Titel: Schwarzfall Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Drei Personengruppen in Frankfurt am Main leben ihren jeweiligen Alltag. Zum einen wäre das das junge Paar Patrick und Jessica, die in einer Sozialwohnung in einer der "schwierigen" Stadtviertel der Mainmetropole leben. Jessica ist früh Mutter geworden und lebt mit ihrem arbeitslosen Ehemann mehr schlecht als recht zusammen. Dieser hält sich mit möglichst wenig arbeitsintensiven Gelegenheitsjobs über Wasser und lässt hierbei auch das Dealen mit Drogen nicht aus. Jessica und dem Kind gegenüber ist er aggressiv, wenn nicht sogar brutal. Der klare Gegensatz dazu ist die Familie Hellmann. Der Mann ist ein gutverdienender Lehrer, beschäftigt sich in seiner Freizeit allerdings hauptsächlich mit seinen Abiturientinnen. Das weiss seine Frau, die ihr Leben in Trümmern sieht, jedoch nicht den Mut hat, etwas dagegen zu tun. Vertreter der "Arbeiterschicht" ist Katharina Debus, die als Ärztin im Krankenhaus in Seckbach arbeitet und eine demente Mutter pflegt.
Mit diesen Menschen spielt Schwindt in seinem Roman, nach einer Einführung in die jeweiligen Charakterisierungen und kleineren Begegnungen der Gruppen miteinander, lässt er sie in die Richtung treiben, die er ihnen anhand ihrer Bescheibung gegeben hat. Denn die Umgebung, in der sie agieren müssen, ändert sich von nun auf jetzt schlagartig: Durch den heissen Sommer und die sinkenden Pegelstände der Flüsse müssen immer mehr Kraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden, da es ihnen an einer Kühlmöglichkeit mangelt. Durch einen großen Waldbrand und der Tatsache, das sich die Bevölkerung weit verbreitet Klimaanlagen zulegt, spitzt sich die Lage der Infrastruktur Energie extrem zu. Der Strom fällt aus. Und bleibt aus.
Vor einer Beschreibung einer in eine düstere Katastrophe abgleitende Bundesrepublik folgt nun ein Kammerspiel mit den oben gesetzten Personen. Sie beginnen, ihre Charakterzüge auszuprägen und auch miteinander zu agieren. So ernennt sich Hellmann zum Leiter einer Nachbarschaftswache und stösst sogleich mit den nach Essen suchenden Menschen aus den Wohnsilos zusammen. Das hier ein sich eskalierender Konflikt entwickelt, liegt in der Natur der Sache. Auch Dr. Debus ist mit den Zuständen im Krankenhaus Seckbach überfordert und stösst weit über ihre Grenzen hinaus. Dabei lernt sie auch Jessica und ihre Mutter kennen...
Peter Schwindt widmet sich in diesem Roman einer fiktiven Ausgestaltung eines großflächigen und lang andauernden Stromausfalles in Deutschland. Dieses Thema ist brandaktuell, auch wenn das Buch bereits 2010 erschienen ist. Schwindt beschreibt die Folgen einer Stromnot in einem heissen Sommer recht anschaulich und faktisch korrekt, wobei er sich natürlich mit der Metropole Frankfurt eine Gegend ausgesucht hat, in der solch eine Katastrophe besonders hart zuschlagen würde. Das in anderen Gegenden Deutschlands es weitaus friedlicher und ruhiger zuging, lässt er allerdings in seinem Roman nicht unerwähnt. Die Gefahr einer solchen Katastrophe ist immer wieder Thema in den entsprechenden Behörden und Organisationen. Denn, wenn man sich mit den daraus ergebenden Konsequenzen auseinandersetzt, kommt jeder noch so gut organisierte Katastrophenschutz an seine Grenzen - schneller als man vermuten mag. So gibt es Berechnungen, das der organisierte Rettungsdienst in Deutschland maximal drei Tage aufrecht erhalten kann, bevor zum Beispiel der Treibstoff zuende geht. Während Schwindt in seinem Sommerszenario noch recht harmlose Konsequenzen aufzeigt, so mag man sich kaum überlegen wollen, was passiert, wenn dieses in einem kalten Winter geschieht.
Das geschilderte Katastrophenszenario ist jedoch nur der Hintergrund für einen kammerspielartigen Roman, in der stereotypische und abziehbildartige Charaktere miteinander das Ding abarbeiten. Man merkt dem Roman schon an, dass Schwindt erfahrender Drehbuchschreiber ist und findet diverse Merkmale eines Theaterstücks in diesem Buch wieder. Dabei gerät es in Gefahr, mit all der breitflächigen Katastrophe eigentlich auf fast zu engem Raum zu spielen und den Fokus des Betrachters nur auf diese Handvoll Menschen zu richten. Dabei lockt das Szenario nach einem weitschweifigeren Blick, die Spannung in diesem Disput schadet dem Buch etwas.
"Schwarzfall" als Thriller zu bezeichnen, ist meiner Meinung nach falsch. Es ist eigentlich eine Charakterstudie unserer Gesellschaft und wie sich diese Charaktere in einer Extremsituation verhalten würden. Spannend ist das oftmals nicht - aber interessant!