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Reihe: Schatten-Trilogie, 2. Band Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Wer Fantasy liebt in der nicht alles in Gut und Böse, Schwarz und Weiß aufgeteilt ist, landet mit diesem Buch einen Treffer, den er nicht bereut. Fantasy mit einer dunklen, pessimistischen Grundstimmung: eine Ausbildung zum Meuchelmörder und eine Frage, die im Raum steht und nicht beantwortet werden kann. Wie wird die Erzählung ausgehen? Eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Die Erzählung kann nicht mit einem befriedigenden Ende oder gar mit einem fröhlichen guten Ende für den Helden ausgehen. Lieb gewonnene Charaktere, die man im Laufe der Erzählung kennen lernte, verlassen diese durch den Tod.
Die tragende Hauptfigur ist der elfjährige Azoth, der auf der Straße lebt. Azoth ist ein Sklavengeborener, der im Labyrinth der Altstadt von Cenaria weniger lebt als um sein Leben kämpft. Die Kinder sind in Gilden zusammengeschlossen, die nichts anderes sind als bessere Banden oder Gangs. Azoth gehört zu der Gang von Ratte, wie der Anführer genannt wird, einem ziemlich brutalen Kerl. Ratte ist etwa sechzehn. Er hält sich die jüngeren Kinder als Sexsklaven und misshandelt auch Jarl. Als sich Azoth mit Ratte anlegt, ist es besser für ihn zu verschwinden.
Durzo Blint ist ein angesehener Mann. Er ist ein Meister des lautlosen Tötens, der Dank seiner ihm eigenen magischen Begabung unter den Attentätern, den sogenannten Sa'kagé, der unumstrittene Meister ist.
Azoth versucht von Durzo als Lehrling angenommen zu werden. Er möchte gern so gut wie er werden - und genauso angesehen. Aber Durzo Blint ist ein sehr wählerischer Mann. Nicht jeder kann bei ihm als Lehrling beginnen. Dennoch gelingt es Azoth, nicht zuletzt weil er alles Geld seines Freundes Jarl als Mittel der Übersetzung einsetzen kann.
Der zweite Band setzt nun etwa zehn Jahre nach Beginn der Trilogie ein. Der Held der Erzählung ist müde und hat genug vom Töten. Mit seiner Bitte um Geld bei Momma Ka entscheidet er sich gegen seine Berufung und für seine Familie. Mit diesem bekannten Motiv beginnt Am Rande der Schatten. Azoth, der Meuchelmörder, der nun den Namen Kylar Stern angenommen hat, versucht mit Elene, der Frau, die er liebt, ein neues Leben zu beginnen. Zusammen mit Elene und Uly, seiner elfjährigen Adoptivtochter, der Tochter von Durzo Blint, will er nur noch weg, will raus aus der Stadt und aus der Umgebung des selbsternannten Gottkönigs verschwinden.
In seiner neuen Heimat fühlt er sich zuerst wohl, doch dann überkommt ihn eine innere Unruhe. Der Drang, in seine alte Arbeit einzusteigen, ist sehr groß. Und dann kommt ihm das Gerücht zu Ohren, Logan Gyre sei noch am Leben.
Logan Gyre, ehemaliger rechtmäßiger König von Cenaria, ist im Kerker der Stadt gelandet, einem Ort, der an Brutalität von nichts überboten wird. Doch wie weit will er gehen, um zu überleben. Der Tod ist hier ständiger Begleiter und nur der Gemeinste und Brutalste überlebt. In diesem Loch lernt er seinen eigenen Schweinehund kennen. Logan wird eine Menge abverlangt und die Taten, die er durchführt, um zu überleben, lassen ihn an seiner eigenen Menschlichkeit zweifeln.
Ein weiterer Handlungsstrang wendet sich der Attentäterin Vi zu. Vi ist es als Assassinen-Lehrling gewohnt, ausgenutzt zu werden. Sie setzt alles ein, was ihr zur Verfügung steht, auch ihren Körper. Diese Hurenarbeit tötet fast alle ihrer Gefühle ab. Sie verliert aber auch einen Teil ihrer Menschlichkeit. Dadurch wird sie zu einer eher tragischen Person. Auf den Gottkaiser angesetzt, erhält sie von ihm selbst den Auftrag, ihren alten Freund Jarl zu töten. Um ihren Freund zu retten, muss sie ein Opfer finden, das dem Gottkaiser wichtiger ist als Jarl. Das Opfer findet sie im Mörder des Sohnes des Gottkaisers: Kylar.
Zunächst ist es etwas schwierig, in die Handlung hineinzufinden, weil sehr viele Personen und Handlungsstränge auf einmal vorgestellt werden. Dafür ist es dennoch ein Lesevergnügen für jeden Leser. Vor allem, weil sich der Autor nicht auf die Stadt Cenaria beschränkt, sondern auch übergreifend Personen aus anderen Ländern zu Wort kommen lässt. Es wird zu Beginn wenig erklärt, was die Handlung nicht sonderlich beeinträchtigt, der Autor bleibt aber in seinen Beschreibungen oft vage. Es gibt Stellen, die sich ein wenig ziehen, aber wer das Buch, später als beabsichtigt, aus der Hand legt, ist sicher, ein turbulentes, vergnügliches und fesselndes Abenteuer miterleben zu dürfen. Ebenso wie der erste Band ist das ganze Buch fesselnd und schnell erzählt. Die Assassinen-Thematik tritt etwas in den Hintergrund und macht Platz für mehr Politik, Ränkespiele und Magie.
Der Stil und der Humor der Bücher sind fast perfekt. Rabenschwarz, bissig mit einem starken Hauch von Sarkasmus. An einigen Stellen etwas brutal, aber nicht Gewalt verherrlichend. Trotz einiger Schwächen ist Am Rande der Schatten ein gelungener Fantasy-Roman, aber wegen seiner häufig eingesetzten Gewaltszenen nichts für zarte Seelen.