Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
"RunRabbitRun" zählt zu den beliebsteten Gameshows der nahen Zukunft und lockt ihre Zuschauer zum Mitmachen, denn wer den Hasen vor Ablauf der Spielzeit fängt, erhält vom Sender 1 Million Euro. Sollte der Hase, von dem an jedem Abend ein wenig mehr seines Gesichtsfeldes präsentiert wird, bis zum Ende unentdeckt bleiben und die täglichen Rätsel gelöst haben, gewinnt dieser 10 Millionen Euros. Regelrechte Jagdteams, so wie die beiden Studenten Thomas und Arif, versuchen den Hasen zu enttarnen und sich dadurch die Fangprämie zu sichern. Spielort ist Berlin, der Hauptsitz des Privatsenders net.tv, der dank solcher Reality-Shows sich jeden Abend über fantastische Zuschauerquoten erfreuen kann.
Durch Zufall rast die Fahrardkurierin Kookie den aktuellen Hasen über den Haufen. Da dieser sich strikt weigert einen Arzt zu rufen und sie statt dessen bittet, dass er seinen lädierten Knöchel in ihrer Wohnung ein wenig zur Ruhe betten darf, nimmt sie ihm mehr aus Mitleid mit in ihre Wohnung, die sie sich mit der Webdesignerin h.b. teilt. Es dauert nicht sehr lange, bis beide herausbekommen, was für einen "Fang" sie getätigt haben. Die Versuchung ist groß den Hasen aufzudecken und die Fangprämie zu kassieren. Weitaus mehr Geld würde ihnen winken, wenn sie ihm stattdessen helfen würden die Rätsel zu lösen und ein Versteck zu bieten.
So helfen die beiden den angeschlagenen Hasen und verletzten nicht nur die Spielregeln, sondern begeben sich auch auf Konfrontationskurs mit geltenden Gesetzten. Allerdings wächst ihnen das ganze sehr schnell über den Kopf und sie weihen ein paar Freunde ein. Alsbald hat sich um den Hasen eine kleine Clique gebildet, die auf unterschiedlichste Art und Weise dafür sorgt, dass dieser nicht gefangen wird und seine ihm gestellten Aufgaben löst.
Als Leser fragt man sich gleich zu Beginn des Romans wie dieser endet. Erwartungsgemäß schaffen es die Freunde trotz der medialen Machtstellung des Privatsenders und allen Sicherheitsvorkehrungen das Spiel am laufen zu halten.
Lesenswert wird der Roman vor allem durch die handelnden Figuren aus deren Sicht auch die Handlung abwechselnd beschrieben wird. Die Mitglieder der Clique sind alle noch recht jung und unangepasst. Das geregelte Vorstadtleben kotzt sie an. Sie gehen lieber ihren Interessen nach, versuchen sich mit Kurierdiensten, Jonglieren, Hilfsarbeiten u.ä. über Wasser zu halten und in einer Welt zu überleben, die noch ein wenig tolaritärer geworden ist. Bei der Lektüre mag der eine oder andere an sein Studentenleben erinnert werden. Eine Zeit, in der man das Leben aus vollen Zügen genossen hat, sich um seine Zukunft wenig sorgen machte und voll seinen Neigungen nachging. Die Autorin verschweigt keinesfalls welche Probleme solch eine Lebensweise mit sich bringt und das es geprägt ist vom täglichen Existenzkampf. Aber in gewisser Weise verklärt sie diese Lebenseinstellung. Nun mag das daran liegen, dass sie selbst solch ein Leben geführt hat oder noch führt. Der Roman ist jedenfalls voll mit Details die vermuten lassen, dass sich die Autorin bestens in ihrem Handlungshintergrund auskennt. Dadurch wird diese in sich stimmiger und lebendiger, was der Romanhandlung an sich schon gut tut.
Etwas überzogen ist dann das Romanende gestaltet. Hier soll die Clique gezwungen werden als Versuchsgruppe für eine technische Revolution zu dienen, da sie durch ihr Zusammenspiel gezeigt hat, dass sie über die benötigte Gruppendynamik verfügt. Hier transformiert der Fernsehsender zu einem skrupellosen Industrieunternehmen, dem die Underdogs hilflos ausgeliefert scheinen.
Ein wenig erinnert mich der Roman an Stephen Kings Werk "Menschenjagd", aber nur ganz zu Beginn und aufgrund der vergleichbaren Grundhandlung. "RunRabbitRun" verfügt aber über eine eigene Sprache, die sich z.B. im berlinerischen Dialekt wieder findet.
"RunRabbitRun" weist einen erfrischenden Stil und eine jugendliche Sprache auf, die man als SF-Leser in der hier vorgelegten Güte nur schwerlich bei deutschsprachigen Genreautoren vorfindet, jedenfalls was die Romanform angeht. Natürlich muss man sich bewußt sein, dass Nadja Sennewald von vornherein keinen SF-Roman verfassen wollte, sondern ihre Geschichte aufgrund der inneren Stimmigkeit einfach in eine nahe Zukunft ansiedelte. Deshalb wird man diesen Roman auch schwerlich in der SF-Ecke vorfinden, sondern eher bei den Werken junger, deutschsprachiger Autoren.
Auch wenn das Taschenbuch nicht gerade günstig ist, lohnt sich die Lektüre, zumal in diesem Jahr bislang wenig lesenswertere Genre-Werke hiesiger Autoren erschienen sind.