bekommen!" Sei es weil die Zeit fehlte oder er eine Längenvorgabe hatte.
Gerade Tibet, für dessen Beschreibung er - als Verfechter des freien Tibets und Fürsprecher der tibetischen Kultur - prädestiniert gewesen wäre, kommt zu kurz. Zwar macht er aus seiner Abneigung gegenüber den Chinesen keinen Hehl, aber viel mehr kommt nicht rüber. Und es gibt doch soviel zu erzählen über das Land im Himalaya, das bis vor kurzem nicht mal von Europäern betreten werden durfte. Wer, wenn nicht Jamyang Norbu - hätte das tun können?
Wenn man durch einen Buchladen stöbert und ein Sherlock Holmes Abenteuer findet, welches ausgerechnet von einem Tibeter geschrieben ist, dann ist das für mich schon mal ein Grund das Buch in die Hand zu nehmen und den Klappentext zu lesen. Ein viktorianischer Krimi und ein Tibeter, wie soll das zusammenpassen? Auf jeden Fall ist es sicherlich eine der exotischeren Mischungen auf dem Markt der Belletristik.
Den Tibetern wird - wohl auch durch das medienwirksame Lachen des Dalai Lama - eine gewisse Fröhlichkeit nachgesagt. Zumindest Jamyang Norbu hält sich an diese Tradition. Die ganze Zeit schwingt in dem Buch ein heiterer Unterton mit, der das Lesen zu einer Erholung macht, auch wenn Mookerjee dabei in die Gefahr gerät eine Witzfigur zu werden, Spaß macht es trotzdem.
Wie es so üblich ist, handelt es sich hierbei wieder um ein Manuskript, welches auf obskure Weise in die Hände des ehrenwerten Autoren geraten sind. Kenner der Sherlock Holmes-Lieratur sind damit bestens vertraut. Allerdings ist die Einleitung von Jamyang Norbu doch sehr charmant und unterhaltsam geraten und etwas was man sich nicht entgehen lassen sollte. Das Nachwort ist nach gleicher Fasson geschrieben und verleiht dem ganzen die passende "Authenzität".
Angenehm und notwendig ist auch das Glossar, sowie die Bibliographie zu den Holmes-Abenteuern und dem Werk Rudyard Kiplings.
9 von 10 Punkten bis zur Mitte des Buches, 7 von 10 für den Rest.
- Juli 2005 -