| Titel: Schöne neue Welt |
Voll Nüchternheit beschreibt ein Normungsdirektor eine Gruppe von eifrigen Studenten die modernen Errungenschaften der neuen, technisierten Welt. Er führt die Kinder durch eine Brutanstalt und erzählt mit wachsender Begeisterung den Fortschritt. Ein Ei kann in bis zu 256 Dutzendlinge aufgespalten werden und, in Reagenzflaschen herangereift, bis 256 Mitglieder einer sogenannte Bukanowski-Gruppe zeugen. Diese stellen eine wertvolle, homogene Arbeiterschaft dar. Und damit für jede Arbeit auch genügend "geeignete" Arbeitskräfte da sind, werden die Kinder von vornherein in ein Kastensystem gepresst.
Von den Hochintelligenten Alphas bis zu den Stupiden Epsilons werden die kleinen Föten auf ihre künftige Rolle vorbereitet, wobei ihnen diese mehr oder weniger willkürlich zugewiesen werden und mittels Alkohol und dem Zusatz weiterer Gifte werden Wachstum und Geistesfähigkeit beschränkt. Dann, von Säuglings- bis ins Jugendlichenalter werden die Kinder mit werbesloganartigen Schalfschulweisheiten auf ihre künftige Rolle in der Gesellschaft vorbereitet, in der vom Genie bis zum Idioten jeder glücklich ist.
So beginn Aldous Huxleys berühmter Roman. Die ersten drei Kapitel, sozusagen der Prolog des Romans, sollten jedem Genforscher, Biologen, ja eigentlich jedem Wissenschaftler mindestens einmal pro Jahr vorgelesen werden. Huxleys bittere Warnung ist heute aktueller den je und auch noch bald 75 Jahren hat seine bittere Vision wenig von seinem Schrecken verloren. Im Gegenteil: Man erlebt wie manche Dinge Realität werden.
Doch das Buch geht weiter und nach der Einführung vollzieht Huxley einen Schwenk und schiebt seinen Protagonisten Siegmund Marx (welch sprechender Name) in den Mittelpunkt, der eben nicht glücklich ist einer Welt, in der Henry Ford Gott vom Thron gestoßen hat. Für einen Alpha zu klein geraten versucht Siegmund seine Minderwertigkeitskomplexe zu überdecken, wird aber immer unglücklicher. Bei einer Reise in ein Menschen-Reservoir entdeckt er unter den dunkelhäutigen Indianern eine weisse Frau und deren Sohn. Es stellt sich raus, dass Michl, so der Name des Sohnes tatsächlich von der Frau geboren wurde - eine für Siegmund perverse Vorstellung. Er nimmt kurzerhand Michl und seine Mutter zurück in die Zivilisation mit und nun kann Siegmund sich im Interesse der Gesellschaft an ihm durch den Fund des Wilden sonnen. Doch wie schon in Greystokes Tarzan kann Michl die moderne Gesellschaft nicht begreifen und alles steuert auf eine Katastrophe zu.
Der Roman beleuchtet eine Zukunft, die zum eine entsetzlich, zum anderen erstrebenswert scheint. Nicht alles kann man ablehnen und alles läuft auf die Frage hinaus: Wie viel ist der Mensch bereit zu opfern für sein eigenes Glück. Im Laufe des Romans kommt Huxley immer wieder auf diese Frage zurück und bietet am Ende zwar keine vollständige Antwort, sondern Lösungsansätze, die sich durchaus mit dem etwas offenen Ende vereinbaren lassen. Ganz ohne Zweifel ist Schöne neue Welt ein Klassiker und eine Pflichtlektüre im Englischunterricht.
Der Werk ist keineswegs leicht zu nehmen, auch wenn es manchmal so scheint. Die elementaren Wahrheiten, die Huxley streift, werden nicht sofort offenbar und bedürfen des Nachdenkens. Doch dafür eignet sich dieses Hörbuch ganz hervorragend, denn der Vortrag von Sprecher Hans Eckardt ist exzellent und sehr eindringlich. Diese meisterliche Vertonung bringt alles mit viel Leben genau auf dem Punkt und die Worte des Sprechers hallen noch Stunden später im Geiste nach wie die Saite eines Klaviers. Dies ermöglicht einen ganz anderen Zugang zu diesem Werk. Zumindest ich kann sagen, dass ich eine so aufgearbeiteten Text besser verarbeiten kann, als wenn ich ihn selbst gelesen hätte. Doch dies ist in erster Linie Verdienst des Verlags und Studio für Hörbuchproduktionen, das sehr hohe Maßstäbe bei der Umsetzung ansetzt und nicht wie andere Verlage mit lieblosen Massenproduktionen dem schnellen Geld nachjagen.
9 von 10 Punkten.
Schöne Neue Welt - Rezension von Christian Plötz